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  Ute Tartz


Christiane Benedikte Naubert

 

 

Christiane Benedikte Naubert war eine sehr erfolgreiche Schriftstellerin am Ende des 18./Beginn des 19. Jahrhunderts. Nauberts Werke waren zu ihrer Zeit bekannt und geschätzt und wurden europaweit in vielen Übersetzungen publiziert. Da sie anonym schrieb, wurden ihre Romane für die Werke eines gelehrten Mannes gehalten, bis 1817 ihre Anonymität aufgedeckt wurde. Später ereilte sie das Schicksal vieler Schriftstellerinnen - sie geriet in Vergessenheit.

Naubert
 
Christiane Benedikte Naubert  
Sie schrieb 50 zu ihrer Zeit viel gelesene Romane, Novellen und Märchen und gilt als Begründerin des modernen historischen Romans. Sie verband die aus historischen Quellen und Chroniken recherchierten politischen Ereignisse mit einer erfundenen privaten Geschichte und hob dadurch die Grenzen zwischen Geschichtsschreibung, Familienroman und Märchen auf. Das bedeutete eine wichtige Bereicherung für die Entwicklung des historischen Romans. Bis dahin hatte der historische Heldenroman vorgeherrscht. Nauberts Werke hatten Einfluss auf verschiedene Schriftsteller, nachweislich auf Sir Walter Scott.

Sie wurde am 13. September 1752 als Christiane Benedikte Eugenie Hebenstreit in Leipzig geboren. Ihr Geburtsjahr ist erst seit 2010 exakt bekannt, seit im Taufverzeichnis der Nikolaikirche ihr Geburtsjahr entdeckt wurde. Davor wurde immer 1756 als Geburtsjahr angegeben.
Benedikte war das sechste Kind einer Gelehrtenfamilie, ihr Vater war der Medizinprofessor Johann Ernst Hebenstreit, ihr Großvater mütterlicherseits war Professor der Rechte. Bereits 1757 starb der Vater an Typhus. Von da an wurde Benedikte von ihren größeren Brüdern, dem späteren Theologen Georg Ernst Hebenstreit und dem Historiker und Juristen Heinrich Michael Hebenstreit in den Wissenschaften und alten Sprachen unterrichtet, denn eine höhere Schule für Mädchen gab es damals noch nicht. Sie erhielt auch eine musikalische Ausbildung in Klavier und Harfe. Die neueren Sprachen brachte sie sich durch Selbstunterricht bei.

Bis zu ihrer Heirat 1797 lebte Christiane Benedikte im Haus ihres Bruders Ernst Benjamin Gottlob Hebenstreit, der wie sein Vater Medizinprofessor und Stadtphysikus in Leipzig war. Sie beschäftigte sich neben dem Sprachenstudium mit griechischer und römischer Mythologie sowie römischer und mittelalterlicher Geschichte.

1785 erschien ihr erster 2-bändigerRoman: "Emma's, Tochter Kaisers Carl des Großen, und seines Geheimschreibers Eginhardts Geschichte". Jährlich erschienen von da an Romane von ihr bei dem Verleger Johann Friedrich Weygand, der seit 1767 in Leipzig eine Buchhandlung betrieb. Alle Romane veröffentlichte sie anonym. Das entsprach den damaligen Gepflogenheiten weiblicher Autoren, weil schreibende Frauen und ihre Werke schnell diskriminiert wurden. In einem Brief an ihren späteren Verleger Rochlitz nannte Naubert "die viel glücklichere Verborgenheit" einen "Schleyer vor Lob und Tadel". 1
Da sie kommerziell sehr erfolgreich war, konnte sie mit ihren literarischen Arbeiten zum Lebensunterhalt der Familie beitragen.
1789 bis 1792 erscheinen 4 Bände "Neue Volksmärchen der Deutschen". Die Brüder Grimm schätzten die Naubertschen Märchen. Jacob Grimm schrieb 1829 an seinen Bruder Wilhelm: "ich theile deine verehrung für diese sehr begabte und phantasiereiche schriftstellerin."

1797 heiratete sie den 49jährigen Ritterguts- und Weinbergsbesitzer Lorenz Wilhelm Holderieder aus Naumburg, der aber schon 1800 an einem Schlaganfall verstarb. In Naumburg lebte sie in größter Zurückgezogenheit. Ihre schriftstellerische Tätigkeit stellte sie erst einmal fünf Jahre lang ein.
1802 heiratete sie zum zweiten Mal, diesmal den Naumburger Kaufmann Johann Georg Naubert, was zum Abbruch der Beziehungen zur Familie Holderieder führte.

Ab 1805 unterhielt sie geschäftliche, später auch freundschaftlichen Beziehungen zu dem Erzähler, Musikschriftsteller und Herausgeber Friedrich Rochlitz in Leipzig. Sie schrieb nun neben Romanen auch Novellen und Erzählungen und publizierte in bekannten Zeitschriften, z.B. im "Journal für deutsche Frauen", im "Frauenzimmer Almanach", die von Rochlitz und Seume herausgegeben wurden, und anderen.
Rochlitz war es vermutlich auch, der sie mit Christoph Martin Wieland bekannt machte.
1809 besuchte Wilhelm Grimm Benedikte Naubert in Naumburg. Es muss also doch zumindest in Gelehrtenkreisen kein so großes Geheimnis gewesen sein, wer der Verfasser der Romane war.

1817 wurde ihre Anonymität durch Karl Julius Schütz beendet. Er hatte Benedikte Naubert besucht und in der "Zeitung für die elegante Welt" darüber berichtet, wobei er ihren wirklichen Namen nannte, wahrscheinlich gegen ihren Willen. Er veröffentlichte auch ein Verzeichnis ihrer Werke. Dadurch können sie heute eindeutig ihr zugeordnet werden. Danach veröffentlichte sie 1818 den zweibändigen Roman "Rosalba" unter ihrem echten Namen. Allerdings stand nun nicht mehr ihr Werk im Mittelpunkt des Interesses, sondern die Tatsache, dass es von einer Frau verfasst und damit bedeutungslos war.

1808 hatte bereits ein Augenleiden begonnen, das fast zur Erblindung führte. Trotzdem fuhr sie mit ihrer schriftstellerischen Tätigkeit fort, indem sie ihre Werke diktierte.
1818 zog sie in ihre Geburtsstadt Leipzig zurück, um sich einer Augenoperation zu unterziehen.
Am 12. Januar 1819 starb sie in Leipzig.

Heute bemüht sich die Leipziger Stadtführerin Sylvia Kolbe, Benedikte Naubert wieder bekannt zu machen, einerseits bei Stadtrundgängen auf ihren Spuren, andererseits durch Auflegen ihrer Romane beim Engelsdorfer Verlag. Seit 2006 gibt der Engelsdorfer Verlag jedes Jahr einen ihrer Romane neu heraus.

 

(Dezember 2012)

 

1 http://www.deutsche-biographie.de/sfz68094.html

 

 

 

 

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