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Alma Mater Lipsiensis
Universität Leipzig

Arbeitsgruppe Zeitzeugen
der Seniorenakademie

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Auf dem Dorf nach dem 2. Weltkrieg
Handball, Laienspiel und Chor

Ein Bericht von Ingeburg Faust, Leipzig

Ich gehe weit zurück in das Jahr 1946. In meinem Dorf Wiederitzsch bei Leipzig existierte eine Gemeindesportgruppe mit der Sparte Feldhandball. Der schloss ich mich an und wir spielten gegen Mannschaften der umliegenden Dörfer, z.B. Seehausen, Podelwitz und Lindenthal. Da es noch keine öffentlichen Verkehrsmöglichkeiten gab und wir auch keine Fahrräder besaßen, mussten wir zu den Spielen immer hin und dann zurück laufen. Den dortigen Handballerinnen ging es, wenn sie bei uns spielten, nicht anders. Das war für uns Spielerinnen bei schlechtem Wetter zwar nicht angenehm, aber der Spaß am Handball war viel wichtiger.

Zum Sportverein gehörte auch eine neu gegründete Theatergruppe. Diese stand unter der Leitung des alten Friseurmeisters Berthold Schubert, der, so hörten wir von ihm, in den zwanziger Jahren im Varieté Kristallpalast Leipzigs arbeitete. Dieser Gruppe schloss ich mich ebenfalls an. Herr Schubert gab sich viel Mühe mit uns „Schauspielern“. Eingeübt wurde das Schauspiel „Der Goldbauer“ von Charlotte Birch-Pfeiffer, das im Jahr 1812 spielte. Wichtig waren die Sprechübungen, bei denen wir einen geteilten Korken auf die Zunge legen mussten. So etwas vergisst man nicht.

Natürlich waren auch die Rollen zu lernen. Ich stellte mit Erstaunen fest, dass man durch das ständige Üben auch die Sprechrolle des Partners beherrschte. Das Schauspiel führten wir dann von 1947 – 1950 in den Sälen der Gasthöfe der umliegenden Ortschaften auf. Unsere vielen Utensilien, die wir auf der Bühne benötigten, wurden dann immer mit einem Pferdewagen befördert. Diesen stellten abwechselnd die Bauern Fritzsche, Riedel und Krostitz zur Verfügung.

Auch das Singspiel „Das Winzerliesel“ wurde eingeübt, dort gehörte ich dem Chor an. Für das „Winzerliesel“ hatte sich eine Musikgruppe aus Wiederitzschern gebildet, die ein Instrument beherrschten und auch besaßen. Die benötigten Kostüme nähten wir uns selbst bzw. änderten alte Kleidungsstücke ab. Natürlich wurden wir, so wie es die Rolle verlangte, auch geschminkt. Das machte immer Friseurmeister Schubert selbst.

Aber auch damals hatten wir schon „unsere Presse“. Herr Wettig vom Gemeinderat und der Musiklehrer Rudolf Müller von der hiesigen Grundschule berichteten im Gemeindeblatt und in der Tageszeitung. Sie lobten uns meistens, wenn notwendig, fanden sie auch kritische Worte.

Der Lehrer Müller erwähnte uns ca. 22-jährigen Laienspieler sogar anerkennend mit Namen. Er  kannte uns, wir waren seine ehemaligen Schüler. Gern zitierte ich folgende Stelle aus einem Zeitungsartikel: „Der Beifall des voll besetzten Saales war sehr herzlich, zumal man die Laienspieler in ihrer Alltagsarbeit kennt und dadurch die schauspielerischen Leistungen mehr als bei Berufsschauspielern würdigen konnte.“

Unvergessen ist für mich auch, dass wir „Schauspieler“ einen Souffleur benötigten.Man beherrschte die eigene Sprechrolle, aber durch Lampenfieber, Aufregung und Konzentrationsschwächen geschieht es, dass plötzlich das auszusprechende Wort weg ist. Da kommt von unten das betreffende Wort und der Redefluss ist wieder da.

Ab 1952 wurde Feldhandball in Hallenhandball umgewandelt. Unser Interesse daran war nicht groß, deshalb hörten wir mit Handball ganz auf. Zu dieser Zeit löste sich auch die Theatergruppe auf, weil wir russische Gegenwartsstücke spielen sollten. Unser alter Friseurmeister Schubert meinte, dem aber nicht gewachsen zu sein.

Heute denken wir nun alt gewordenen Wiederitzscher öfter an die schwere Nachkriegszeit und unser damaliges gemeinsames Theaterspielen zurück. Wenn wir in der Laienspielgruppe zusammen waren, vergaßen wir die Probleme des Alltags und hatten immer sehr viel Spaß.



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