Zur Geschichte der Klinischen Pharmakologie an der Universität Leipzig

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Die Etablierung und Entwicklung der Klinischen Pharmakologie an der Leipziger Universität ist untrennbar verbunden mit der Person des Mediziners, Facharztes für Pharmakologie und Toxikologie und später ersten Ordinarius für Klinische Pharmakologie der Universität, Reinhard LUDEWIG. LUDEWIG wechselte nach der klinischen Ausbildung und Approbation an der Medizinischen Akademie in Dresden und einer kurzen Interimsphase als Industriepharmakologe am Arzneimittelwerk Dresden (vormals Madaus und Co.) 1956 an das von Fritz HAUSCHILD geleitete Pharmakologische Institut.
LUDEWIG suchte seit Anbeginn seiner Tätigkeit als Pharmakologe/Toxikologe den Lückenschluss zwischen den Lehrinhalten der tierexperimentell orientierten Pharmakologie und den therapeutisch klinischen Disziplinen, die vorrangig differentialdiagnostische Inhalte vermittelten, effizient zu schließen. Erstes Angebot in dieser Richtung waren die seit 1957 am Leipziger Pharmakologischen Institut angebotenen, zunächst fakultativen, ab 1966 dann obligatorischen Vorlesungen zur Klinischen Pharmakologie. Die offizielle Anerkennung der Klinischen Pharmakologie als obligates, eigenständiges Lehrfach erfolgte allerdings erst 1969. Die Etablierung einer eigenständigen Abteilung, später eines eigenen Lehrstuhls für Klinische Pharmakologie sowie die damit verbundene Berufung von LUDEWIG zum ordentlichen Professor für dieses Fach am hiesigen Institut für Pharmakologie und Toxikologie (Umbenennung in 1963), dessen Leitung inzwischen an Martin MÜLLER übergegangen war, ließ allerdings noch bis 1979 auf sich warten. Die Abteilung bestand zum damaligen Zeitpunkt aus dem Ordinarius, einem Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie und zwei medizinisch-technischen Assistentinnen. Diese Abteilung wurde 1982 organisatorisch vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie gelöst und zur eigenständigen Einrichtung des Bereiches Medizin der Leipziger Universität erklärt, behielt aber zunächst den Abteilungsstatus.
Die Institutsgründung erfolgte dann 1984. Im Gründungsjahr gehörten zum Institut neben dem Ordinarius, ein Oberarzt mit Subspezialisierung im Fach Klinische Pharmakologie, ein Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie, ein Pharmazeut, ein Chemiker, vier medizinisch-technische Assistenten und eine Krankenschwester.
Den vorrangigen thematischen Schwerpunkt des neu gegründeten Instituts stellte, neben der klinischen Prüfung neuer Arzneimittel bzw. Fragen der universitären medizinischen Betreuung, die Weiterbildung auf pharmakotherapeutischem Sektor dar, was den Aufbau intensiver Kooperationsbeziehungen zu Ärzten in Kliniken und Ambulanzen voraussetzte.
So wurden z. B. von  1973 bis 1989 monatlich zunächst von der Abteilung, später vom Institut für Klinische Pharmakologie „Pharmakotherapeutische Arztinformationen“ erstellt und publiziert:


1973 – 1975,    lokale Verbreitung auf Ebene des Bezirkes Leipzig,
1976 – 1982     publiziert in:    Zeitschrift für Ärztliche Fortbildung
                                               Pharmazeutische Praxis
1982 – 1989     publiziert in:    Medizin aktuell

Dabei handelte es sich um eine mit den zuständigen Fachgesellschaften und dem Institut für Arzneimittelwesen der DDR abgestimmte Fortsetzungsreihe, die in komprimierter tabellarischer Form in regelmäßigen Abständen aktualisierte, praxisrelevante klinisch-pharmakologische Daten zu den im klinischen Alltag verordneten Arzneimitteln zur Verfügung stellte und somit die Voraussetzungen für eine schnellstmögliche Umsetzung neuer klinisch-pharmakologischer und toxikologischer Erkenntnisse in die medizinische Praxis schuf.
Die Praxiswirksamkeit dieser Reihe wurde sicher nicht zuletzt durch die Tatsache gefördert, dass LUDEWIG parallel zum Ordinariat den Vorsitz einer das territoriale Gesundheitswesen beratenden Therapiekommission und Mitglied der Zentralen Therapiekommission des Ministeriums für Gesundheitswesen der DDR war. Weitere Schwerpunkte der Forschungs- und Weiterbildungsaktivitäten des Instituts bildeten spezielle Arzneimittelnebenwirkungen wie die Beeinflussung klinisch-chemischer Untersuchungsergebnisse durch Arzneimittel, was schließlich in der Herausgabe des Nachlagewerkes „Arzneimittel und Labordiagnostik (Hrsg.: R. Ludewig und H.-R. Böhme) seinen Niederschlag fand. Daneben wurden unter der Leitung LUDEWIGs in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen der Leipziger Universität, der Akademie der Wissenschaften der DDR und dem Arzneimittelwerk Dresden die pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Grundlagen von drei Peroxidpräparaten (Elawox®, Oxyderm®, Gingivox®) erarbeitet sowie deren klinische Prüfung und Einführung realisiert. Die Interessen LUDEWIGs konzentrierten sich jedoch von Anfang an nicht ausschließlich auf  die Umsetzung klinisch-pharmakologischer Erkenntnisse im Bereich der Arzneimitteltherapie, sondern gleichermaßen auf die Anwendung klinisch-toxikologischen Wissens in der Patientenbetreuung. So fanden schon im Jahr 1958 im Institut für Pharmakologie erste klinisch-toxikologische Konsultationen statt. 1963 wurde mit der regelmäßigen Durchführung eines Toxikologischen Auskunftsdienstes, der ersten derartigen Auskunftsmöglichkeit innerhalb der sozialistischen Länder, begonnen. Ein wesentlicher Beitrag der seit 1964 bestehenden Abteilung für klinische Pharmakologie zu diesem Auskunftsdienst bestand in dem Aufbau einer systematischen Dokumentation der Toxizität von Haushaltschemikalien. 1966 erschien dann die erste Auflage des in Zusammenarbeit mit dem damaligen Leiter der Forschungsstelle für chemische Toxikologie der Akademie der Wissenschaft der DDR, Prof. Dr. K.-H. Lohs, erarbeiteten Standardwerkes „Akute Vergiftungen“, das weit über die Grenzen der damaligen DDR Anerkennung und Verbreitung fand und dessen 11. erweiterte Auflage 2014 in Druck geht. 1983 wurde der toxikologische Auskunftsdienst auf der Grundlage einer staatlichen Weisung von Leipzig an das Institut für Arzneimittelwesen der DDR in Berlin verlagert und erst im Oktober 1990 am Leipziger Institut für Klinische Pharmakologie wieder reaktiviert.

