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Universität Leipzig

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Die Felashas – Einwohner mosaischen Glaubens

Ein Bericht von Prof. Dr. Gerhard Asmussen, Leipzig

An dieser Stelle möchte ich meinen Bericht über das Leben am Horn von Afrika fortsetzen (ich war zwei Jahre in Äthiopien, 1979/80 und nochmals 1982/83, wir haben dort Ärzte ausgebildet), indem ich über die Existenz der schwarzen Juden berichte.

Sie selbst betrachten sich als die direkten Nachkommen der Liebesgeschichte von Salomon und der Königin von Saba (Makeda), über die im Alten Testament ausführlich berichtet wird. Wahrscheinlicher aber ist, dass die Juden, die entlang des Roten Meeres eine gewisse Aktivität entfalteten. Sie wurden dann, im Gefolge der Arabisierung von Eritrea aus, in das Hochland abgedrängt. Aber sie hängen dem mosaischen Glauben an, sind also echte Juden. Die Sitten und Gebräuche sind etwas andere als bei den Juden üblich. Sie berufen sich auf die Thora und auf das Alte Testament. Aber sie haben keine nachexilischen Feste (z. B. Purim). Und sie weder die Mischna noch den Talmud, dafür gibt es Tieropfer, wie im Alten Testament. Wie bei den Juden üblich werden die Männer und Frauen beschnitten. Die Beschneidung der Knaben erfolgt durch einen Priester oder weisen Mann – gewöhnlich mit einer Rasierklinge oder Glasscherbe wobei auch schon mal ein Stück der Eichel mitgenommen wird. Die Blutstillung erfolgt, indem der Priester das Glied in den Mund nimmt und kräftig daran saugt. Noch schlimmer (für unsere Verhältnisse) erfolgt die Beschneidung der Mädchen (die Infibulation) durch eine weise Frau. Hierbei beseitigt man die großen und kleinen Schamlippen und die Klitoris vollständig, zurück bleibt nur eine kleine Öffnung für den Urinabfluss. Der Spruch: „Du sollst Deine Kinder unter Schmerzen gebären“, bekommt hier einen tieferen Sinn.

 

Synagoge

 

Die Frauen haben in der Synagoge wenig oder nichts zu sagen – sonst können sie durchaus die „Hosen“ anhaben, aber nicht in der Synagoge. Letztere besteht aus einer einfachen Rundhütte (Tokul), gelegentlich findet man auch Chikas (s. Bild) – die modernere Form, viereckig, sonst bleibt alles erhalten – das mit Stroh gedeckte Dach (mit dem Davidstern), die Eukalyptusstangen mit einen Gemisch aus Lehm und Kuhdung verputzt und auch der Grundaufbau aus Feldsteinen ist identisch. Die Hütte hat zwei Eingänge (einen für Männer, einen für Frauen), wobei sich der Opferplatz vor dem Tor im Osten befindet. Die Frau gilt nach der Geburt eines Kindes, als „unrein“, sie schläft (für die nächsten 30 Tage) separat in einem Raum, das Essen wird ihr vor die Tür gestellt, niemand darf sie sehen – eine für unsere Vorstellung unnötige Härte, was ist wenn sie erkrankt? Man erntet auf solche Fragen nur Achselzucken. Übrigens scheint die Selbsthilfe bei den Äthiopiern wenig angebracht. Das habe ich selbst erlebt. Uns wurde eine Frau gebracht (Uterusruptur), mehr tot als lebendig, nur eine rasche Bluttransfusion konnte sie retten. Keiner im Krankenhaus hatte diese seltene Blutgruppe – nur ihr Mann. Auf die Frage nach einer Blutspende, zuckte er nur die Achseln – die Frau starb.

Asmussen

Tonfiguren


Von Gondar kommend erreicht man den Ort Wolleka, wo die Felasha ihre Hütten haben, nach ungefähr 5 km. Man kann auch eine Pferdedroschke mieten, wie man sie in Gondar ständig sieht, aber man sollte unter diesen Umständen alle Reste europäisch-sentimentaler Tierliebe abgelegt haben. Die Tiere sind gewöhnlich in einem erbärmlichen Zustand, sie sind klapperdürr, sehen räudig aus, und die Peitsche wird ständig geschwungen. Eine Hufpflege kennen die Tiere offenbar überhaupt nicht. Sie werden mit den Resten alter Autoreifen beschlagen (sehr dauerhaft), der Huf jedoch wächst weiter und so sieht man oft Pferde, die auf Kothurnen laufen.

