Undine Jung
Katharina Kippenberg
Katharina Kippenberg1 |
Catharina (nach ihrer Heirat schrieb sie sie ihren Vornamen "Katharina") Theodora Olga Kippenberg, geb. von Düring, wurde am 1. Juni 1876 als fünftes Kind des reichen Hamburger Kaufmanns Hermann Hartwig von Düring und seiner Frau Anna M. H. geb. Neubourg in Hamburg geboren. Ihr Elternhaus beschrieb sie liebevoll in einem Erinnerungsbuch als "Boden und Folie all unserer Schicksale"." Es gibt kein Zimmer darin, das nicht von gelebtem Leben strotzt. Oben in der Schlafstube über dem Balkon und den Glyzinien haben sechs Schwestern mit - und nacheinander geschlafen, in ihrem Bett sich abends die Erlebnisse erzählt und vor dem Spiegel sich für den Ball geschmückt." 2
Ihre Kindheit - von ihr als glücklich bezeichnet - war aber auch von " bitteren Schmerzen im kindlichen Gemüt, viel Unreife, Verwirrung und viel Missverstehen" 3 überschattet. Sie fühlte sich in der großen Familie nicht ausreichend beachtet, wie sie sich gegenüber Ernst Hardt 4 geäußert hat.
Ihren Vater beschrieb sie als einen Menschen mit hohen Ansprüchen, der Tugenden wie Tüchtigkeit, Edelmut, Hilfsbereitschaft und Pflichtbewusstsein hoch schätzte. Die Mutter war, nach ihrer Einschätzung, die engste Mitarbeiterin ihres Vaters. Ihr oblag neben der Haushaltsführung und der Kindererziehung das Schreiben von Geschäftsbriefen nach Diktat. Als der Vater 1893 nach schwerer Krankheit verstarb, hinterließ er der Familie ein beträchtliches Vermögen, das den Töchtern eine standesgemäße Heirat ermöglichte, denn Berufstätigkeit galt für Töchter aus gutem Haus als Unglück. Nach dem Tod des Vaters und des Bruders mit 36 Jahren und der Verheiratung der älteren Schwester entstand in ihr der Wunsch nach Vertiefung ihrer Bildung und einer sinnvollen Beschäftigung. Sie suchte Zugang zur Universität - für eine Frau in der damaligen Zeit etwas Ungewöhnliches. Sie ging 1903 nach Leipzig, da die dortige Universität einen ausgezeichneten Ruf besaß und ab 1906 ein reguläres Studium für Frauen möglich werden sollte. Sie schrieb sich in das Sommersemester 1903/04 bis zum Wintersemester 1904/05 als Gasthörerin ein. Außer für Philosophie interessierte sie sich für Literatur und Geschichte. Catharina wohnte während ihres Studiums in der Leipziger Südvorstadt in dem Pensionat Müller in den "Hermannschen Villen".
Ihren späteren Ehemann Anton Kippenberg lernte sie im Juni 1905 in einem Zug kennen, in dem Kippenberg mit Freunden zur Mitgliederversammlung der Goethe-Gesellschaft nach Weimar fuhr. Witkowski, der mit Kippenberg reiste, lud Katharina und ihre, im Hause Witkowski verkehrende, Freundin Fräulein Mitscherlich ein, an dieser Veranstaltung unter ihrem Geleit teilzunehmen. Die Damen nahmen die Einladung an, obwohl sie anderes vorhatten - was Kippenberg später als eine "Fügung" ansah. Beim anschließenden Festmahl war er ihr Tischnachbar.
Im September desselben Jahres wurde die Verlobung zwischen dem vielversprechenden Anton Kippenberg und Catharina bekanntgegeben. Im Dezember 1905 fand ihre Vermählung statt. Sie bezogen eine Wohnung in Gohlis, und ein Jahr später wurde die Tochter Jutta geboren. Vier Jahre später folgte die Tochter Bettina. Ihrem Mann A. Kippenberg gelang es nach einer außerordentlich schwierigen Aufbauphase, den Insel-Verlag schon vor dem 1. Weltkrieg zu einem der führenden deutschen Verlage zu machen. Er strebte für den Insel-Verlag ein Programm ganz im" Goethischen Sinne" an - der junge Goethe stand in der Anfangszeit im Mittelpunkt des Verlages.
