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  Ute Tartz


Anne Catharina Schönkopf

 

 

Anne Catharina Schönkopf war eine Wirtstochter aus Leipzig. Wenn sie nicht Johann Wolfgang Goethes berühmte Leipzig-Liebe während seiner Leipziger Studentenzeit gewesen wäre, würde sich wahrscheinlich heute niemand mehr an sie erinnern. Goethe nannte sie "Käthchen" oder auch Annette, und als "Käthchen" ist sie den Leipzigern heute noch bekannt.
Auf dem Naschmarkt vor der Alten Handelsbörse steht Goethe im Studentenhabitus und blickt zur Mädlerpassage, wo sich "Auerbachs Keller" befindet, das berühmteste Gasthaus Leipzigs. Seine Bekanntheit verdankt es vor allem der turbulenten Szene Auerbachs Keller in Leipzig im "Faust". Zwei Plaketten am Sockel des Goethestandbilds erinnern an seine Leipziger Freundinnen Friederike Oeser (links) und Käthchen Schönkopf (rechts), die mehr als eine Freundin war.

 
  Käthchen Schönkopf am Sockel des Goethestandbilds 3

Anne Catharina Schönkopf wurde am 22. August 1746 in Leipzig geboren. Ihr Vater, Christian Gottlieb Schönkopf, war Zinngießer und später Weinhändler. Auf dem Brühl, im Hause Nr. 326 (heute Nr. 19, überbaut mit den "Höfen am Brühl") betrieb er mit seiner Frau Catharina Sibylla ein Weinhaus, in dem sie einen Mittagstisch unterhielten.

Zum Herbstsemester 1765 kam der Patriziersohn Goethe als 16-Jähriger aus Frankfurt am Main nach Leipzig. Nach dem Willen seines Vaters sollte er hier an einer der berühmtesten juristischen Fakultäten Deutschlands Jura studieren, was er bekanntermaßen nicht sehr ernsthaft betrieb. Lange fühlte er sich auch in Leipzig nicht heimisch. Das änderte sich erst, als er 1766 im Wirtshaus von Christian Gottlob Schönkopf am Brühl ein Stück Frankfurter Heimat fand.
Durch seinen Schwager, Johann Georg Schlosser, war Goethe zu Schönkopfs gekommen. 1766 besuchte Schlosser ihn in Leipzig und hatte als Treffpunkt das Gasthaus Schönkopf vereinbart. Während Schlossers Aufenthalt in Leipzig speisten sie hier täglich zusammen.
Goethe fühlte sich im Schönkopfschen Gasthaus aus verschiedenen Gründen wohl. Einer der Gründe war, dass Frau Catharina Sybilla gebürtige Frankfurterin war, wodurch das Gasthaus viel von Frankfurter Kaufleuten besucht wurde. Zeitweise wurde dort vorwiegend Hessisch gesprochen. Hier fand er auch Freunde, z. B. den zehn Jahre älteren Ernst Wolfgang Behrisch 1, der sein Mentor und Vertrauter wurde. Und hier lernte er auch die Tochter Anne Catharina kennen, die in der Wirtschaft mithalf.

Nach Schlossers Abreise behielt Goethe den Mittagstisch bei Schönkopfs bei, vor allem weil er so die Gelegenheit hatte, die Tochter des Hauses zu sehen. In seiner Autobiografie "Dichtung und Wahrheit" schreibt er über sie: "… von der ich nicht mehr zu sagen wüsste, als dass sie jung, hübsch, munter, liebevoll und so angenehm war, was sie wohl verdiente, in dem Schrein des Herzens eine Zeitlang als eine kleine Heilige aufgestellt zu werden, ..."
Sie gefiel Goethe so sehr, dass er sich in sie verliebte.
Er war jeden Tag zu Gast im Hause Schönkopf und wurde bald in den Kreis der Familie aufgenommen, sicher auch deshalb weil er Frankfurter war. Der Gastwirt Schönkopf leitete außerdem eine kleine Theatergruppe, der sich Goethe anschloss. So ergab sich wieder eine Gelegenheit, Anne Catharina zu treffen.

Goethes Freund Johann Adam Horn beschrieb sie so: "wohl gewachsen, obgleich nicht sehr groß", "ein rundes, freundliches, obgleich nicht außerordentlich schönes Gesicht", "eine offne, sanfte, einnehmende Miene", "viel Freimütigkeit ohne Koketterie" und "ein sehr artiger Verstand, ohne die größte Erziehung gehabt zu haben". 4

Anne Catharina war drei Jahre älter als Goethe und bereits verlobt. Goethe umwarb sie trotzdem stürmisch. Einer von ihrer Seite unschuldigen Liebelei war auch sie nicht abgeneigt. Er besang diese Liebe in 19 Gedichten. 1767 wurde "Das Buch Annette" über die damals 19-jährige Anne Catharina veröffentlicht. Gesammelt hatte die Gedichte Behrisch.

Goethe erwies sich als launischer Liebhaber. Seine Unzufriedenheit mit dem Studium und Zweifel an seinem dichterischen Talent ließ er immer öfter an Catharina aus. Eifersüchtig war er außerdem, zu ersehen aus Briefen an Behrisch 2. Zudem waren da die Standesunterschiede - er Sohn des Kaiserlichen Rats Johann Caspar Goethe, sie Gastwirtstochter. Dieser Tatsache, die eine feste Bindung ausschloss, war sich Anne Catharina wohl bewusst.