Ich habe die schwarzen Juden noch erlebt, bevor es zum großen „Exodus“ kam. 1985 wurde (als Folge einer Hungersnot) unter Mithilfe des israelischen Verteidigungsministeriums, der CIA und sudanesischer Behörden die Operation „Moses“ begonnen, bei der 8000 Angehörige der Felashas Äthiopien verließen, um in Israel eine neue Heimat zu finden. Ich glaube aber nicht, dass der Auszug völlig ohne Bemerken der Äthiopier verlief, wie uns Israel immer beibringen wollte – es müssen ganze Ortschaften  entvölkert  worden  sein, die sudanesische Grenze liegt etwa in 100 km Entfernung, es soll viele Tote auf dem Marsch gegeben haben (man rechnet mit bis zu

AsmussenSalomon und Makeda

AsmussenMoses und die Gesetzestafeln

 

4.000)- das alles dürfte den Treck sehr verlangsamt haben. Es ist unwahrscheinlich, dass die Äthiopier nichts von dem Auszug bemerkt haben, wahrscheinlich geschah es mit stillschweigender Duldung, denn man war lästige „Mitesser“ los – die Beziehungen zu Israel waren auch zu Zeiten, als Mengistu dort noch herrschte, nicht schlecht, man hatte einen gemeinsamen Feind – die Araber. Es gab 1991 noch eine Nachauflage – die Operation „Salomon“ – bei der 14.000 Juden ausgeflogen wurden – Mengistu war da schon nicht mehr im Amt, oder zumindest im „absterben“. Unterdessen ist kaum noch jemand da.

Als wir 2008 diese Reise nochmals unternahmen (wir wollten sehen, ob wir Spuren hinterlassen haben) war vom Leben im Felashadorf nur wenig des Ursprünglichen zu finden. Zwar existieren immer noch Einwohner in den Ortschaften (es sind nur deutlich weniger), und man merkt, dass sie z. B. Keramik herstellen nur für die Touristen machen. Alle Volljuden wurden ausgesiedelt, zurück blieben die amharische Mischlinge, die nicht mitgenommen wurden, oder wer sonst aus den verschiedensten Gründen nicht an der Auswanderung teilnehmen konnte oder wollte. Einige (wie viele?) sollen auch aus Israel zurückgekommen sein.

Die Anerkennung der schwarzen Juden war und ist (sowohl in der alten wie in der neuen Heimat) gering bis ablehnend, deshalb wohnten sie auch in separaten Siedlungen außerhalb der Stadt. Sie durften kein Land kaufen – und das in einen Land, wo nur der Bauer etwas gilt; sie waren meist Handwerker wie Schmiede, Gerber, Weber u. ä. Sie stellten Keramiken her, die aus bräunlichem Ton hergestellt und Schwarz glasiert wurden. Diese wurden im offenen Feuer gebrannt, und dann mit nug-Öl (eine einheimische Ölpflanze) zum Glänzen gebracht.

Leider haperte es mit der Glasur, wie ich schmerzhaft feststellen musste. Ich hatte mir ein Väschen gekauft, und Wasser eingefüllt, dann ging ich hinaus, um mir eine Rose als Schmuck für meinen Schreibtisch zu schneiden. Als ich wieder in mein Zimmer kam, fand ich statt der Vase nur einen feuchten Batzen Tonerde vor. Sonst findet man verschiedene Tiere (Schlangen und Schafe) und Menschen, den Löwen von Juda, Moses und die Gesetzestafeln. Besonders beliebt sind Darstellungen von Salomon und Makeda (die Königin von Saba) in inniger Vereinigung – von uns „Bumsstuben“ genannt. Ansonsten unterscheidet sich das dörfliche Leben nicht von dem in anderen Orten.

 

Juni 2013

 



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