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Alma Mater Lipsiensis
Universität Leipzig

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Über das Weintrinken vor und nach der Wiedervereinigung,
die Küche in der DDR

Ein Bericht von Dr. Klaus-Dieter Schmidt, Leipzig

Über dieses Thema soll es einen kleinen Exkurs geben, was eine Reihe von Erscheinungen in unserem Hause erklärt, was aber sicher in anderen Familien ähnlich ist.

Wir hatten bei Helmuth, unserem Freund aus Ludwigshafen, einige Weingüter kennengelernt, wir hatten begonnen, diese Weine zu probieren, und bei Helmuth war der ganze Keller voll von den herrlichsten Weinen. Dabei teilten sich die Geschmäcker von Monika, meiner Frau, und mir in zwei Lager. Monika bevorzugte liebliche Weine und ich entdeckte, dass trockene Weine nicht notwendig sauer sein mussten, also trank ich nun bis auf wenige Ausnahmen trockene Weine. Alle Versuche, Monika von trockenen Weinen zu überzeugen, schlugen nach anfänglichen Erfolgen fehl. Diese Situation gab es in vielen Familien in der DDR.

Da lohnte es sich doch einmal darüber nachzudenken, warum sich der Hang zu lieblichen Weinen so hartnäckig hielt.

Welche Weine gab es nun eigentlich in der DDR zu kaufen?

Die Weine von Saale, Elbe und Unstrut bekam man nur unter dem Ladentisch, anders als das der ehemalige Innenminister Diestel der letzten DDR-Regierung 2004 in der Sendung „MDR nach Zwölf“ behauptete. Diestel schien Beziehungen zu haben, ich hatte keine.

In den Geschäften gab es Weine aus Ungarn, Bulgarien und Rumänien in einem stark schwankenden Angebot.

Aus Ungarn kamen die Weißweinsorten „Lindenblättriger“, „Grauer Mönch“ und „Blaustengler“, Massenabfüllungen ähnlich wie die „Zeller Schwarze Katz“ oder der Kröver Nacktarsch“ von der Mosel. Dazu kam noch der „Tokaj Furmint“.

Das waren alles liebliche oder halbtrockene Sorten bis auf den „Blaustengler“, dieser war nicht nur trocken sondern auch so sauer, dass die daneben im Schrank stehende Essigsäure regelrecht neidisch wurde. Wer den Wein getrunken hatte, musste sich geschworen haben, nie wieder einen trockenen Wein zu trinken.

Das, was da von den Ungarn in die DDR geliefert wurde, konnte nicht zu den hochwertigen Weinen gerechnet werden. Die hochwertigen Weine wurden in das westliche Ausland exportiert. Ausnahme bildeten die Tokaier Sorten, wie Aszu oder Szamorodni, sie gibt es heute noch in der gleichen Qualität, wie wir sie auch in der DDR kaufen konnten. Eine Katastrophe war der Rotwein aus Ungarn, in der DDR konnte man nur den „Egri Bikaver“, den Erlauer Stierblut kaufen. Er war zwar trocken, aber nur als Küchenwein zur Herstellung von O-Suppe (Erklärung später) zu verwenden.

Aus Rumänien bekam die DDR auch nicht die besten Weine geliefert, hier war noch ein „Grüner Veltliner“ das Beste, was man bekam, aber im Wesentlichen auch unter dem Ladentisch. Viele Leute bevorzugten „Cotnari“, „Muskat Otonel“, „Murfatlar“, alles liebliche, teilweise Dessertweine. Wir nannten diese Weine auf dem Tanzboden „Büchsenöffner“. Der einzige wirklich gute Rotwein war ein „Pinot noir“.

Ähnlich war das mit den bulgarischen Weinen, es war ein Riesenunterschied, ob man ihn im Land oder in der DDR getrunken hat. Beispielsweise habe ich in Melnik einmal einen wunderbaren Rotwein getrunken. Die Sorte „Gamza“ war auch nur zur Erstellung von O-Suppe geeignet. Sehr gefragt war in der DDR der „Rosenthaler Kadarka“, es gab ihn nur unter dem Ladentisch, und er ist das reinste Zuckerwasser. Meine Schwiegermutter liebt ihn heute noch, und man kann ihn heute in jedem Supermarkt kaufen.

Bei bulgarischen Weißweinen kann ich mich noch an den „Misket“, einen trinkbaren aber auch halbtrockenen Wein, und an „Dimiat“ erinnern. Letzteren konnte man nur als Bowlenwein verwenden.
Weine wie Cardonnay, die es in Rumänien und Bulgarien durchaus gibt, haben wir hier nie zu Gesicht bekommen.

Manchmal und vor allem in besseren Gaststätten der Preisstufe S konnte man auch Österreichische Weine haben. Diese waren aber auch meistens halbtrocken oder lieblich, ob nun mit Glycol oder nicht, und außerdem kosteten sie meist das Doppelte des sonst üblichen Weinpreisniveaus. Kostete in einem normalen Lokal eine Flasche „Lindenblättriger“ so 10 bis 11 Mark der DDR, kostete der Österreicher 23 bis 24 M.

Bei alledem war nun völlig klar, dass der Weingeschmack der DDR-Bevölkerung ziemlich verbogen und in keinster Weise in einer gewissen Vielfalt entwickelt war. Woher auch? Ich habe mit Helmuths Hilfe und dank einer ganzen Reihe von wirklich guten Weinverkostungen bei Winkels-Herding und bei Kunz und Scheu in Schweigen erst langsam gelernt, Weine zu schmecken und zu genießen. Dabei bin ich bei trockenen Weinen gelandet, was sich später bei meiner Diabetes 2 als wahren Glücksumstand erweisen sollte. Bei Monika hat der Wechsel zu trockenen Weinen nicht geklappt, auch wenn wir uns die größte Mühe gegeben hatten. Das hat nun zur Folge, dass Sonntagmittag zwei Sorten Weißwein auf dem Tisch stehen müssen, und dass der Platz im Kühlschrank langsam knapp wird.

