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Universität Leipzig

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Auf Äthiopiens Märkten erlebt

Ein Bericht von Prof. Dr. Gerhard Asmussen, Leipzig

In den Jahren 1979/80 und dann später 1982/83 weilte ich beruflich in Äthiopien. Was ich dort auf den Märkten erlebte schildere ich nachstehend. Anmerken muss ich aber, dass ich im Jahr 2008 nochmals dort war, verändert hatte sich in der Zwischenzeit fast nichts.
Zunächst einmal müssen wir unterscheiden zwischen der Situation in der Hauptstadt, den Großstädten und dem flachen Land. In Addis Abeba kann man (entsprechend dem Geld-beutel) nahezu europäisch leben. Das liegt besonders an den vielen Botschaften. Es funk-tioniert aber nicht mehr in den Großstädten und besonders nicht auf dem Land. Betrachten wir eine mittlere Stadt – z. B. Gondar, 60 - 80 000 Einwohner (so genau weiß das keiner, es wird geboren und gestorben, aber nicht gezählt), die Situation auf dem flachen Land ist ver-gleichbar, aber eingeschränkt. Gehen wir einfach auf den Markt, und schauen wir, was es zu kaufen gibt.

Zunächst einmal Gemüse und Obst: Tomaten und Gurken gibt es immer (eingelegt dagegen nicht), dazu Zwiebeln (klein, lila und scharf) und Gewürze (also einem ÄgyptenTomatensalat steht nichts im Wege) – allerdings muss alles zuvor in Milton (einem chlorhaltigenDesinfektionsmittel, der Keime wegen, man sagt, jeder Einwohner von Gondar hat mindestens einen Parasiten) eingelegt werden. An Leguminosen gibt es Linsen und neuerdings Sojabohnen, dazu pig peas eine kleine Erbsensorte, die im Wesentlichen die Kinder vom Strauch essen. Kohl, Salat oder andere Vegetabilien habe ich nicht gesehen. Nichts wird abgewogen, dafür verwendet man Hohlmaße, alte Dosen oft sehr unterschiedlicher Größe. An Obst gibt es Bananen, allerdings nicht die uns bekannten (die gibt es nur im Süden), sondern kleinere, die sehr fruchtig schmecken – sog. Apfelbananen. Dazu gibt es Papaya, Orangen, Zitronen (klein und sehr sauer) und Passionsfrüchte. Keine Äpfel, Birnen oder Weintrauben, trotz des italienischen Einflusses. Kartoffeln (klein) gibt es, allerdings sind sie relativ teuer (eine Kartoffel kostet soviel wie ein Ei), und sie werden mehr als Gemüse gehandelt.

Zu Fleisch und Fett: In ganz Äthiopien gibt es keine Fleischbeschau. Beim Schlachter Rind, Schaf oder Ziege zu kaufen, ist also Vertrauenssache. Die Äthiopier leiden oft unter Band-würmern, die dann mit den Früchten des Kossobaumes abgetrieben werden. Er enthält ein Sapponin, dass den Wurm auflöst, allerdings muss man sich selbst dazu relativ hoch ver-giften. Pferd, Dromedar und Esel sind als Nahrungsmittel verpönt (man isst nicht das Tier, das einen retten kann) und das Schwein gilt als unrein (es frisst Ratten – Trichinose, es macht einen krank) und wird deshalb im ganzen Orient nicht gegessen. Also gibt es kein Schweinefleisch (auch keinen Schinken, Speck oder Fett), keine Wurst (auch nicht vom Rind) und keinen Käse, in irgendeiner Art. Butter gibt es, es wird aber lange gesammelt (die äthiopischen Rinder sind Fleisch- und keine Milchkühe), ist fast immer ranzig und dient den Einheimischen wohl eher zum Kühlen des Kopfes. Gebraten wird mit Öl der Nug–Pflanze geschmacklos und sehr bekömmlich. Zu Fleisch kommt man am besten, durch den Einkauf von lebenden Schafen, Ziegen oder Hühnern. Man muss dann selber schlachten und sollte beim Einkauf auf die Lebensfrische der Tiere achten (ein Schaf das lustig herumspringt ist gesund).

IsraelNun zu den Grundnahrungsmitteln. Zucker gibt es, und auch Milch, die man am besten als Trockenmilch (in Dosen) einkauft und sich dann mit Wasser (gekocht und gefiltert) auflöst. Es gibt auch Honig, allerdings ist er oft mit Wachs vermischt und schwer zu trennen – die Einheimischen stellen daraus einen Honigwein („tetch“) her, der sehr fruchtig und erfrischend schmeckt aber gefährlich ist. Reis gibt es gelegentlich. Der Äthiopier verwendet als Haupt-nahrungsmittel „ingera“ – Grundlage ist Teff (ein einheimisches, sehr kleines Getreide – aeragrostis abessinica) oder Gerste, als Hefe verwendet man „gescho“, es wird als Fladen einseitig gebacken und anschließend in die Sonne gelegt. Da die Hefe noch lebt, gärt das ganze noch nach und wird immer dicker, blasiger und saurer. Es ist Geschmackssache (ich mag es nicht zu sauer) und man kann sich daran gewöhnen. Dazu gibt es eine extrem scharfe Sauce „wot“ (von der man sagt: „Wot tut zweimal weh, wenn es den Körper betritt, und wenn es ihn wieder verlässt.“), die mit Hühner-, Rind- bzw. Schaffleisch, manchmal auch mit nichts, angereichert ist.Wenn man allerdings keine Lust auf „national food“ verspürt, bleibt einem nur übrig, sein Brot selber zu backen. Sauerteig wird eifrig gehütet, und man darf nur nicht vergessen, von dem letzten Backprozess eine Tasse voll rohen Teig aufzubewahren. Zuvor aber kauft man Getreide (Roggen ist selten, dafür gibt es immer Weizen) und bringt es dann zur Mühle. Diese Einrichtung würde einem deutschen Sicherheitsinspektor Schauer über den Rücken jagen. Blanke Drähte laufen zu den Maschinen, Arbeitschutz scheint es nicht zu geben. Das Getreide wird kaum gereinigt und grob gemahlen. Am Ende erhält man ein Schrotmehl, das das endgültige Produkt schon erahnen lässt. Aber es ist irgendwie Heimat.

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