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Eine Fahrt in das Simien-Gebirge

Ein Bericht von Prof. Dr. Gerhard Asmussen, Leipzig

Das Simien-Gebirge ist „offen“, diese Nachricht verbreitete sich rasch unter den Mitgliedern der „crew“ in Gondar. Wir konnten also hoffen, den Hochgebirgs-Nationalpark besuchen zu dürfen. Wir, das waren ein Anatom, zwei Biochemiker und zwei Physiologen aus der DDR. Wir waren zur Ausbildung von Medizinstudenten nach Gondar geschickt worden, und fühl­ten uns dort ganz heimisch. Insgesamt war ich zwei Jahre dort, in den Studienjahren 1979/80 und 1982/83.

 

Asmussen

Simien Nationalpark

 

Es war zwar Kriegsgebiet, und man wusste nie so ganz genau wo die Front verlief (auch der Kontakt zu den russischen Militärberatern half da wenig). Ich habe es erlebt, dass die Front unmittelbar nördlich von Gondar verlief, oder dass selbst der Flugplatz nicht sicher war, denn man hatte dort mit einer „Kofferrakete“ einen Transport beschossen. Es war eben ein Guerillakrieg, in dem keiner wusste wer Freund oder Feind war. Insgesamt kann man nur sagen, dass zur Regenzeit das Land von Guerillas nur so wimmelt, das aber zur Trockenzeit es den Regierungstruppen gelingt sich auszubreiten, denn sie verfügen über schweres Gerät, um die wenigen Wasserlöcher zu besetzen. Sei es wie es wolle, der Simien war „offen“ und erwartete unseren Besuch.

Am Donnerstag den 24.04.1980 ging es früh los. Wir hatten das Notwendigste an Gepäck dabei, noch dazu Reservebenzin und jede Menge Schläuche und Reifendecken. So konnte uns eigentlich nicht viel passieren – wir fuhren am Felashadorf vorbei und passierten die Elisabethaussicht (hier soll mal der Kaiser Haile Selassi mit der britischen Königin Elisabeth ein Picknick veranstaltet haben) und erreichten gegen Mittag den Flecken Debark. Hier war gerade Markttag und das entsprechende Leben und Treiben, aber das waren wir schon gewohnt. Hier fanden wir dann auch die militärische Bedeckung – offenbar war die Situation doch  recht unsicher  (oder wir sehr wertvoll) – ich habe  15  Mann gezählt, für jeden von uns drei Aufpasser oder Beschützer – so gut geschützt habe ich noch nie gepinkelt. Geleitet wurde das Ganze von einem Leutnant, der sehr gut Englisch sprach.

 

Asmussen

Wachmannschaft

Die Ausrüstung war unterschiedlich, ich fand zwischen alten Karabinern, die offenbar von den Italienern bei der Schlacht an der Adwa (1896) benutzt worden waren, bis hin zu modernen Kalaschnikows alle Übergänge. Alle trugen Handgranaten und der martialische Ausdruck wurde dann noch durch ein leichtes Maschinengewehr verstärkt. Daneben berichtete der Leutnant auch über ihre Erfolge bei der Alphabetisierung, bei der Resozialisierung von Aufständischen, beim Gemüse- und Obstanbau usw. – man hatte den Eindruck, dass er glaubte, was er sagte.

 

Asmussen

Straße in Simien

 

Asmussen

Simien; Landschaft

 

Asmussen

Schlangenhaut

 

In Debark beginnt die steile Straße, die die Italiener bauten, die den einzigen Weg in das Hochland Abessiniens bedeutet und die noch heute von enormer strategischer Bedeutung ist, vergleichbar nur mit der Brücke über den Blauen Nil. Oft ist sie nur einspurig, das leichtere Fahrzeug (oder der, der mehr Angst hat), muss oft Kilometer weit rückwärts fahren, um an die nächste Ausweichstelle zu kommen. Daneben findet man oft die Spuren des Krieges in Form ausgebrannter Tanks, Geschütze oder LKWs. Wir befuhren die Straße auch nicht allzu weit, weil man zu oft das Gefühl des nahen Krieges hatte.

Man nennt den Simien auch das Dach Afrikas – denn er liegt 3500 bis 4000 m über dem Meeresspiegel. Er ist also ein Hochgebirgsnationalpark, auch der höchste Berg – der Ras Deshen (4620 m hoch) liegt mitten in dieser Bergregion. Steil abfallende Schluchten und Hochplateaus  wechseln einander ab.

 

Asmussen

Geladas

 

Der Nationalpark hat eine  Größe  von  etwa 180 km² - allerdings war der größte Teil „noch nicht befreit“, wie uns immer wieder versichert wurde. Wir betrachteten intensiv die Schönheiten für die der Nationalpark berühmt ist, einen Teil der Tiere und  Pflanzen findet  man nur hier.

 

Asmussen

Riesendisteln

 

Asmussen Erica arborea

 

Wir sahen  große  Steinbocke (Walia ibex), den Klippschliefer (Procavia capensis – sieht aus wie ein Murmeltier, ist aber eher mit den Elefanten und Seekühen verwandt), eine Schlangenhaut (Python sebae) den Blutbrustpavian (eine Affenart, die nur im Hochland von Äthiopien vorkommt, und hier als Getreideräuber zu sehen ist), allein die Vogel aufzuzählen wäre Legion. Unter den seltenen Pflanzen (sie können ja nicht weglaufen) sind mir folgende in Erinnerung geblieben, die oft zu einem Riesenwuchs neigen: eine Riesenlobelie (Lobelia rynchopetalum), eine Riesendistel (Onopordum acantium – da habe ich einen der Wächter danebengestellt) und eine Baumheide (Erica aborea). Ferner in normaler Größe: der Kossobaum (Hagenia abyssinica) und Wacholderbüsche (Juniperus abyssinicus) oder das Johanniskraut (Hypericum revolutum), das oft ganze Flächen bedeckt.

Wir blieben im Sankaber camp, es war sicherer dort (zum Geech camp kamen wir erst bei meinem zweiten Aufenthalt – 1982/83 – es war ein schöner Ausflug dahin, aber besondere Bilder gibt es davon nicht). Es war wie immer erstaunlich wie die Äthiopier unter sonst so widrigen Umständen ein vernünftiges Essen zaubern konnten – es gab Hammel, Ingera und Wot – vielleicht war auch die Schönheit der Umgebung, oder das Hochland schuld – wir waren überhaupt nicht müde und haben noch stundenlang geschwatzt und zum Abschluss auch etwas gesungen.


August 2013

 



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