Nun will ich erklären, was O-Suppe ist. Es handelt sich um Ochsenschwanzsuppe, die ja mit einem Schuss Rotwein abzuschmecken ist. Und damit sind wir auch bei der in DDR-Gaststätten üblichen Küche. Das Spektrum der Vorsuppen erstreckte sich über klare Brühe mit Einlage (drei Erbsen), Gulaschsuppe, besagte O-Suppe und Soljanka. Etwas anderes war auch in den Gaststätten der Preisstufe S kaum auf der Karte zu finden. Im Übrigen wird heute die Soljanka in etwas widerlicher Weise derart herabqualifiziert, als ob es eine DDR Erfindung wäre und die Russen, woher sie kommt, diese gar nicht kennen würden. Es gibt besonders in der Ukraine tatsächlich Soljanka und zudem auch noch eine leckere Fischsoljanka. Eine richtige Soljanka wird allerdings mit Schinken gekocht. Der Schriftsteller Herr Biskupeck kennt nur die mit Wurstresten. Das ist die Bildung derer, die über die Leute in der DDR Bücher mit herabwürdigenden Urteilen schreiben! („Was heißt eigentlich DDR?“)

Wesentlich armseliger war es um das Salatangebot bestellt, erst in den letzten Jahren der DDR gab es in guten Gaststätten auch ein Salatbüffet. Aber in der normalen Gaststätte in Stadt oder Land dominierte der Krautsalat, mal rot, mal weiß, mal geraspelt, mal geschnittenen, garantiert geschmacklose Krautstreifen in den Farben rot und grün. Es gab außerdem noch Tomatensalat, wenn man einen Salat mit Schafskäse, heute meist Bauernsalat genannt, haben wollte, musste man schon nach Bulgarien fahren und Schopsalat verlangen.

Bei den Hauptgerichten hatte sich eine gewisse Eintönigkeit breit gemacht, Krönung war, was es dann auch zu Betriebsfesten öfters gab „Steak a four“. „Steak a four“ (Schweinesteak mit feinem Würzfleisch und Käse überbacken) durfte in keiner Speisekarte fehlen, auch ich esse es ab und zu einmal ganz gerne. Zigeunersteak, das war gewöhnlich ein Schweinesteak mit einem Schwap Letscho, gab es nur in einigen Gaststätten und nur selten, da das Letscho (Import aus Ungarn) ein ganz rarer Artikel war. Was auf keiner Speisekarte zu finden war, waren Gerichte mit Kalbfleisch.

In der DDR waren alle Kälber durch Partei und Regierung verpflichtet worden, sich zu Rindern zu entwickeln.

Bei Gemüse war der Standard auf Rotkraut, Weißkraut, Möhren und Erbsen, eventuell auch einmal Rosenkohl festgelegt. Zucchini und Chicoree haben wir im Garten selbst angebaut, in den Gaststätten gab es das nicht.

Die DDR-Küche litt an einer gewissen Inzucht und Einseitigkeit. Auch wenn es in den Städten einige Nationalitätengaststätten gab, meistens boten sie das gleiche Programm, wenn man Glück hatte durch zwei Nationalgerichte ergänzt. So gab es in Leipzig das „Kiew“ oder das „Plovdiv“. Wer aber nun denkt, dass er im Plovdiv Schopsalat bekam, irrt. Die Herstellung dieses Salates war an die Lieferung von Gurken, Tomaten und Schafskäse gebunden, und eine der Zutaten fehlte in unserer Mangelwirtschaft immer. Gut war in Leipzig die Gaststätte „Pilsner Urquell“. Dort gab es meistens während der Messen im Frühjahr und Herbst richtiges Pilsner Bier, Prager Schinken und Prager Würstchen und natürlich echte böhmische Knödel.

Trotz der Nationalitätengaststätten, alles HO oder Konsum, fehlte uns die bunte Vielfalt, die wir später kennenlernen sollten. Es fehlte der Grieche oder der Italiener ein paar Straßen weiter. Es fehlte der Chinese, auch wenn ich chinesisch essen nicht mag. Heute findet man in Leipzig Inder, Thailänder und auch Jugoslawen und Mexikaner. Einige Jahre nach der Wende hatte mein Gartenkneiper in Erinnerung an das Speisenangebot zu DDR-Zeiten „Tage der Honeckerschen Küche“ veranstaltet. Da gab es Steak a four, Krautsalat und Soljanka. Es wurde ein voller Erfolg.

Nun muss ich aber zur Ehrenrettung der „DDR-Küche“ doch einiges sagen. Wenn wir in der Pfalz bei Helmuth und seiner Frau Usch waren, und das passierte bis 1999 so an die zweimal im Jahr, dann stellte ich dort auch eine ziemliche Einseitigkeit fest. In den Gaststätten in der Pfalz in den Weindörfern gab es Bratwurst oder Leberknödel oder Saumagen, auch kombiniert als Winzerteller, neben Schnitzel oder Kotelett. Und das gab es dann mit dem Pfälzer Sauerkraut. Die paar Tage, die wir dort waren, schmeckte uns das recht gut, aber auf die Dauer wäre es mir zuviel gewesen. Trotzdem hätte ich im Gegensatz zur DDR auch in der Pfalz zum Griechen oder zum Italiener gehen können, und außerdem kocht Helmuth sehr gut und wir haben bei ihm viel Gutes gegessen.

 



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