R. LUDEWIG wurde für seine außerordentlichen Verdienste in der klinisch-pharmakologischen und klinisch-toxikologischen Lehre und Forschung im Jahr 2012 mit dem Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt.
1989 wurde LUDEWIG emeritiert und der Klinische Pharmakologe Rainer PREISS von der Charité der Humboldt-Universität Berlin auf den Lehrstuhl nach Leipzig berufen.

Prof Ludewig

Buch 1

Buch 2

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1989 - 2012

Dieser personelle Wechsel brachte gleichfalls eine thematische Neuorientierung des Institutes. Forschungsschwerpunkte waren nunmehr tumortherapeutische und pharmakokinetische Fragestellungen. Des Weiteren wurden unter Federführung der Mitarbeiter des Institutes klinische Prüfungen von neuen Arzneimitteln konzipiert und durchgeführt. Wesentliche Neuerungen erfolgten auch auf dem Gebiet der Patientenbetreuung. Neben der Reaktivierung des traditionell schon früher in Leipzig angesiedelten Toxikologischen Auskunftsdienstes konnte durch den systematischen Aufbau eines leistungsfähigen klinisch-toxikologischen 24h-Akut-Labors ein qualitativer Sprung in der Unterstützung der in der Akutmedizin tätigen Kollegen bei der Behandlung von Vergiftungsfällen erreicht werden.
Ein wesentlicher Beitrag zur Optimierung der Pharmakotherapie an universitären und außeruniversitären Einrichtungen wurde darüber hinaus durch das Therapeutische Drug Monitoring einer sehr breiten Palette von Wirkstoffen von Arzneimittel und ihrer Metabolite, ergänzt durch die Möglichkeit der pharmakotherapeutischen Beratung in Problemfällen, geleistet.
Ein völlig neues, dabei arbeitsintensives Aufgabengebiet für die Klinische Pharmakologie in Leipzig wurde durch Übernahme des Vorsitzes der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität durch den Lehrstuhlinhaber PREISS erschlossen. Gleiches galt für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Arzneimittelindustrie im Rahmen klinischen Prüfungen neuer Arzneimittel oder der Optimierung des Einsatzes bereits eingeführter Wirkstoffe. In der studentischen Ausbildung blieben die Schwerpunkte erhalten, in dem sich das Institut engagierte, seiner Brückenfunktion zwischen der experimentellen Pharmakologie und den klinischen Fächern im Sinne einer rationalen, Praxisnahen Arzneimitteltherapie gerecht zu werden. Ordinarius R. PREISS war zudem als außerordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft tätig. Mit der Emeritierung von Rainer PREISS im Jahr 2010 wurde das Institut in der Form einer Selbständigen Abteilung für Klinische Pharmakologie in das Rudolf-Boehm-Institut für Pharmakologie und Toxikologie integriert. Der Arbeitsbereich Therapeutisches Drug Monitoring wurde im Zuge weitreichenden Neustrukturierungen der klinisch-diagnostischen Bereiche in das Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und molekulare Diagnostik verlagert.
Prof Preiss

Prof. Dr. R. Preiss

 

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Buch 4


Buch 3



2012 - ...

 
2012 wurde Prof. Dr. A. AIGNER auf die neu geschaffene Professur für Klinische Pharmakologie und zum neuen Leiter der Selbständigen Abteilung Klinische Pharmakologie berufen.
Unter Fortführung der etablierten Kompetenzcluster Klinische Pharmakokinetik und Klinische Toxikologie sowie der angestammten Lehrkonzepte wurde unter seiner Leitung eine leistungsstarke Arbeitsgruppe mit Schwerpunkten im Bereich der Tumorforschung und der Entwicklung neuer, innovativer Therapiekonzepte aufgebaut, die wesentlich zur Stärkung des Forschungsprofils der Medizinischen Fakultät beiträgt und auch in zahlreichen überregionalen Forschungs-Verbundprojekten aktiv ist.

Prof Aigner

Prof. Dr. A. Aigner