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Universität Leipzig

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Äthiopische sozialistische Feiertage – waren wir nur Kugelfang?

Ein Bericht von Prof. Dr. Gerhard Asmussen, Leipzig

Über die Art wie wir unsere christlichen Festtage erlebt haben, wurde schon berichtet, es war auch schon der Rede von den kirchlichen Feiertagen in Äthiopien (z. B. dem Timkatfest).
Unsere Aufgabe in Äthiopien war es Ärzte auszubilden – und dies haben wir auch getan. Wir wurden auch immer zu den sozialistischen Feiertagen eingeladen – so zum Beispiel zum Ersten Mai. Wie sollten sie es auch besser wissen, wir kamen schließlich aus einem sozialistischen Land, hatten bloß andere Gründe für unser Hiersein. Aber sollte man das jedem Äthiopier „auf die Nase binden“, es reichte schon, wenn die Studenten ahnten, was (oder wen) sie da bekommen hatten, und was wir für Motive dafür hatten.

 

Asmussen

Jugend marschiert!

 

Asmussen

Alle haben neue Kleider

 

Und dann geht es los – salutiert wird preußisch oder angelsächsisch, es kommt nicht so drauf an, wichtig ist, dass überhaupt salutiert wird. Der Gleichschritt holpert etwas, überhaupt sieht der Formation eher wie eine Karikatur des Marschierens aus, vielleicht macht dies das Martialische, das der ganzen Prozedur anhaftet, erträglicher – es fehlt dem Ganzen an preußischen Drill, Gott sei Dank! Dafür haben alle neue Kleider bekommen (und soweit ich gehört habe, mussten sie nicht zurückgegeben werden) – mit dem Schuhwerk haperte es etwas – barfuß oder Turnschuh. Und viel zuschauendes Volk säumt den Platz auf dem das Ganze stattfand.

Asmussen

Tribüne


Auf der Tribüne in der Mitte der Militärgouverneur der Region Gondar mit seiner Uzi (israelische Fallschirmspringermaschinenpistole) in der Hand, daneben seine zivilen Berater, und wieder daneben der mohammedanische Priester und der Abunja, der Vertreter der christlichen Kirche. Links sind wir zu sehen, außerdem einige Kubaner, im Vordergrund Militärpersonen mit Kalaschnikows. Auf dem darauf folgendem Bild, sieht man die honorigen Personen der Stadt, in ihrer Feiertagsbekleidung, und man begreift, dass es sich um ein Volksfest handelt.

Bei dieser Gelegenheit ist es sinnvoll etwas zu den Schusswaffen in Äthiopien zu sagen. „Ein Mann gilt erst dann als vollwertig, wenn er eine „Knarre“ trägt“, dieses Wort habe ich mehrfach gehört und auch den Stolz in der Stimme vernommen. Wie viele Handfeuerwaffen es in Äthiopien gibt, weiß ich nicht, aber es müssen viele sein. Das macht es auch so schwierig, die Waffen nach einem Umsturz wieder einzusammeln (und wie viele werden auch versteckt) – man kann doch nicht die Hälfte aller Männer „entmannen“. Die Güte der Büchsen spielt eine untergeordnete Rolle; natürlich will jeder eine Kalaschnikow haben, aber man nimmt auch zwischenzeitlich mit einen italienischen Karabiner vorlieb (als Auszeichnung sehr beliebt); die Beschaffung der Munition dürfte langsam problematisch werden. Insofern ist die Uzi des Militärgouverneurs ein Statussymbol, denn wer hat so was schon.

 

Asmussen

Aufmärsche

 

Daneben gibt es immer wieder Reden in amharischer Sprache, die wir nicht verstehen, dann einen Boxkampf (der uns die sportliche Ertüchtigung der Jugend nahebringen soll), dann wieder Reden, dann wieder Aufmärsche, dann ein Theaterspiel (wieder Amharisch – soll wohl das erstarkende Selbstbewusstsein der Frau zum Inhalt haben), dann wieder Aufmärsche. Am Ende eines solchen Tages, waren wir rechtschaffen müde, den ganzen Tag in  sengender  Sonne zugebracht – dabei  hatten  wir  immer  das Gefühl nur als Kugelfang zu dienen – oder wollte man uns einfach dabei haben (wir waren ja schließlich Bewohner eines sozialistischen Landes), wenn die Schönheit des „Neuen Äthiopiens“ demonstriert wurde. Wir sind nicht dahinter gekommen.

 

Juni 2013

 



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