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Universität Leipzig

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der Seniorenakademie

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Zum „verschwinden“ von Büchern im
Leipziger Buchmessehaus am Markt

Ein Bericht von Dr. Rolf Beyer, Leipzig

Während meiner früheren Tätigkeit in den 60er und 70er Jahren in einem Leipziger Fachverlag, fand die Leipziger Buchmesse immer im Messehaus am Markt statt. Auf unserem dortigen Stand waren ständig unsere Verlagsvertreter anwesend. Diese nahmen vor allem die Bestellungen der Buchhandlungen entgegen, denn damals kamen Mitarbeiter fast aller Buchhandlungen der DDR zur Leipziger Messe. Für unsere Vertreter hatten wir „Waschzettel“ angefertigt, denen das Wichtigste zu jedem Buch – vor allem inhaltliche Schwerpunkte, Lehrbuch für …, Leserkreis, Preis – zu entnehmen war.
Außerdem waren für Besucher, die fachliche Wünsche hatten und beraten werden wollten, abwechselnd Mitarbeiter auf dem Stand, die die Inhalte unserer Fachbücher sehr gut kannten.  So war auch ich öfter auf der Buchmesse. Dort mussten wir uns ständig sehr vielen Besuchern widmen. Das war aber gar nichts gegen den Stress, den die Mitarbeiter eines westdeutschen Gemeinschaftsstandes von Fachverlagen hatten, der sich bei den Messen meist in unserer Nähe befand.

Dieser Stand musste von den dortigen Mitarbeitern wegen Überfüllung öfter zeitweise sogar geschlossen werden. Nur wenn ein Besucher ging durfte ein neuer rein. Bei gelegentlichen Gesprächen mit den Kollegen von diesem Stand klagten diese meist, dass in dem Gedränge bei ihnen wieder mehr Bücher als allgemein üblich verschwunden waren.

Die Buchmesse wurde damals von vielen Besuchern genutzt um sich fachlich zu informieren bzw. Wissen zu verschaffen, an das sie sonst nicht oder nicht so schnell herankamen. Das verleitete manchmal auch dazu ein Buch heimlich einzustecken.

Das Messeziel ist bekanntlich über das aktuelle und künftige Verlagsprogramm zu informieren und möglichst viele Bestellungen zu erhalten. Deshalb ließen wir auch in Druckereinen von Büchern, deren Produktion noch nicht abgeschlossen war, für die Messepräsentation Vorabexemplare anfertigen, und diese waren meist „gefragt“.
Erwischten wir auf unserem Stand jemanden beim „mausen“, musste er das Buch sofort bezahlen bzw. uns schriftlich geben, dass der Betrag überwiesen wird. Eine Anzeige hätte keinen Sinn gemacht, da der Aufwand in keinem Verhältnis zum Buchpreis stand.
Wurde auf dem westdeutschen Stand jemand erwischt war die Ausrede meist, ich brauche das Buch um mich zu qualifizieren kann es aber nirgends kaufen. In der Regel musste der Titel dann zurückgegeben werden.

Das ein westdeutscher Verlag auf der Leipziger Messe ein Buch verkauft war damals nicht gestattet. Außerdem hätte sich ja die Frage ergeben Ost- oder Westmark. Hinzu kam, dass damals „offiziell“ niemand in der DDR Westmark besaß. 

Manchmal hatten die westdeutschen Kollegen aber Mitleid und ließen die Person mit dem Buch laufen, da Verlage auf Messen in der Regel mit Verlusten planen. Das auf dem dortigen Stand Bücher fehlten und auch die Reserveexemplare alle waren wurde dann jeweils gegen Ende der Messe sogar an Lücken in den Regalen sichtbar.

Auf unserem Stand hatten wir von allen Titeln eine Reserve da bzw. konnten als Leipziger innerhalb einer Stunde Bücher aus dem Verlag kommen lassen und unseren Bestand auffüllen.

Ein so schnelles reagieren war den westdeutschen Kollegen nicht möglich, da alle Waren sowie die erforderlichen Begleitpapiere, die damals die innerdeutsche Grenze passierten, erst vom Zoll geprüft wurden. Und der damit verbundene Aufwand lohnte sich nicht.


Mai 2013



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