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Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten

Der totale Wandel in allen Bereichen der Gesellschaft nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte auch für die Universitäten spürbare Auswirkungen. Die zur Gleichschaltung der Bildungseinrichtungen mit dem nationalsozialistischen Staat und dessen Ideologien erfolgten Eingriffe in die akademische Selbstverwaltung veränderten Bedingungen und Inhalte von Lehre und Forschung an den Universitäten entscheidend. Es begann der dunkelste Abschnitt in der Geschichte der Universität.

Dieser Prozess verlief an der Universität Leipzig nahezu widerstandslos und größtenteils auch von innen heraus. Er wurde von einer Vielzahl von Studenten und einem zunehmenden Anteil der Lehrkräfte unterstützt. Der Einfluss der Nationalsozialisten an der Universität wuchs rasch, ohne dass anfangs tief greifende Veränderungen in den Strukturen und den personellen Besetzungen erfolgt sind. Es zeigt, dass der aus den Wirren der letzten Jahre der Weimarer Republik hervorgerufenen Drang nach einem neuen "Aufbruch" sowie die Bereitschaft, sich den neuen Machthabern zur "Verfügung" zu stellen, an der hohen Bildungseinrichtung weit verbreitet war. Die stattgefundenen Verweigerungen einzelner Professoren und Studenten konnten die Entwicklung nicht aufhalten und endeten meist mit persönlichen Repressalien.

Eine führende Rolle bei dieser Entwicklung spielten der "Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund" (NSDStB) sowie der "Nationalsozialistische Lehrerbund" (NSLB). Letzterer hatte bereits im Mai 1933 in Leipzig eine "akademische Woche" abgehalten, in welcher der Lehrkörper auf das künftige politische Klima in der Pädagogik eingestimmt wurde. Am 11. November 1933, dem Vorabend der erneuten Reichstagswahl, veranstaltete der NSLB des Gaues Sachsen in der Alberthalle in Leipzig eine Kundgebung, die zu einem Treuebekenntnis der deutschen Wissenschaft zu Hitler aufgezogen worden war. Neben Professoren anderer deutscher Universitäten brachte auch der Rektor der Leipziger Bildungseinrichtung, Prof. Artur Golf, in einer Ansprache die Unterstützung des NS-Regims zum Ausdruck. Später veröffentlichte der NSLB eine Schrift unter den Titel "Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat", der eine Auflistung zustimmender Hochschullehrer beigefügt war. Sie enthielt über 200 Namen von Vertretern Leipziger Hochschulen.
Der NS-Studentenbund hatte seit dem WS 1931/32 die Vorherrschaft in der Kammer des AStA und somit großen Einfluss auf die Studentenschaft. Die Schulungskurse des NSDStB zur nationalsozialistischen Erziehung wurden schließlich im August 1933 in die Organisationsstruktur der Universität eingegliedert und damit wesentlicher Bestandteil der politischen Bildung. So war erreicht worden, dass an der Universität eine teilweise fanatisierte Studentenschaft den Einzug der neuen Machtverhältnisse an der Universität vorantrieb.

Unter diesen Bedingungen wurden auch die Forderungen des "Nationalen Ausschusses für Erneuerung der Universität Leipzig", gegründet von der Fachschaft der NSDAP, umgesetzt. Die "Wünsche" waren in einem Schreiben vom 30.3.33 an den Rektor gegangen (s. Abbildung 1).


 
Nach und nach wuchs auch die konkrete Einflussnahme des neuen Staatsapparates. Mit der absoluten Unterstellung der Hochschulen unter die Landesministerien, ab 1934 unter das "Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung", sicherten sich die Nationalsozialisten den direkten Zugriff auf die Universitäten und beendeten die bisherige akademische Selbstverwaltung.
Mit dem am 7. April 1933 erschienenen "Reichsgesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" wurde die Grundlage für die Säuberung der Hochschulen von Juden, Nichtariern und politisch unzuverlässigen Personen geschaffen. In Leipzig wurden von 1933 - 35 insgesamt 68 Angehörige der Universität diskriminiert und entlassen.
Das "Gesetz gegen Überfüllung deutscher Hochschulen" vom 27. April 1933 regelte die Auswahl bei den Studenten, indem zu den Zulassungsvoraussetzung für das Studium neben der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit auch die nationale Zuverlässigkeit zählte.
Die Anweisung des "Sächsischen Ministeriums für Volksbildung" vom 5. September 1933 an den Rektor und die Dekane der Fakultäten forderte die Einstellung des gesamten Lehr- und Wissenschaftsbetriebes auf den neuen Staat. Darin waren u.a. die Forderung nach dem Aufbau einer "Deutschen Physik", einer "Deutschen Biologie" usw. enthalten.
Nachdem noch im Oktober 1933 der Rektor traditionell vom Senat gewählt wurde, erfolgte anschließend auch an der Leipziger Universität die Durchsetzung des "Führerprinzips" und damit die totale Beeinflussung durch den nationalsozialistischen Staat.

1 Ratmann, L. (Hrsg.), Alma mater Lipsiensis, Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, Leipzig 1984, Seite 263