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Anforderungen an die  Öffentlichkeitsarbeit in einem DDR–Kombinat

Ein Bericht von Heinz Mittank, Leipzig

 

In der DDR war ich beruflich im Leipziger „RFT-VEB Kombinat Nachrichtenelektronik“ tätig. Dieses Großunternehmen war vergleichbar mit einem Industriekonzern. In ihm waren ca. 36.000 Wissenschaftler, Ingenieure und Facharbeiter in 18 Betrieben, mit unterschiedlichen Standorten in der DDR, tätig.

Unser Produktionsprofil

Das Produktionsvolumen betrug 3.2 Mrd. Mark. In der Forschung und Entwicklung sowie in der Produktionsüberleitung waren ca. 4.500 Mitarbeiter tätig. Diese gehörten zum Zentrum für Forschung und Technologie. Für die Aufgaben von Wissenschaft und Technik wurden jährlich 230 Mio. Mark eingesetzt.

Das Kombinat produzierte und vertrieb ein umfangreiches Sortiment nachrichtentechnischer  Erzeugnisse bzw. Anlagen der Vermittlungstechnik, Funktechnik, elektronischen Messtechnik, Fernsprechendgeräte, angewandte Fernsehtechnik, elektronische Medizintechnik und der Elektroakustik. Unser Unternehmen verfügte über erfahrene und gut ausgebildete Fachkräfte.

Auf dem Gebiet der Nachrichtentechnik war unser Kombinat eins der führenden Unternehmen der sozialistischen Länder im RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) und neben der Sowjetunion Hauptproduzent und Hauptanbieter auf diesem Gebiet.

Unser Industriezweig exportierte etwa 60% seiner Erzeugnisse. Die meisten gingen in die RGW–Länder, da diese für uns große Bedeutung hatten. Hauptabnehmer war dort die Sowjetunion. Daneben verfügten wir z.B. auch über beachtliche Marktanteile in Griechenland, Kuba, Vietnam, Mexiko, Ägypten und Nikaragua.

Zu den Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit

Im Kombinat war ich verantwortlich für die absatz- und exportfördernde Öffentlichkeitsarbeit. Mein Arbeitsgebiet umfasste die Organisation, Durchführung und Kontrolle der Öffentlichkeitsarbeit, vorrangig im Ausland. Dabei arbeitete ich eng mit der Abteilung Werbung und Messen des Kombinates zusammen. Unter Öffentlichkeitsarbeit verstanden wir die Beeinflussung und Überzeugung von Menschen durch Kommunikation. Die Öffentlichkeitsarbeit beinhaltete deshalb alle Aktivitäten die darauf gerichtet waren, Vertrauen zu den Leistungen unseres Kombinates zu schaffen und es überzeugend als leistungsfähiges, modernes Unternehmen im In- und Ausland darzustellen.

Zu den wichtigsten der vielfältigen Aktivitäten gehörten die Pressekonferenzen zu den Messen in Leipzig und im Ausland. Was dabei u.a. zu beachten war, dafür ein Beispiel: Veranstalteten wir eine internationale Pressekonferenz wussten wir ziemlich gut wonach die Pressevertreter auf der fachlichen Ebene fragen würden und das plötzlich aktuelle Tagesfragen gestellt wurden, die nicht zur Thematik gehörten. Um zum Schluss immer die Kurve zu bekommen, stellte ein uns verbundener Journalist die abschließende Frage, bei deren Antwort immer ein optimistischer Blick in die Zukunft möglich war. 

Außer Pressekonferenzen organisierte ich auch Symposien und Fachvorträge sowie die Veröffentlichung von Fachartikeln, die Herausgabe von Werbedruckschriften und dgl. mehr. Dabei konzentrierten sich die Aktivitäten, in Zusammenarbeit mit dem Außenhandelsbetrieb Elektrotechnik Export/Import, auf das Auslandsgeschäft.

In den Unternehmen der westlichen Länder wurde das, was wir Öffentlichkeitsarbeit (ÖA) nannten, als „Public Relations (PR)“ bezeichnet. Durch meine langjährigen Erfahrungen und den Erfahrungsaustausch mit Pressevertretern westlicher Unternehmen, wusste ich aber wie dort „PR“ funktioniert. Deshalb war mir bekannt, dass es kaum Unterschiede zwischen „ÖA“ und „PR“ gibt. In der DDR wurde, in Abgrenzung zum kapitalistischen Ausland, aber einheitlich der Begriff Öffentlichkeitsarbeit verwendet.

Vorgaben für die Öffentlichkeitsarbeit

Die Ziele, Aufgaben und Grenzen für die Öffentlichkeitsarbeit wurden durch Beschlüsse und Verordnungen des Ministerrates und die daraus abgeleiteten Weisungen in der Presseordnung des Kombinates, bestimmt.

Darin waren auch Festlegungen zum Geheimnisschutz enthalten, die aus heutiger Sicht vielleicht übertrieben waren. Sie entsprachen aber dem damaligen Sicherheitsdenken. Ich habe sie deshalb auch nicht als Zwang oder Behinderungen empfunden, sondern als notwendig betrachtet. Die Pressevertreter und PR-Leute in westlichen Unternehmen waren zwar im Vorteil, da sie einen bestimmten Spielraum hatten, aber auch sie mussten sich an die Erfordernisse halten, die sich aus den Konkurrenzsituationen des Marktes ergaben.

