uni

Alma Mater Lipsiensis
Universität Leipzig

Arbeitsgruppe Zeitzeugen
der Seniorenakademie

Berichte über Erlebnisse

Was wir wollen | Berichte schreiben | Chronik | Aktuelles | Impressum

Aus meinem Leben

Ein Bericht von Ingeburg Faust, Leipzig

Als ich in Klein-Wiederitzsch in einem denkmalgeschütztem und über 1000 Jahre altem Haus zur Welt kam, war mein Vater bereits 70 Jahre. Er hatte in der Kaiserzeit in Chemnitz studiert - war Ingenieur für Kesselbau und arbeitete danach in Riga und St. Petersburg. Im 1. Weltkrieg wurde er nach Omsk zwangsausgesiedelt. Dort machte er sich wieder selbständig. Meine Mutter, die Russland-Deutsche war, wurde nördlich der Krim geboren. 1904 wanderte ihre Familie mit anderen Deutschen aus und verblieb in der Omsker Gegend. Sie war bei meinem Vater als Hausangestellte tätig.

Unter Herrschaft der Bolschewiken wurden meinem Vater die Grundlagen seiner Existenz entzogen, sein Vermögen wurde beschlagnahmt und seine eigene Sicherheit war nicht mehr gewährleistet. Da kam es darauf an, eine Flucht für sich und meine Mutter und für deren körperbehinderte Schwester zu finden. Die Familie meiner Mutter konnte nicht mitgenommen werden. Die Flucht gelang ihnen mit Hilfe der schwedischen Botschaft und unter Nutzung der Vermittlungsgespräche von Fritjof Nansen (Naturwissenschaftler, Polarforscher), so dass schließlich im März 1918 - auch im Ergebnis des gerade abgeschlossenen Friedensvertrages v. Brest-Litowsk - die Ausreise nach Deutschland (Zeitz) schriftlich bewilligt wurde.

1918/1919 erwarb mein Vater das Haus in Klein - Wiederitzsch.

Meine Eltern heirateten 1921. Im Jahr 1926 wurde ich als drittes von vier Kindern in dem alten Haus geboren. Wir lebten in bescheidenen Verhältnissen. In Wiederitzsch absolvierte ich die Schule und anschließend die Frauenfachschule (Carolaschule in Leipzig).


Mein Beruf


Ende 1945 erfüllte sich mein Berufswunsch. Ich bewarb mich als Neulehrer und wurde in der Sowjetischen Besatzungszone als Ersatz für entlassene Lehrer, die nationalsozialistisch belastet waren, eingestellt. Meine 1. und 2. Prüfung als Neulehrer im Fach Deutsch-Literatur erfolgte 1948 und 1950. Anschließend unterrichtete ich 40 Jahre als Deutschlehrerin an Berufsschulen. Mein Staatsexamen legte ich 1964 ab, und zwar am Pädagogischen Institut Leipzig.

1949 wurde ich Schulleiterin an der Betriebsberufsschule "Titel & Krüger". Da ich keiner Partei angehörte, musste ich diese Funktion aufgeben und ging 1959 an die Gutenberg Schule Leipzig. Dort unterrichtete ich auch Ausländer in Deutsch. Für diese Aufgabe besuchte ich Kurse am Herderinstitut. Ab den 60-er Jahren unterrichtete ich ausschließlich Ausländer (z.B. aus Asien, Afrika, Mittelamerika und Südamerika). Mit den Schülern hatte ich einen sehr engen Kontakt und es entwickelten sich Freundschaften. Noch heute stehe ich mit einigen im Briefverkehr. Es war eine wunderbare Zeit, die ich nie vergessen werde. Aufgrund meiner Leistungen erhielt ich 1963 von Vietnam eine staatliche Urkunde.

Am 12.06.1981 wurde ich als Oberlehrer berufen.

Bis zu meiner Pensionierung war ich als Lehrer tätig. Mein Beruf hat mich ausgefüllt, war mein Leben. Ich habe immer versucht, mich weiter zu bilden und zu engagieren. Dieser Lerneifer setzt sich bis zum heutigen Tage fort. Seit 1993 nehme ich am Seniorenstudium der Universität Leipzig teil.


Auch aktiv in der Freizeit


Seit 10 Jahre besteht in Wiederitzsch der Kunst- und Heimatverein. Dort bin ich Mitglied und war über einen längeren Zeitraum in der Leitung tätig. Zu meinen Aufgaben gehörten:

  • Vorträge auszuarbeiten über Klein - Wiederitzsch.
  • Sprachstudien im Alltag und Sprachschluderei im Alltag.
  • Ausführungen zu erarbeiten über den Dichter Ferdinand Freiligrath und anderes.

Zusätzlich schrieb ich noch Zeitungsartikel über Konzerte von Kindern und Jugendlichen sowie ausführliche Berichte über die Bibliothek. Meine Artikel wurden in folgenden Zeitungen veröffentlicht: .

  • Kleine Zeitung der Leipziger Volkszeitung
  • Gemeindebote Wiederitzsch.

Für diese Artikel erhielt ich Anerkennung und Dankschreiben.


Im Alter noch Seniorenstudium


Wie bereits ausgeführt, war mein Bestreben immer die Erweiterung meines Wissens.
Aufgrund eines Zeitungsartikels erfuhr ich 1993 vom Seniorenstudium - das war genau das Richtige für mich. Ich schrieb mich an der Universität ein mit einer Generation, die vom Alter her meine Enkel sein konnten. Ich hörte Vorlesungen über Literatur, Geschichte, Deutsche Sprache, Strafrecht, Musikwissenschaft, Archäologie und Philosophie. Dozenten und Professoren schätzen uns ältere Zuhörer. Zuerst hatte ich Hemmungen - mit den jungen Studenten in einer Reihe zu sitzen. Dies hat sich aber im Laufe der Zeit gegeben. Wir kommen prima miteinander aus. Das Studium erfüllt jetzt mein Leben, obwohl ich viel in meinem großen Garten und in meinem Haus zu erledigen habe. Aber irgendwie schaffe ich alles.
Ich gehe dreimal wöchentlich zu Vorlesungen an die Uni. Das bedeutet für mich einen langen Anfahrtsweg - das ist aber unwichtig. Die Freude - etwas zu lernen - überwiegt sowie das Zusammentreffen mit anderen Studenten.

Außerdem gehöre ich an der Universität der Arbeitsgruppe Zeitzeugen an. Ich schrieb bisher 5 Berichte über Begebenheiten in meinem Leben (siehe vorstehende Veröffentlichungen) Diese Berichte fanden auch internationale Beachtung.
So erhielt ich dazu Post aus New York, Boston, Glasgow und Sydney. Zuletzt kamen E-Mails aus Malta und England.

Die Arbeitsgruppe trifft sich zweimal im Monat. Die Themen, die besprochen werden, sind interessant, und es findet ein reger Gedankenaustausch statt. Zusammenfassend möchte ich sagen - mein Leben ist geprägt von der Erweiterung meines Wissens, von meiner Haus- und Gartenarbeit und natürlich von meiner Familie. Ich habe bereits ein Urenkelchen, mit dem ich mich auch sehr beschäftige. Ein sinnvolles Leben noch in meinem Alter, welches mich jung erhält.

 



     Seitenanfang
Website der AG Zeitzeugen
Templates