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Alma Mater Lipsiensis
Universität Leipzig

Arbeitsgruppe Zeitzeugen
der Seniorenakademie

Berichte über Erlebnisse

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Weihnachten im 2. Weltkrieg in Posen (Polen)

Ein Bericht von Dr. Rolf Beyer, Leipzig

Mein Vater war 1936, als ich 2 Jahre alt war, gestorben. Meine Mutter hatte dann 1941 wieder  geheiratet. So hatte ich nun einen Stiefvater. Dieser war beruflich Telegraphen-Assistent und musste kurz nach der Hochzeit nach Posen (Polen), heutiges Poznan. Dort war er bis unmittelbar vor der Befreiung Polens durch die Russen in einem Fernmeldeamt tätig.

Zu Weihnachten 1942 und 1943 besuchten ihn meine Mutter und ich. Er hatte ein Zimmer bei einer polnischen Familie, in dem auch wir mit wohnten. Zwei Dinge blieben mir von diesen Besuchen vor allem im Gedächtnis.

In der Wohnung

Die Wohnung hatte etwa 5 Zimmer. In einem wohnte mein Stiefvater, in den anderen etwa 15 Polen. Der Heiligabend wurde im größten Zimmer – in dem eine Tafel aufgebaut worden war - von allen gemeinsam gefeiert. Zuerst pochte der polnische Weihnachtsmann sehr laut an die Tür. Da fingen die anderen Kinder alle furchtbar an zu weinen. Das verstand ich überhaupt nicht, da es doch jetzt Geschenke gab.

Als der Weihnachtsmann dann da war, wurde auch mir bange. Nacheinander wurden alle Kinder nach vorn gerufen. Dort wurden alle „Schanddaten“ des vergangenen Jahres aufgezählt und dann gab es dafür wirklich fürchterliche Dresche. Ich kam glimpflich davon, da ich Deutscher war. Der Weihnachtsmann holte zwar richtig aus, schlug aber kaum zu.

Nachdem alle Kinder dran waren, begann der angenehme Teil. Jedes Kind sagte etwas auf und erhielt ein Geschenk. Danach gab es für die Erwachsenen und die Kinder ein Weihnachtsessen, auf das sich alle schon lange gefreut hatten.

Wir Kinder mussten dann in die Betten. Schlafen konnten wir aber nicht, da die Erwachsenen nun dem Alkohol zusprachen und es in der Wohnung immer lauter wurde.  

In der Stadt

  • Die Deutschen in Polen mussten eine Uniform oder sichtbar an der Kleidung ein Hakenkreuz tragen. Beim Einkaufen brauchten sie sich nicht anstellen. Obwohl vor jedem Geschäft immer eine lange Schlange von Polen stand, mussten die Deutschen vorgelassen und sofort bedient werden.
  • In der Straßenbahn galt, Deutsche fahren im vorderen Wagen, die Polen im hinteren Wagen. Da es nur wenige Deutsche gab, waren im vorderen Wagen immer viele Sitzplätze frei, der hintere Wagen war rappelvoll, die Polen hingen meistens sogar draußen an der Bahn. Ein Fuß auf dem Trittbrett, eine Hand an einer Stange.

Was die Polen über die Befehle der Deutschen hinsichtlich Einkauf und Straßenbahn dachten, konnte man an ihren Gesichtern ablesen. Das fiel sogar mir auf, obwohl ich damals gerade 8 bzw. 9 Jahre alt war. 



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