uni

Alma Mater Lipsiensis
Universität Leipzig

Arbeitsgruppe Zeitzeugen
der Seniorenakademie

Berichte über Erlebnisse

Was wir wollen | Berichte schreiben | Chronik | Aktuelles | Impressum

Ein Besuch des Wasserfalls an Blauen Nil –
Tis Issat, Wasser, das raucht

Ein Bericht von Prof. Dr. Gerhard Asmussen, Leipzig

In den Jahren 1979/80 und dann nochmals 1982/83 weilte ich in Äthiopien. Wir haben dort Ärzte ausgebildet, davon war hier schon die Rede. Dabei habe ich auch mehrfach die Fälle des Blauen Nils besucht, und davon soll im Folgenden berichtet werden. 

Nachdem ich früh noch das Seminar „Herz“ erledigt hatte, fuhren wir nach Bahir Dar. Wir bedeutet: mein Kollege (Wolfgang) und ich, dazu noch ein Biochemiker (Karl) und ein Äthiopier Yekoye Abebe (zur äthiopischen Namensgebung muss gesagt werden, dass man zum Vornamen immer den Namen des Vaters hinzufügt – in amtlichen Schriftstücken auch noch den des Großvaters), der von von als Lehrer (lecturer) ausgebildet werden sollte. Er stammte aus Bahir Dar und war der einzige der die Landesprache beherrschte. Unser Ziel waren ja nicht die Nilfälle, die waren nur ein Abfallprodukt, sondern der Besuch der Lehrer, um Post abzu­geben und zu erhalten. Die Fahrt verlief ohne Schwierigkeiten, wenn man einmal von einer Reifenpanne absah, wir erreichten Bahir Dar, nahmen Quartier im Gihon Hotel, besorgten eine Genehmigung für den Besuch der Nilfälle (nichts ging damals ohne eine solche „permission“) und fuhren dann zu den Lehrern nach Hause. Der Empfang war herzlich und nett, wie immer, wenn man Besucher vom eignen Stamm trifft. Übrigens waren weder Yekoye noch die Lehrer jemals an den Nilfällen gewesen – für uns unverständlich, denn sie gelten als „highlight“ jeden Äthiopienbesuches. Von dem Besuch ist mir im Wesentlichen in Erinnerung geblieben, dass ich damals die „Sachsenhymne“, die in der DDR gerade herausgekommen war, mit Bewusstsein gehört habe. Den Abend haben wir jeder für uns im Hotel verbracht, denn die Post war ja das wichtigste unserer Reise.

 

Nil

Stromschnelle am Blauen Nil

Am nächsten Tag sind wir zeitig aufgestanden, und haben ausgiebig gefrühstückt. Zunächst machten wir ein paar kleinere Abstecher – wir besuchten das Schloss des Kaisers Haile Selassi. Es ist sehr hübsch gelegen mit Blick auf den Ausfluss des blauen Nils aus dem Tanasee. Es ist erbaut im Stil der 30iger Jahre und macht einen eher bescheidenen Eindruck. Jeder Großindustrielle der Bundesrepublik hat eine größere und pompösere Villa als dieser Kaiser. Nur Bäder gibt es reichlich – ich habe sechs Stück gezählt – und wahrscheinlich nur deshalb, weil baden für die Äthiopier einen unvergleichlichen Luxus darstellte, den sich nur wenige leisten konnten. Das Land stellt eine Bergwüste dar, und Wasser ist außerhalb der Regenzeit sehr knapp. In der Eingangshalle des Gebäudes befindet sich ein Plan, den deutsche Ingenieure in den 20iger Jahren entworfen haben, und der zeigt, wie Äthiopien entlang der vielen Zuflüsse, die in den Tanasee münden, diese aufstauen müsste, um den Nil zu kanalisieren. Das hätte alle Energie- und viele Fruchtbarkeitsprobleme Äthiopiens gelöst, nur ist er nie Wirklichkeit geworden. Sadat war der letzte Präsident Ägyptens, der mit Krieg gedroht hat, sollten die Äthiopier den Nil kanalisieren wollen. Außerdem machten wir einen Abstecher zum Blauen Nil, wo es viele Stromschnellen zu sehen gab.

 

“Portugiese Brigde“ unterhalb den der Nilfälle

“Portugiese Brigde“ unterhalb den der Nilfälle

Nach etwa 40 km parkten wir das Auto am E-Werk (ein Teil der Nilfälle wird als Wasserkraft genutzt und versorgt Bahir Dar mit Strom) danach geht es zu Fuß weiter. Zunächst bergab, über eine Brücke, die noch aus der Portugiesen-Zeit stammen soll (jedenfalls heißt sie „portugiese bridge“, wahrscheinlich ist sie aber später gebaut worden), in dem man den Nil (nun gebändigt) dahin schießend sehen kann, und dann bergauf. Die Luft ist feucht, man „riecht“ förmlich das Wasser. Und plötzlich steht man davor – ein riesiger Wasserfall. Das müssten unsere Frauen sehen, war unser genereller Eindruck (zur damaligen Zeit wurde ein Besuch der Ehefrauen heftig diskutiert, später wurde er dann wahr) – ein wahrhaft grandioser Anblick – unvergesslich.

