Dr. Asperger
Amalie Winter -
Die Bitte einer armen Witwe erlangt stadthistorische Bedeutsamkeit
Wer aus dem Leipziger Zentrum kommend, am Gewandhaus vorbei den Ring passiert und dann die Goldschmidtstraße durchquert, findet sich in wenigen Minuten in einer grünen Oase, dem "Johannistal", wieder. Gestaltet wird diese durch ungefähr 140 Kleingärten des 1927 gegründeten Kleingärtnervereins "Johannistal 1832" e. V.
Sie erstrecken sich zwischen Stephanstrasse im Westen und Johannisallee im Osten.
Amalie-Winter-Platz |
Namen verschiedener Wege und Winkel in dieser Anlage erinnern an die Jahrhunderte alte Geschichte dieses Stadtgebietes. Dazu gehört auch der "Amalie Winter Platz".
Das Johannistal selbst hat seinen Namen nach dem Johannisspital. Dieses wurde ursprünglich Ende des 13. Jahrhunderts auf dem Areal des heutigen Johannisplatzes durch die dort, vor dem Stadttor, lebenden Leprakranken errichtet. Seinen Namen erhielt das Spital nach der um 1300 angebauten Kapelle, die Johannes dem Täufer, dem Schutzpatron der Aussätzigen, geweiht war. Seit 1391 war das Hospital im Besitz der Stadt und durchlebte bis 1928, dem endgültigen Abriss zugunsten des Grassimuseums, eine wechselvolle Geschichte mit Zerstörung und Wiederaufbau. In allen Zeiten war es ein Zufluchtsort für Kranke, Bedürftige und Arme.
Zu den armen Bürgern Leipzigs war auch die Witwe Amalie Winter zu zählen. Sie wohnte in einer Siedlung am Rande der im Johannistal gelegenen Sandgrube, die dem Johannishospital und somit der Stadt gehörte. Im Frühjahr 1832 wandte sich Frau Winter mit einem Schreiben an den Ratsherrn Dr. Moritz Seeburg, dem Vorsteher des Johannistals, und bat um ein 11 Ellen langes Stückchen Land in der Sandgrube. Dieses sollte von ihr gesäubert und darauf ein Garten angelegt werden, zur Freude nicht nur für sie selbst, sondern auch für die anderen Anwohner der Sandgrube. Der Stadtrat nahm diesen Wunsch auf und verpachtete das erbetene Land an die Witwe für 3 Taler jährlich. So entstand der erste Garten an dieser Stelle. Bald darauf gingen beim Stadtrat weitere Anträge für eine gärtnerische Nutzung von Land in der Sandgrube ein. Dank dieser Aktivitäten, der Aufgeschlossenheit des Stadtrates Seeburg und im zeitgeschichtlichen Kontext mit allgemein aufkommenden Bestrebungen, soziale Not durch die Schaffung von Armengartenanlagen zu lindern, kam am 7. November 1832 im Rat der Stadt Leipzig der Beschluss zustande, die Ratssandgrube des Johannishospitals generell in eine Kleingartenanlage umzugestalten und die Pacht dem Hospital zuzuführen. Die Anlage gilt als die älteste ihrer Art in Sachsen und als zweitälteste auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands.
Heute umfasst die Kleingartenanlage nur noch teilweise das ursprüngliche Gelände, was anliegenden und in das Gelände hineinreichenden Bebauungen, wie den Bauten in der Stephanstrasse, verschiedenen Hospitalgebäuden, der Sternwarte, dem berühmten Physikalischen Institut mit dem Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald u. a. geschuldet ist. In neuerer Zeit waren dies vor allem wieder Universitätsbauten und schließlich die Verwaltungsbauten in der Pragerstraße. Der Umwandlung in einen Volkspark, was ein Plan der Stadt von 1925 vorsah, konnte durch die Gründung des Kleingartenvereins im Jahr 1928, entgegengewirkt werden. Dass die Anlage nach dem 2. Weltkrieg nicht einer Auffüllung durch Trümmerschutt zum Opfer fiel, ist auch nur einer Intervention des Kleingärtnervereins "Johannistal 1832" bei der sowjetischen Militäradministration zu verdanken.
Wenn auch von einstmals 300 Parzellen nur noch 141 übrig geblieben sind, so sind sie nicht nur eine lebendige Erinnerung an viele Jahrhunderte in der Geschichte der Stadt Leipzig sondern auch ein Zeugnis dafür, was bürgerliches Engagement, wenn auch bescheiden in seiner Art, bewirken kann.
(Mai 2011)
Quellen:http://www.leipzig.de/de/buerger/freizeit/leipzig/kleingaerten/johannis/
http://www.kgv-Johannistal.de
Horst Riedel, Stadtlexikon Leipzig von A bis Z, Pro Leipzig 2005
http://de.wikisource.org/wiki/Eine Stätte der Menschenliebe und Bürgerehre