Ute Tartz
Maria Segner
Maria Segner wurde am 3. Februar 1905 in Hamburg als Maria Dora Hagel geboren. Sie wuchs in einem gutbürgerlichen musischen Elternhaus auf. Der Vater war Buchhalter, die Mutter Hausfrau.
1910 zog die Familie nach Süddeutschland. In Alzey besuchte Maria die Zehnklassenschule. Wegen des Umzugs der Familie nach Mannheim setzte sie ihre Schulbildung an der Höheren Töchterschule in Mannheim fort. Als der Vater 1918 starb, geriet die Mutter in eine finanziell schwierige Lage. Es war klar, dass beide Töchter schnell selbständig werden mussten. Da die Mittel knapp waren, war eine musische Ausbildung für Maria nicht möglich, obwohl sie begabt war. Sie ging in Mannheim zur Handelsschule, erlernte Stenografie und Fremdsprachen. Von 1922 bis 1930 arbeitete sie dann als Stenotypistin bzw. Sekretärin bei verschiedenen Versicherungen bzw. Industriefirmen.
Obwohl sie aus einem völlig unpolitischen Elternhaus stammte, erkannte sie während der Weltwirtschaftskrise der 1920er/30er, dass am Zustand der bürgerlichen Gesellschaft vieles kritikwürdig war. Sie trat in die Gewerkschaft ein und las Bücher über die Entwicklung Russlands nach der Oktoberrevolution. Großen Eindruck machte auf sie der Film "Panzerkreuzer Potemkin" von Sergej Eisenstein.
1928 hatte sie den Diplomingenieur Alfred Segner kennengelernt, der bei der IG Farben in Ludwigshafen arbeitete. 1930 heirateten sie. In ihrem Lebenslauf, der sich in ihrer Personalakte befindet, schreibt sie: "Durch Vertrag mit der Handelsvertretung der UdSSR in Berlin wurde mein Mann 1931 zur Arbeit in der chemischen Industrie nach Moskau verpflichtet, wohin wir im Sommer 1931 übersiedelten. Gleich nach Ankunft in Moskau machte ich mich an die Erlernung der russischen Sprache, die ich in Wort und Schrift beherrsche."
Alfred Segner arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Stickstoffinstitut in Moskau.
Maria lernte eine Hamburger Kommunistin kennen, die ihr zu einem Angebot der Internationalen Roten Hilfe verhalf, und zwar als Sekretärin für die Vorsitzende, Clara Zetkin, zu arbeiten.
Clara Zetkin war zu dieser Zeit bereits krank, fast blind und gehbehindert. Maria musste ihr die Zeitungen vorlesen. Trotz ihrer Krankheit diktierte die Zetkin mit wachem Verstand stets aus dem Kopf. Aufsätze wie "Lenins Vermächtnis an die Frauen der Welt" und "Der imperialistische Krieg gegen die Werktätigen - die Werktätigen gegen den imperialistischen Krieg" entstanden in den 10 Monaten ab Oktober 1932, in denen Maria Segner Zetkins Sekretärin war. In der Personalakte schreibt sie über diese Zeit: "Bis zu ihrem Tod im Sommer 1933 wohnte ich mit ihr zusammen in einem Erholungslager des Vollzugs-Komitees der Partei in Archangelskoje bei Moskau."
Als Maria Segner ein Kind erwartete, nahm sie Urlaub. Kurz danach, am 20. Juni 1933, starb Clara Zetkin. Am 26. Februar 1934 kam Maria Segners Sohn, den sie nach Clara Zetkins Sohn Konstantin nannte, zur Welt.
Auf einer Deutschlandreise anlässlich des 60. Geburtstages ihrer Mutter im Herbst 1935 wurde Maria Segner von der Gestapo in "Schutzhaft" im Mannheimer Schlossgefängnis genommen, wahrscheinlich wegen ihrer Arbeit für Clara Zetkin. Erst nach Monaten erreichte ihr Mann über die Botschaft in Moskau ihre Freilassung und Rückkehr nach Moskau. Danach arbeitete sie in der Internationalen Abteilung des Moskauer Rundfunks als Übersetzerin bis zur Schließung der Abteilung. Von 1937 bis 1941 arbeitete sie als Stickerin und Malerin in Ateliers für Malerei und Stickerei in Moskau.
Im November 1937 wurde ihr Mann in der Sowjetunion verhaftet, und sie sah ihn nie wieder. Viele Jahre später wurde er rehabilitiert.
1941 wurde Maria mit ihrem Sohn aus Moskau nach Baschkirien evakuiert. Während der Evakuierung arbeitete sie als Holzfällerin, in einem Sägewerk und bei einer Traktorenbrigade.
Als der Kieg zu Ende war, absolvierte sie ein Fernstudium als Deutschlehrerin am Institut für Fremdsprachen in Moskau. Vom September 1950 bis Juli 1958 war sie Deutschlehrerin in der Volksbildung Baschkiriens.
Im Oktober 1958 kam Maria Segner wieder nach Deutschland und entschied sich für Leipzig.
Am 27. 11. 1958 begann sie am Herder-Institut, dem ältesten und größten Institut für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, als Deutsch-Dozentin zu arbeiten. Die erste Direktorin des Instituts, Prof. Katharina Harig, half ihr dabei, in Leipzig heimisch zu werden.
Am 23. Mai 1964 wurde ein Aufhebungsvertrag im gegenseitigen Einverständnis aus gesundheitlichen Gründen (wegen einer Augenerkrankung) unterzeichnet.
Da sie nicht ganz untätig sein wollte, schickte ihr das Institut noch viele Jahre lang "Einzelschüler", an deren Lebensweg sie regen Anteil nahm.
1984 wurde Maria Segner anlässlich des Internationalen Frauentages mit der Clara-Zetkin-Medaille ausgezeichnet. Sie gehörte mit zu den "Pionieren" des Ausländerstudiums in der DDR.
Am 14. Oktober 1996 starb Maria Segner in Leipzig.
(Februar 2016)