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Der wachsende Einfluss des NS-Studentenbundes

Nachdem der "Allgemeine Studentenausschuss" (AStA) - 1904 an der Leipziger Universität gegründet - sein soziales Engagement bei der Versorgung der Studierenden in den schweren Kriegs- und Nachkriegszeiten relativ unpolitisch ausgeführt hatte, nahmen die politischen Auseinandersetzungen in der Folgezeit in der studentischen Vertretung zu.
Die allgemeinen Probleme dieser Zeit, insbesondere die Ablehnung der Sanktionen des Versailler Friedensvertrages und die Instabilität der Weimarer Republik, beeinflussten auch das Gedankengut der Studenten. Die weitgehend noch von der Monarchie geprägte Studentenschaft zog sich in den nationalen Schmollwinkel zurück und hatte wenig Sympathie für die republikanische Staatsform. So hatte es die nationalsozialistische Propaganda, die 1923 ihren Marsch auf die Hirne der Menschen begann, relativ leicht, in der Studentenschaft Einfluss zu gewinnen. Zumal auch ein Teil der Lehrkräfte diese Entwicklung begünstigte, u.a. der Historiker Erich Brandenburg oder der Soziologe Hans Freyer. Die damalige Stimmungslage bringt der Leipziger Historiker Walter Goetz, Reichstagsabgeordneter der Linksliberalen und Mitautor der Weimarer Verfassung, im Rückblick wie folgt zum Ausdruck:
"Es war eine vollkommen vergebliche Sache, an der Universität gegen den Nationalsozialismus aufzutreten, denn ein erheblicher Teil der Dozentenschaft neigte den Ideen dieser Rechtspartei zu oder hatte keine Lust, sich gegenüber der sichtbar aufsteigenden neuen Macht die Finger zu verbrennen." 1
Natürlich ging der Prozess des steigenden Einflusses des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) schrittweise vonstatten. Die AstA-Wahlen im Februar 1928 widerspiegeln die politischen Haltungen in der Studentenschaft zu diesem Zeitpunkt wie folgt 2:

    Wahlergebnis:
    1. Liste der sozialistischen Studenten            231 Stimmen
    2. Einheitsliste                                           1.509 Stimmen
    3. Liste der kommunistischen Studenten         34 Stimmen
    4. Liste des Hochschulrings deutscher Art    475 Stimmen
    5. Liste des NSDStB                                    165 Stimmen

Hieraus ist ersichtlich, dass der NSDStB mit rund 7% noch eine relativ niedrige Zustimmung hatte. Das änderte sich spürbar Anfang der 30er Jahre, als eine von den Nationalsozialisten geschürte nationalistische Begeisterung und allgemeine Aufbruchstimmung auch einen großen Teil der Studenten erfasste. Der NS-Studentenbund erhielt einen regen Zustrom, auf bis zu 30 % der Studenten an der Leipziger Universität stieg in den ersten Jahren der NS-Diktatur die Mitgliedschaft in dieser Vereinigung an. Der Allgemeine Studentenausschuss wurde durch völkisch eingestellte Studierende und vor allem durch rechtskonservative Korpsstudenten mit der nationalsozialistischen Ideologie durchsetzt. Der Widerstand der linksorientierten Studenten war wegen ihrer geringen Anhängerschaft nahezu wirkungslos. Die Aktionen gegen anders denkende Studierende und Dozenten nahmen zu. Vorlesungen, die der nationalsozialistischen Ideologie widersprachen, wurden boykottiert oder solange durch Tumulte gestört, bis sie abgesetzt werden mussten; so geschehen u.a. mit der Vorlesung "Sozialismus-Kommunismus-Anarchismus" von Gerhard Kessler durch Rektor Hans Archelis und eine Mehrheit des Senates.
Schrittweise wuchs auch der Einfluss des NS-Studentenbundes in den Führungsgremien des AStA an der Leipziger Universität. Schon im Wintersemester 1930/31 hatte der NSDStB in der Kammer des Allgemeinen Studentenausschusses die absolute Mehrheit erreicht. Er konnte somit den Vorstand des AStA kontrollieren und nach und nach in der studentische Selbstverwaltung das "Führerprinzip" einführen. So wurde der Weg für die politischen "Säuberungen" bereitet, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten an der Universität um sich griffen. Die durch den NS-Studentenbund ideologisch ausgerichtete und fanatisierte Studentenschaft hatte einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung.

Quellen
Krause, K : Alma mater Lipsiensis, Geschichte der Universität Leipzig von 1409 bis zur Gegenwart, Leipzig 2003, Seiten 251 - 253
Arndt, H.: Die Universität von 1917 bis 1933 - Novemberrevoöution und Weimarer Repüblik  in Rathmann, L. (Hrsg.):
Alma mater Lipsiensis. Geschichte der Karl-Marx-Universität, Leipzig 1984, Seiten 257 - 260

Fußnoten

1 Goetz, W.: Historiker in meiner Zeit, Köln/Graz 1957, S. 29
2 Krause, K : Alma mater Lipsiensis, Geschichte der Universität Leipzig von 1409 bis zur Gegenwart, Leipzig 2003, Seite 252