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  Ute Tartz


Henriette Voigt

 

 

Henriette Voigt war Pianistin und Klavierlehrerin. In ihrer Leipziger Wohnung unterhielt sie einen musikalischen Salon, in dem sich Musiker, Komponisten, Verleger und bürgerliche Musikliebhaber zusammenfanden. Sie selbst wirkte als Pianistin und Begleiterin mit.

Henriette Voigt wurde als Henriette Kuntze am 24. November 1808 in Leipzig geboren. Ihr Vater, Karl Wilhelm Kuntze, unterrichtete an der Thomasschule Französisch und Italienisch.
Zwischen ihrem sechsten und neunten Lebensjahr erhielt sie Klavierunterricht bei Karl Gottlieb Reißiger, der ab 1811 Thomasschüler in Leipzig und später Komponist und Kapellmeister war.
1817 starb Karl Wilhelm Kuntze. Henriettes Pate, Heinrich Schaller, brachte sie 1824 oder 1825 in Berlin mit dem Ziel unter, ihre Französisch- und Klavierausbildung fortzusetzen, zuerst bei einer Frau Tülker, dann beim Onkel des jungen Malers Eduard Bendemann. Klavierunterricht erhielt sie in Berlin von dem Pianisten und Klavierpädagogen Ludwig Berger. Im Hause Bendemann wurden Kammermusiken gepflegt, bei denen Henriette Voigt mit dem Pianisten Wilhelm Taubert und Felix Mendelssohn Bartholdy musiziert haben soll, die zur selben Zeit Schüler von Ludwig Berger waren.

1828 kam sie wieder nach Leipzig. In dieser Zeit begann sie mit dem Erteilen von Klavierunterricht.
1830 heiratete sie den jungen Kaufmann Carl Voigt, der im gleichen Jahr eine Seiden- und Garnhandlung (Berger & Voigt) in Leipzig eröffnete. Auch während ihrer Ehe behielt sie den Klavierunterricht bei, zuerst mit Zustimmung ihres Mannes, da sein Geschäft erst anlaufen musste, später sah er es nicht gern, ließ sie aber gewähren.

Henriette Voigt wurde zu einer bedeutenden Figur des Leipziger Musiklebens. Sie versammelte zusammen mit ihrem Ehemann, der ein Musik- und Kunstfreund war, in ihrem Haus zahlreiche Künstler, Komponisten und bürgerliche Musikliebhaber zu musikalischen Gesellschaften. Es wurden Klavier- und Kammermusik und Orchesterwerke in Klavierbearbeitung aufgeführt. Henriette Voigt wirkte oft als Pianistin bei den Aufführungen mit. Trotz ihrer ausgezeichneten Ausbildung und Fähigkeiten wirkte sie nur im halböffentlichen Raum ihres musikalischen Salons.

Zu den Gästen zählten u. a. Robert Schumann, Clara Wieck, Felix Mendelssohn Bartholdy, Frédéric Chopin, der Pianist und Komponist Ludwig Schunke, der Schriftsteller und Komponist Friedrich Rochlitz, Thomaskantor und Musikdirektor Moritz Hauptmann, der Pianist und Komponist Wilhelm Taubert, Louis Spohr, der englische Komponist und Pianist William Sterndale Bennett, der Komponist Carl Löwe und Henriette Voigts Lehrer Carl Gottlieb Reißger und Ludwig Berger.

Durchreisenden und einheimischen Künstlern bot sie in ihrem Haus die Möglichkeit, Kompositionen und Interpretationen vorzustellen und sich gegenseitig kennenzulernen. 1835 vermittelte sie z. B. die Bekanntschaft zwischen Robert Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy, mit dem sie und ihr Mann befreundet waren. Sie waren es auch, die Mendelssohn überzeugten, 1835 die Stelle als Gewandhauskapellmeister anzunehmen, nachdem er erst gezögert hatte, weil er seinen Vorgänger nicht verdrängen wollte.

Etliche Komponisten widmeten Henriette Voigt Werke, z. B. Ludwig Schunke, Wilhelm Taubert, Ludwig Berger und Clara Schumann. Robert Schumann widmete ihr seine Klaviersonate g-Moll op. 22, Mendelssohn sein Lied ohne Worte fis-Moll. Von Robert Schumann ist auch überliefert, dass er ihre Meinung sehr schätzte und sie zeitweise im Besitz einiger Manuskripte von ihm war. Sie nahm großen Anteil am Schaffen von Schumann, Mendelssohn und Ludwig Schunke.
Als Schunke 1834 schwer an Tuberkulose erkrankte, pflegte sie ihn in ihrem Haus bis zu seinem Tod im gleichen Jahr.
Wie sehr Schumann Henriette Voigts pädagogische Fähigkeiten schätzte, zeigt sein Versuch, sie als Mentorin für die elf Jahre jüngere Clara Wieck zu gewinnen, was sie dann auch für eine gewisse Zeit wirklich war.

Henriette Voigt hatte zwei Töchter. Ottilie, ein Patenkind Felix Mendelssohns, wurde im Dezember 1835 geboren. Im Winter 1838 zeigten sich bei Henriette Voigt erste Anzeichen von Tuberkulose. Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter Anna am 5. Mai 1839, einem Patenkind Robert Schumanns, starb sie am 15. Oktober desselben Jahres in Leipzig.

Robert Schumann schrieb in der "Neuen Zeitschrift für Musik" einen Nachruf mit dem Titel "Erinnerungen an eine Freundin". Dieser Nachruf, die ihr gewidmeten Werke und ihre Stammbuchblätter, durch die wir heute Einblick in die bürgerliche Musikpflege der damaligen Zeit erhalten, spiegeln Henriette Voigts Ansehen als Pianistin und Gesellschafterin bei ihren Zeitgenossen wider.

 

(Mai 2018)

 

 

 

 

 

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