Plan der Öffentlichkeitsarbeit

Auf der Grundlage der vorgegebenen staatlichen Regelungen und der Presseordnung des Kombinates erarbeitete ich jährlich einen Plan für die absatz- und exportfördernde Öffentlichkeitsarbeit. Dieser basierte auf der Grundlage der Exportaufgaben des Kombinates und enthielt die notwendigen Aktivitäten zur Förderung des Absatzes und des Exports in das Ausland. Er entstand in Zusammenarbeit mit allen Bereichen des Kombinates, den Kombinatsbetrieben und dem Außenhandelsbetrieb Elektrotechnik Export/Import.

Das Ziel des Plans war, das Kombinat als modernes und leistungsfähiges Unternehmen darzustellen und zum Kaufen unserer Erzeugnisse anzuregen. Dabei wurden der Inhalt und die Ziele der Öffentlichkeitsarbeit für das In- und Ausland unterschiedlich dargestellt.

Der Planentwurf wurde in der Regel von den einzelnen Bereichen unseres Kombinats befürwortet. Natürlich gab es auch Grenzen. Alle Informationen mussten vorher genehmigt und auf die Einhaltung von Dienstgeheimnissen überprüft werden. Das führte teilweise zu langwierigen Genehmigungsprozessen, die der zentralistischen Entscheidungsstruktur geschuldet waren.

Produktionszahlen, Investitionsvorhaben oder Forschungs- und Entwicklungsvorhaben durften natürlich nicht veröffentlicht werden. Das war bei westlichen Unternehmen aber auch nicht anders.

Während einer Auslandsmesse testete ich auf dem Messestand eines westdeutschen Konzerns, wie weit man bereit war mir über bestimmte noch nicht abgeschlossene Neuentwicklungen Auskunft zu geben. Dabei stellte ich fest, dass man sehr geschickt an der Oberfläche blieb. Man sagte – genau wie wir das machten – nur das, was für den Konzern von Vorteil ist.

Unerwünscht waren bei uns auch Interviews mit Mitarbeitern des Kombinates, wenn sie nicht vorher genehmigt, d.h. unter Einhaltung bestehender Direktiven, vorbereitet waren.

Im Rahmen der staatlichen Regelungen bestanden aber vielfältige Möglichkeiten einer aktiven und zielgerichteten Öffentlichkeitsarbeit, die ich auf Messen, Ausstellungen, Symposien und in Pressegesprächen mit PR-Leuten westlicher Unternehmen sowie ausländischen Journalisten, praktizieren konnte. Dadurch sammelte ich auch viele Erfahrungen und spezielle Kenntnisse, die für die praktische Arbeit unseres Kombinats nützlich waren.

Meine Erkenntnis daraus war, das sich die Öffentlichkeitsarbeit der DDR im Ausland kaum oder nur wenig von dem entfernte was die „PR“ bewirken sollte, nämlich durch Informationen Vertrauen zu schaffen, das öffentliche Ansehen des Unternehmens zu stärken und den Absatz zu fördern.

Besonderheiten bei der Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der DDR

Unter den Bedingungen der Planwirtschaft gab es Unterschiede zwischen der Öffentlichkeitsarbeit innerhalb der DDR und den Aktivitäten im Ausland.

In der DDR konnten wir z.B. nur bedingt über Produkte berichten, die nicht im erforderlichen Umfang für die Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung gestellt wurden. Als Beispiel sei die Versorgung der Bevölkerung und der Volkswirtschaft mit Fernsprechanschlüssen genannt.

Die Hauptanschlussdichte der Fernsprechanschlüsse war völlig unzureichend. Sie betrug 1989 je 100 Einwohner 10,2 und in der BRD 45,1. Das bedeutete, dass in der DDR nur etwa jede 7. Wohnung über einen Fernsprechanschluss verfügte. Der Hauptgrund dafür waren aber nicht fehlende Fernsprechgeräte. Das große Problem war das überalterte Fernsprechnetz, das kaum Erweiterungen zuließ. Letzteres führte u.a. auch dazu, dass man, bedingt durch Überlagerungen in den Leitungen, bei Telefonaten von Zeit zu Zeit noch fremde Personen als Gesprächspartner in der Leitung hatte.

Der Widerspruch zwischen der grundsätzlichen Leistungsfähigkeit der Industrie und dem Stand der fernmeldetechnischen Versorgung in der DDR ist nur zu verstehen, wenn man auch die Bedingungen der zentralistisch geleiteten Wirtschaft in der DDR berücksichtigt. Das bedeutete in der Praxis der Nachrichtentechnik, dass neben den für den Export vorgegebenen Planzielen, noch planmäßig aber auch unplanmäßig Sonderprogramme für Regierung, Ministerien, Sicherheitsorgane und dgl. Einrichtungen zu realisieren waren. Diese hatten immer Vorrang.

Sie verhinderten jedoch den gewünschten Ausbau des Netzes der Deutschen Post. Die Bevölkerung der DDR reagierte auf diese Situation mit zunehmend heftiger werdender Kritik.

In der DDR waren deshalb Veröffentlichungen über die Leistungsfähigkeit unseres Kombinates und das Vorstellen von Produkten generell nicht möglich, weil damit Bedürfnisse bei der Bevölkerung geweckt worden wären, die nicht zu erfüllen waren. Hier gab es für unsere Öffentlichkeitsarbeit Grenzen, die man nicht überschreiten durfte.

 




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