 

Nilfälle: Anfang November (kurz nach dem Ende der Regenzeit)

Nilfälle: Anfang November (kurz nach dem Ende der Regenzeit)

 

Nilfälle: Mitte Februar (Hauptperiode der Trockenzeit – Frauenbesuch)

Nilfälle: Mitte Februar (Hauptperiode der Trockenzeit – Frauenbesuch)

 

Nilfälle: Anfang Mai (unmittelbar nach Beginn der Regenzeit)

Nilfälle: Anfang Mai (unmittelbar nach Beginn der Regenzeit)

Der Fall des Blauen Nils ist ungefähr 400 m lang, das Wasser stürzt etwa 40 m in die Tiefe. Der Boden des Talkessels ist üppig mit Schlingpflanzen und Drachenbäumen bewachsen, über dem Ganzen prangt ein Regenbogen. Nun kam uns der Gedanke, auch den Fall von unten  zu  sehen. Das  rief von  Seiten  unserer  äthiopischen  Begleiter grausiges Unverständnis (man ist in Afrika nie allein, und die Anzahl unserer „Begleiter“ hatte beträchtlich zugenommen) hervor.

Furt oberhalb des Nilfalles
Furt oberhalb des Nilfalles

Man warnte uns vor großen Schlangen und Raubtieren. Auf die Antwort gerade diese Tiere wollten wir sehen, ernteten wir noch größeres Unverständnis. Aber der Abstieg in den Talkessel erwies sich als unmöglich, und so bleib kein anderes Mittel als die Fälle zu umgehen. Dies war möglich denn oberhalb des Wasserfalls gibt es eine steinerne Furt, die auch von Einheimischen viel benutzt wird. Zu dieser Furt gingen wir, hatten aber zweierlei Probleme: zunächst die Bilharziose, niemand wollte sich von dieser Zoonose anstecken lassen – zum Glück strömt des Wasser sehr schnell, so dass die Gefahr gering ist. Um dann noch die Esel – ein Esel mit querliegendem Sack nimmt die volle Breite der Furt ein, und ein Esel hat immer Vorfahrt. Man muss also abpassen, wenn kein Esel kommt und dann zügig durch die Furt waten So gelangten wir auf die andere Seite und nach rutschigem Abstieg an den Fuß des Wasserfalles. Innerhalb kürzester Zeit waren wir vom Spritzwasser durchnässt, aber sie Sonne trocknet es bald.

 

Am Fuß des Falles

Am Fuß des Falles

 

Dann kamen unsere Frauen zu Besuch, und wir hatten viel von den Nilfällen geschwärmt. Als es dann endlich soweit war, und wir sie vorführen wollten, war (wie oben gezeigt) nur wenig von der einstigen Schönheit geblieben. Man muss also die Fälle im Spiegel der Jahreszeiten sehen, um einen richtigen Eindruck zu bekommen.

Auf dem Rückweg kamen wir noch durch ein Dorf – und hier hatte ich Gelegenheit das dörf­liche Leben, was sich ja größtenteils in Freien abspielt kennen zu lernen und zu fotografie­ren. Für die Rückfahrt benutzten wir ein Papyrusboot.

 

Dorfleben

Dorfleben

 

Man erkennt den Wasserkrug, den Wottopf, das Injerablech und manches Andere

Man erkennt den Wasserkrug, den Wottopf, das Injerablech und manches Andere

 

Rückfahrt mit dem Papyrusboot

Rückfahrt mit dem Papyrusboot

Es tauchte die Frage auf, wieso eigentlich der Besuch der Ehefrauen etwas Erwähnenswertes und Besonderes sei? Üblicher Weise (so war es beispielsweise bei den Lehrern in Bahir Dar) reist bei so einem längeren „Einsatz“ die ganze Familie mit aus, größere Kinder kommen in ein Internat der DDR (das brachte für viele schon ein Erziehungsproblem mit sich), kleinere Kinder werden mitgenommen oder selbst unterrichtet. Das bedeutet für die der Männer der „Staatsicherheit“ eine erhöhte Aktivität und viele Umfragen. Denn es ist einfach das Land in Richtung „Westen“ zu verlassen. Man geht zur nächsten bundesdeutschen Botschaft und erklärt „Ich bin Deutscher“, dann bekommt man einen provisorischen Pass, und verlässt mit dem nächsten Flugzeug Richtung „Westen“ das Land. Äthiopien fängt keinen Streit mit der BRD an (einem Hauptgeldgeber) und schon lange nicht wegen eines DDR-Bürgers. Dazu kam, dass die Rückreise (vertragsgemäß) immer mit „Ethiopian Airlines“ erfolgte, sodass man in Athen, Rom oder Wien die Möglichkeit zum Verlassen der DDR gegeben war. Wir waren ohne Frauen angereist (alle „Geiseln“ waren noch auf dem Gebiet der DDR), außerdem galt der Norden als Kriegsgebiet (und wenn Männer umkommen, ist das „heldenhafter“, als der Tod von Frauen und Kindern), und dann hatte man uns wenig „Überlebenschancen“ eingeräumt, „Bleibt so lange ihr könnt, damit die DDR nicht ihr Gesicht verliert“, das war der Grundtenor unserer Botschaft. Insofern war der Besuch der Ehefrauen schon etwas Besonderes (wenn wir auch alle unmündige Kinder in der DDR hatten). Der Kampf um den Besuch unserer Frauen dauerte lange – wir waren ja ohne sie gekommen – aber schließlich war es soweit, sie kamen am 08.03.1980 an, sie blieben einen Monat und am 08.04.1980 reisten sie wieder ab – eine bleibend schöne Erinnerung.



     Seitenanfang
Website der AG Zeitzeugen

 

Templates