"Kippenbergs Leistungen sind für die Nachwelt nachvollziehbar: Es waren die sorgfältig editierten Klassikerausgaben, die Pflege bedeutender zeitgenössischer Autoren, die illustrierten Bücher, die bibliophilen Ausgaben und kostbaren Faksimiles, die dem Verlag zu seiner exponierten Stellung verhalfen. Dazu kam das schöne, gediegene und preiswerte Gebrauchsbuch. Nicht wenige Zeitgenossen haben in der "Insel-Bücherei" die erste geistige Orientierung gesucht. Für viele junge Menschen boten die wohlfeilen Bändchen, neben Reclam, eine Möglichkeit, sich eine Bibliothek aufzubauen, teilzuhaben am besten, was National- und Weltliteratur zu bieten hatten und schöne Bücher zu sammeln." 5
Katharina unterstütze seine Arbeit von Beginn ihrer Ehe an tatkräftig als Lektorin. Dabei oblag ihr die Beurteilung der zeitgenössischen Literatur. Sie pflegte mit zahlreichen zeitgenössischen Autoren/Innen langjährige, gute Kontakte, wobei zu Rainer Maria Rilke neben der beruflichen eine persönliche Beziehung bestand. Sie war es auch, die sich der Gewinnung neuer Autoren verschrieb und in angeregtem brieflichem Kontakt mit ihnen stand.
"Reinhard Buchwald, engster Mitarbeiter der Kippenbergs in den Jahren 1906 bis 1913, gab eine Charakteristik des recht gegensätzlichen Verlegerpaares. Sie sei "die stille, von Natur und Erziehung zurückhaltende und beherrschte, geistig in sich ruhende Frau" gewesen, er "der aktive, vitale zwiespältige Mann". "Trotzdem bin ich überzeugt, dass da ein Lebensbund gelungen war, nicht aus der Leidenschaft heraus, die dem Manne gemäß gewesen wäre. Und nicht in der sorgsamen Pflege der geistigen Welt, die sie ersehnte und liebte. Dafür wusste jedes von ihnen, was der andere war und was er an ihm besaß. Jeder empfand das Dasein des anderen als ein Geschenk des Schicksals, das er dankbar und sorglich zu hüten hatte." 6
Menschen, die mit ihr beruflich oder privat Kontakt hatten, schätzten sie als feinfühlige, kluge und mit einem ausgeprägten Kunstverstand ausgestatte Persönlichkeit.
"Ihr Äußeres beschrieb ein junges Mädchen der Leipziger Gesellschaft: "Norddeutsch-kühl Katharina Kippenberg mit blasser durchsichtiger Haut, rötlich-blondem Haarknoten, sehr distinguiert, verschlossen und abwartend. Sie war eine faszinierende Erscheinung und trug für mich den Glorienschein ihrer Freundschaft mit Rilke unsichtbar um sich. Anton Kippenberg wirkte neben ihr derber, dynamischer und geistvoll." 7
1914 fand in Leipzig die BUGRA - eine Weltausstellung des Buches, auf der Verlage und Druckereien ausstellten, statt. Innerhalb derselben gab es eine "Frauen-Bugra". An der Vorbereitung war Katharina Kippenberg mit der Ausrichtung der Abteilung "Buchillustrationen" beteiligt. Sie wandte sich zu diesem Zweck an Verlage des In-und Auslandes und erbat sich Namen und Bücher von Autorinnen. 1404 Bücher wurden von ihr ausgestellt, wobei sie nicht den Anspruch erhob, einen repräsentativen Überblick geboten zu haben.
Mit Ausbruch des 1.Weltkrieges, in den ihr Mann als Freiwiller zog, stand vor Katharina die Aufgabe, den Verlag zu leiten. Hier war diplomatisches Geschick gefragt, da der Großteil der Mitarbeiter Männer waren, von denen auch noch ein Teil eingezogen worden war. Das Verlagsprogramm wurde von ihr notgedrungenermaßen eingeschränkt. Anton Kippenberg behielt sich jedoch in wichtigen Punkten das letzte Wort vor - Entscheidungen, die dann telefonisch getroffen wurden. In komplizierten Fragen suchte sie Rat bei ihm, bevor sie Entscheidungen traf. Ihr verstärktes Hinwenden zu Autoren des Expressionismus fand nicht immer die Zustimmung ihres Mannes. Er gab deshalb auch solche Autoren wie Johannes R. Becher, Leonhard Frank, Andersen-Nexö und Heinrich Mann wieder auf, weil sie nicht in das eher konservative Programm des Verlages passten. Trotz mancher Widrigkeiten und Querelen führte sie den Verlag souverän - 1917 erhielt sie Prokura. Eine Zeit, die ihr körperlich und seelisch mehr abverlangte, als sie zu tragen in der Lage war. Krankheiten und Kuraufenthalte häuften sich.
