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  Ute Tartz


Käthe Windscheid

 

 

Katharina (Käthe) Charlotte Friederieke Auguste Windscheid war die Tochter des Rechtsgelehrten Bernhard Windscheid, der 1874 an die Universität Leipzig kam und 1880 zum Ordinarius der Juristenfakultät berufen wurde. Er galt als einer der bedeutendsten Juristen seiner Zeit, war z.B. federführend an der Abfassung des BGB beteiligt.
Die Tochter Käthe wurde 1859 in München geboren. Dort besuchte sie die Höhere Töchterschule. 1882 legte sie in Berlin das Sprachlehrerinnenexamen und 1890 in Dresden das Lehrerinnenexamen ab.
Von 1885 bis 1890 arbeitete Käthe Windscheid an der christlichen Teichmannschen Privatschule in Leipzig. Als Gasthörerin studierte sie 1890-1894 an den Universitäten in Leipzig, München und Heidelberg Germanistik, Romanistik und Anglistik. 1895 wurde sie in Heidelberg mit einer Dissertation über die englische Hirtendichtung promoviert. Sie war die erste promovierte Frau in Heidelberg und deutschlandweit die erste Frau mit einem philosophischen Doktorgrad nach regulärer Ausbildung und Vorlage einer Dissertation. Auf Grund der Freundschaft ihres Vaters Bernhard Windscheid mit dem Großherzog Friedrich I. von Baden, war ihr eine Ausnahmeregelung zuteil geworden, denn regulär war eine Promotion für Frauen vor der Jahrhundertwende nicht möglich.

Die staatliche Mädchenschulausbildung bot bis zum Ende des 19. Jahrhunderts für Mädchen keine Möglichkeit, als Voraussetzung zum Studium das Abitur abzulegen (s.dazu auch Das Frauenstudium in der Weimarer Republik). Die bürgerliche Frauenbewegung arbeitete intensiv an der Lösung dieses Problems und setzte dabei auf private Initiativen. Im gesamten Königreich Sachsen war das über die Volksschule hinausführende Mädchenschulwesen überwiegend in privater Hand.
1894 gründete der Allgemeine Deutsche Frauenverein in Leipzig "Realgymnasialkurse für Mädchen". Diese waren nach Karlsruhe und Berlin die dritte Einrichtung in Deutschland, die zum Erwerb der Hochschulreife für Mädchen führte. Die feierliche Eröffnung fand zu Ostern statt. Dies war zugleich der letzte öffentliche Auftritt von Louise Otto-Peters.
Das Ziel dieser "Realgymnasialkurse für Mädchen" war die Vorbereitung studierwilliger Mädchen auf das Abitur in 4 bis 5-jährigen Kursen. Der Besuch dieser Kurse war nur im Anschluss an die 10-klassige höhere Mädchenschule gestattet. Die Mädchen mussten mindestens 16 Jahre alt sein und hatten jährlich 260 Mark Schulgeld zu entrichten. Der Lehrplan entsprach auch in den naturwissenschaftlichen Fächern und dem Lateinunterricht dem der Knabenschulen.

Von Beginn an bis 1914 leitete Dr. Käthe Windscheid diese Kurse. Sie begann 1894 mit einer Klasse von 10 Schülerinnen. Anfangs fanden sie im Studierzimmer ihres Vaters in der Parkstraße 11 (heute Richard-Wagner-Straße 1) statt, später am Thomasring 3a (heute Dittrichring). Die Schülerinnen mussten ihre Abiturprüfungen zunächst an einem Knabengymnasium ablegen. Das einzige 1898 in Sachsen dazu befugte war das Königliche Gymnasium zu Dresden-Neustadt. Die nachfolgenden Jahrgänge konnten dann als Externe am städtischen Realgymnasium geprüft werden. Von 1898-1914 wurden insgesamt durch diese Gymnasialkurse des AdF 187 junge Frauen auf das Abitur vorbereitet.
Ab 1906 durften Frauen in Leipzig offiziell studieren. Von den ersten 27 Studentinnen, die sich 1906 immatrikulieren ließen, waren viele Absolventinnen der Realgymnasialkurse des ADF.

Nach der Verabschiedung des sächsischen Mädchenschulgesetzes 1910 war vorgesehen, die Kurse in das öffentliche Schulwesen zu überführen und sie zu einer Oberrealschule auszubauen. Da diese Schule dann unter männlicher Leitung stehen sollte, lehnte der Vorstand des ADF 1911 diesen Vorschlag ab und löste die Kurse 1914 auf.
Nach 1914 wurde Katharina Windscheid als Lehrerin an der II. Höheren Mädchenschule (Oberrealschule) in Leipzig zugelassen, wo sie bis 1924 tätig war. Die II. Höhere Mädchenschule wurde 1903 als Filiale der I. Höheren Mädchenschule, die sich am Schletterplatz befand, in der Döllnitzer Straße (heute Lumumbastraße) eingerichtet und ab 1907 als selbständige II. Höhere Mädchenschule geführt. Möglich war die Erweiterung geworden, weil auf Druck des Leipziger Lehrerinnenvereins und vieler Eltern 1899 ein Lehrerinnenseminar an die I. Höhere Mädchenschule angebunden wurde und 1900 der Reformpädagoge Hugo Gaudig die Schulleitung übernahm, was einen starken Anstieg der Schülerinnenzahlen zur Folge hatte.

Käthe Windscheid starb am 15. März 1943 in Leipzig. Sie war eine der wichtigsten Wegbereiterinnen des Frauenstudiums, der Etablierung und Profilierung der Frauengymnasialbildung in Leipzig. Eine Ehrung im Leipziger Stadtbild wurde aber nur ihrem Vater Bernhard Windscheid zuteil, nach dem eine Straße in Connewitz benannt ist und der 1890 zum Ehrenbürger Leipzigs ernannt wurde.

 

(Oktober 2012)

 

 

 

 

 

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