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Alma Mater Lipsiensis
Universität Leipzig

Arbeitsgruppe Zeitzeugen
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Was bedeutet für mich Angst?

Von Hans-Rainer Herold, Ellefeld

Ich bin 77 Jahre alt und frage mich, wie gehe ich mit Angst um?
Was ist für mich heute beängstigend? Ist es die Politik, das Alter, sind es Krankheiten?

Natürlich hatte ich als Kind Angst, z.B. zu Weihnachten, als Herr U. als Weihnachtsmann verkleidet, bei uns erschien und ich unterm Bett verschwand, oder als Schulkind vor Leistungskontrollen, oder als ich mir beim Skifahren das Knie verletzte und später bei Abfahrten immer Angst hatte.
Auch als Student hatte ich Angst, z.B. im Physikum  Anatomie, vielleicht mit den „Leitungsbahnen des Zentralnervensystems“ dranzukommen oder wer prüft, Prof. Bertolini oder Prof. Leutert? Letztlich sind das Beispiele, die sicher viele erlebt haben. Aber was beinhaltet eigentlich der Begriff „Angst“?

Für mich ist die Angst ein normales, sinnvolles Gefühl der Beengtheit (lat. angustus = eng), ein unangenehmer, spannungsreicher emotionaler Zustand, der mich zu erhöhter Wachsamkeit fordert, um Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Dabei kommt es zu autonomen Körperreaktionen (erhöhte Atem- und  Pulsfrequenz, steigender Blutdruck, charakteristischer Gesichtsausdruck usw.).  

Auf die Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten von krankhaft, dauerhaft  übersteigender Angst, den sogenannten Angststörungen (z.B. Phobien) möchte ich in diesem Zeitzeugenbericht nicht eingehen, sondern mich gleich damit beschäftigen, was mich heute beängstigt.              

Ist es die Politik? In der „Freien Presse“ vom  Mittwoch, 31. Januar 2018, schreibt Wolfgang Thierse (SPD), ehemaliger Präsident des Deutschen Bundestages:
„Die große Mehrheit der Deutschen sagt, laut allen Umfragen,  seit langer Zeit:
Mir geht es ganz gut. Und fast genauso viele sagen: Aber das wird vielleicht nicht so bleiben. In der Stimmung korrespondieren positive Gegenwarts beurteilung und Zukunftsangst.“ 

Für mich ist die z.Z. schleppende Regierungsbildung kein Grund für Angst. Wir haben eine geschäftsführende Bundesregierung, die solange im Amt bleibt, bis sie die neue Regierung ablöst. Betrachte ich das Wahlergebnis  zum 19. Bundestag am 24. September 2017 (Sitze: CDU 200, SPD 153, AfD 94, FDP 80, Die Linke 69, Grüne 67, CSU 46, gesamt 709 Sitze) stimmt mich ärgerlich, dass der FDP-Chef, Christian Lindner, die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition abgebrochen hat. Am 7. Februar 2018 stand endlich der Koalitionsvertrag der ehemals großen Volksparteien Union und SPD. Schau ich mir die Ergebnisse der Bundestagswahl 2017 an, würde ich nicht unbedingt von einer „Großen“ Koalition sprechen. Es geht zur Zeit in beiden Parteien drunter und drüber. Allein die Verteilung der Kabinettsposten macht das deutlich.

Ich wünsche mir, dass wenigstens die Große Koalition zustande kommt, um Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung zu vermeiden. Angst macht mir, wenn die SPD-Mitglieder dem Koalitionsvertrag zwischen Union (CDU und CSU) und SPD in der Zeit vom 20. Februar bis zum 3. März 2018 nicht zustimmen.
(20% der SPD-Mitglieder müssen ihre Stimmen abgeben, damit das Votum verbindlich ist, stimmt die Mehrheit mit „nein“, kommt die Regierung nicht zustande). Das heißt, es könnte zu Neuwahlen kommen. Das bedeutet, dass die rechtspopulistische Partei AfD, jetzt schon die drittgrößte Kraft im Bundestag, die deutsche Politik maßgeblich mitbestimmen könnte.