1918 kehrte ihr Mann aus dem Krieg heim, Katharina nunmehr arbeitsmäßig entlastet, dachte über ein verstärktes Engagement in der Frauenbewegung nach. "In Leipzig wollen sich die Frauen als bürgerliche Partei organisieren....es würde mich... reizen, in dieser Bewegung, die das Schicksal unseres Vaterlandes mit bilden hilft, mitzuarbeiten. Aber wenn, dann ordentlich... aber... ich will meiner h. g. Insel meinen Dichtern und zahleichen Nicht-Dichtern treu bleiben. Zu ihnen fühle ich mich gehörig." 8
In den zwanziger Jahren stellte Anton Kippenberg fest, dass sich die alten Klassiker schlechter verkaufen ließen, dagegen zeitgenössische Literatur gefragt war. So wurden, auf Katharinas Bestreben, zunehmend englische und amerikanische Autoren verlegt, wie z.B. Aldous Huxley oder Virginia Woolf. Ihre Auswahl traf nicht im vollen Umfang die Zustimmung ihres Mannes. 1922 wurde sie Gesellschafterin des Insel-Verlages. Den Anfängen des Nationalsozialismus stand sie anfangs aufgeschlossen gegenüber und hoffte, wie so viele, dass die Bewegung dem durch den Versailler Vertrag gedemütigten Land wieder zu Geltung und Wohlstand verhelfen würde. Jedoch die Ausschreitungen von SA-Männern, die den Verlag betreffenden Reglementierungen sowie die zum Verlassen des Landes gezwungenen Autoren erschütterten ihre anfängliche Euphorie.
Für A. Kippenberg waren es 12 Jahre der Gratwanderung zwischen seiner Maxime - alles vom Verlag fernzuhalten, was politischen Charakter besaß - und nicht von der NSDAP vereinnahmt zu werden.
Auch als Autorin vermochte sie Anerkennung zu erzielen. Ihre bekanntesten Arbeiten gingen aus dem engen und freundschaftlichen Brief- und persönlichen Kontakt mit R .M. Rilke hervor: "Rilke. Ein Beitrag" (1935) und "Rainer Maria Rilkes Duineser Elegien und die Sonette an Orpheus"(1946). Sie verwendete Pseudonyme, wie z. B. K. Berg, K. Moorburg oder Ludwig Fehr.
Katharina und Anton führten in dem "Palazzo Cippy", wie die Villa in Leipzig/Gohlis in der Richterstraße von Freunden und befreundeten Autoren liebevoll genannt wurde, ein großes Haus mit regelmäßigen Leseabenden und Konzerten. Es war ein wichtiger Ort der Begegnung für Autoren, Verleger, Künstler, Prominenz, sowie Freunde des In- und Auslandes.
Das Wirken und Tätigsein als Hausherrin und Mutter, Verlegerin und Autorin über viele Jahre hinweg zehrte enorm an ihren Kräften. Häufige Krankheiten und Depressionen - erstmals berichtete sie Rilke 1910 darüber - waren Folgeerscheinungen.
Während der Bombenangriffe auf Leipzig 1944 lebten die Kippenbergs teils in Weimar, teils bei einer Schwester Katharinas. 1943 wurden das Verlagshaus durch einen Luftangriff zerstört und die Villa stark beschädigt.
Der von Katharina sehnlichst gewünschte Wiederaufbau der Villa kam nicht zustande, denn sie kehrte nicht mehr nach Leipzig zurück.
Gegen Ende des Krieges wurde den Kippenbergs durch die Amerikaner eine Neueröffnung ihres Verlages mit Sitz in Wiesbaden angeboten. Die berühmte Kippenbergsche Goethesammlung hatte den Krieg überstanden und war von den Amerikanern als Geheimtransport im Mai 1945 nach Marburg gebracht worden. Die Kippenbergs folgten der Sammlung. Marburg sollte Katharina in den noch zwei verbleibenden Lebensjahren keine Heimat werden - dazu hing ihr Herz zu sehr an Leipzig und dem Insel-Verlag.
Trotz Krankheiten, tiefer Müdigkeit und zunehmender Schwäche arbeitete sie an ihrem letzten Buch über Rilkes" Duineser Elegien und Sonette über Orpheus". In dieser Zeit erfuhr sie zweifache Ehrung - die Philosophische Fakultät der Universität Leipzig verlieh ihr am 22. Mai 1946 die Doktorwürde ehrenhalber und die Universität Marburg am 1. Juni 1946.
Katharina Kippenberg starb am 7. Juni 1947 in Frankfurt am Main. Beigesetzt wurde sie jedoch in Marburg.
(April 2013)
1 Bildquelle: Leonhard Frank "Links wo das Herz ist", Aufbau-Verlag Berlin und Weimar,
2. Auflage 1972
2 Sabine Knopf, Katharina Kippenberg-"Herrin der Insel",Sax-Verlag 2010, S. 11
3 ebenda
4 Autor beim InselVerlag
5 Sabine Knopf, Katharina Kippenberg-"Herrin der Insel",Sax-Verlag 2010, S. 32/33
6 ebenda, S. 39/40
7 ebenda, S. 40
8 ebenda, S.52/53