Nach zwei Jahren wies sie ihn ab. Damit stürzte sie ihn in eine heftige körperliche und nervliche Krise. Briefe an Behrisch geben Auskunft über seinen seelischen Zustand. So schrieb er z. B. im März 1768: "Wir lieben einander mehr als jemals ob wir einander gleich seltner sehen. Ich habe den Sieg über mich erhalten sie nicht zu sehen, und nun dacht ich gewonnen zu haben, aber ich bin elender als vorher, ich fühle daß die Liebe sich selbst in der Abwesenheit erhalten wird. Ich kann leben ohne sie zu sehen, nie, ohne sie zu lieben. Allen Verdruß den wir zusammen haben mache ich. Sie ist ein Engel, und ich binn ein Narr.
Höre Behrisch, ich kann ich will das Mädgen nie verlassen, und doch muss ich fort, doch will ich fort; Aber sie soll nicht unglücklich seyn. Wenn sie meiner wehrt bleibt, wie sie's jetzt ist! Behrisch! Sie soll glücklich seyn. Und doch werd' ich so grausam seyn, und ihr alle Hoffnung benehmen. Das muss ich. Denn wer einem Mädgen Hoffnung macht, der verspricht. Kann sie einen rechtschaffnen Mann kriegen, kann sie ohne mich glücklich leben, wie fröhlich will ich seyn. Ich weiß was ich ihr schuldig binn, meine Hand und mein Vermögen gehört ihr, sie soll alles haben was ich ihr geben kann. Fluch sey auf dem, der sich versorgt eh das Mädgen versorgt ist, das er elend gemacht hat. Sie soll nie die Schmerzen fühlen, mich in den Armen einer andern zu sehen, biß ich die Schmerzen gefühlt habe, sie in den Armen eines andern zusehen, und vielleicht will ich sie auch da mit dieser schröcklichen Empfindung verschonen."

Brief vom 26 Apr. 1768: "Genug sey Dirs, Nette, ich, wir haben uns getrennt, wir sind glücklich. Es war Arbeit, aber nun sitz ich wie Herkules, der alles getahn hat, und betrachte die glorreiche Beute umher. Es war ein schröcklicher Zeitpunckt biß zur Erklärung, aber sie kam die Erklärung und nun - nun kenn ich erst das Leben. Sie ist das beste, liebenswürdigste Mädgen, nun kann ich dir schwören, daß ich nie nie aufhören werde das für sie zu fühlen was das Glück meines Lebens macht, das zu dencken was ich dir neulich geschrieben habe, und das zu wollen. Behrisch, wir leben in dem angenehmsten freundschafftlichsten Umgange, wie du und sie; keine Vertraulichkeit mehr, nicht ein Wort von Liebe mehr, und so vergnügt, so glücklich, Behrisch sie ist ein Engel. Es sind heute zwey Jahre daß ich ihr zum erstenmal sagte, daß ich sie liebte, Zwey Jahre Behrisch und noch. Wir haben mit der Liebe angefangen und hören mit der Freundschafft auf. Doch nicht ich. Ich liebe sie noch, so sehr, Gott so sehr."

Im Juli 1768 zwang ihn ein Blutsturz, das Studium abzubrechen. Er reiste am 28. August 1768 aus Leipzig ab. Am 1. September 1768 kam er ohne Studienabschluss wieder in Frankfurt an. In "Dichtung und Wahrheit" schreibt er: "Jemehr ich mich nun meiner Vaterstadt näherte, destomehr rief ich mir, bedenklicher Weise, zurück, in welchen Zuständen, Aussichten, Hoffnungen ich von Hause weggegangen, und es war ein sehr niederschlagendes Gefühl, daß ich nunmehr gleichsam als ein Schiffbrüchiger zurückkehrte."
Nach seiner Heimkehr folgte eine eineinhalbjährige Genesungszeit in Frankfurt. Erst 1770 konnte er sein Studium in Straßburg fortsetzen.
Mit den "Leiden des jungen Werther" hat sich Goethe von seiner unglücklichen Liebe kuriert. Das Buch erschien 1774. 1776 war er soweit auskuriert, dass er Käthchen noch einmal in Leipzig besuchen konnte. Inzwischen hieß sie Anne Catharina Kanne. Sie hatte im Mai 1770 den Juristen Dr. Christian Carl Kanne geheiratet, der 1769 zum Doktor der Rechte promoviert wurde und dann Karriere in der sächsischen Justiz machte. Zeitweise war er auch stellvertretender Bürgermeister in Leipzig.

 
Detail der Grabplatte Familie Kanne 5  


Den "Werther" hat Goethe nur noch einmal als 75-Jähriger gelesen und erschrak darüber. Er fürchtete, den pathologischen Zustand wieder zu empfinden, aus dem heraus der "Werther" entstand.

Anne Catharina Kanne starb am 20. Mai 1810 in Leipzig. Sie wurde auf dem Alten Johannisfriedhof in einem Gemeinschaftsgrab mit ihrem Mann begraben. Heute existiert noch eine Grabplatte für Christian Carl und Anne Catharina Kanne sowie weitere Angehörige.

 

(Februar 2014)

 

 

 

 

1 http://www.deutsche-biographie.de/sfz3578.html
2 http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Briefe/1767
3 Bildquelle: Otto Künnemann Geheimnisvolles Leipzig, Wartberg Verlag 2003
4 http://www.goethezeitportal.de/wissen/illustrationen/johann-wolfgang-von-goethe/
goethes-freundinnen-in-12-historischen bildnissen.html

5 Bildquelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Anna_Katharina_Schönkopf

 

 

 

 

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