Im  „Deutschland Kurier“, eine der AfD sehr nahestehende Wochenzeitschrift, lesen wir am 7. Februar 2018: „Die Masseneinwanderungskanzlerin  Angela Merkel hat bei ihren Koalitionsverhandlungen nichts Halbes und nichts Ganzes zustande gebracht. Einig wurden sie sich aber vor allem darin,  der grundgesetzwidrigen Masseneinwanderung ungebremst ihren Lauf zu lassen – ja, diese im Ergebnis sogar noch auszuweiten.“ 

Was steht nun tatsächlich im Koalitionsvertrag?
Im Punkt VIII. lesen wir: „Zuwanderung braucht Ordnung und Steuerung. Damit die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft nicht überfordert wird, steuern und reduzieren wir die Zuwanderung nach Deutschland.“                                                                                  

Wovor haben wir nun Angst? Sind es die Flüchtlinge?
Schau ich mich in den kleinen Ortschaften des Vogtlandes um,  so sieht man kaum welche. Anders  in Städten, wie Plauen, Hof oder Leipzig. Dass den Asylsuchenden z.B. aus Syrien von unserer Bundeskanzlerin 2015 bereitwillig  Aufnahme gewährt wurde, fand ich aus christlicher Sicht damals richtig. Die späteren  unübersichtlichen und unbegrenzten  Zuzüge fand ich weniger gut. Selbst habe ich einer syrischen Familie (Eltern, 3 Kinder) Deutschunterricht erteilt. Die jetzt im Koalitionsvertrag klare Aussage über Zuwanderung mindert die allgemein bestehende Angst vor dem düsteren Szenario der „Islamisierung“ Deutschlands.

Am 11. Februar 2018 betonte die geschäftsführende Bundeskanzlerin in der ZDF - Sendung  - Berlin direkt -: „Wenn wir die Regierung bilden können, möchte ich die nächsten 4 Jahre Bundeskanzlerin bleiben.“ Funktioniert nun der Koalitionsvertrag, so rechnen wir damit, dass Angela Merkel ihre vertragliche Zuwanderungspolitik durchsetzt.

Was macht uns nun wirklich Angst?
Professor Manfred Schmidt, Politikwissenschaftler an der Uni Heidelberg, stellt in seinen Untersuchungen für das Jahr 2017 fest, dass  die Angst durch  Zuzug von Ausländern rückläufig ist, aber die Angst vor Terroranschlägen, politischer Gewalt von rechts und links, Krieg mit und ohne deutscher Beteiligung, Naturkatastrophen, globaler Erwärmung und Umweltproblemen doch recht groß ist.

Von diesen Aussagen sind alle Altersgruppen betroffen. Das empfinde ich als Rentner mit 77 Jahren genauso. Was macht das Alter mit mir, wie sieht es mit Krankheiten aus? Was sind meine Sorgen, meine zusätzlichen Ängste? 

Bei  über Sechzigjährigen tritt mehr oder weniger das Alterssyndrom auf:
Einschränkungen der Sinnesorgane, Instabilität, Immobilität, Inkontinenz, Intelligenzabbau.
Was beängstigt mich nun?
Angst, dement zu werden. „Ich möchte gern mein Leben vollenden, ohne die Welt der Vernunft schon vorher verlassen zu müssen.“ (Henning Scherf, ehemaliger Bremer Bürgermeister)
Angst, auf Grund meines Blutdruckes einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden.
Angst darüber, wann, wie und wo ich sterben werde.

Hermann Hesse schrieb: „Über den ängstlichen Gedanken, was etwa morgen uns zustoßen könnte, verlieren wir das Heute, die Gegenwart, und damit die Wirklichkeit.“

Also auf morgen, Sonnabend, da spiel` ich auf einer Hochzeit Klavier und am Montag freu` ich mich auf die Zeitzeugen in Leipzig.    

 

Februar 2018

 



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