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Universität Leipzig

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Ingeburgs Erinnerungen an ihre Lehrtätigkeit

Ein Bericht von Ingeburg Faust, Leipzig

Dieser Bericht ist die Fortsetzung meines Zeitzeugenberichtes vom 25.06.2001 "Ingeburgs Erinnerungen an die Nachkriegszeit". Im letzten Abschnitt berichtete ich dort über meine 10-jährige Ausbildung als Lehrer für Deutsch/Literatur mit Staatsexamen.

Im Jahr 1986, als ich 60 Jahre alt wurde, ließ ich mich pensionieren, unterrichtete also fast 40 Jahre als Deutschlehrerin. Zuerst an der Käthe-Kollwitz-Schule Leipzig, ab 1950 an der Gutenberg-Schule, Ausbildungsstätte für grafische Berufe. Eine Zeitlang gehörte diese Schule dann nicht mehr der Stadt Leipzig an, sondern war dem grafischen Großbetrieb "Interdruck" unterstellt. Heute hat dieses Bildungszentrum wieder seinen Namen "Gutenberg-Schule“.
Da ich keiner Partei angehörte, musste ich meine Tätigkeit als Schulleiter einer Zweigschule/Betriebsberufsschule aufgeben und unterrichtete deutsche Lehrlinge des grafischen Gewerbes an der obigen Schule. Aber schon ab 1952 kamen ausländische Lehrlinge an unsere Schule, denen ich die deutsche Sprache lehren musste. Am Herder-Institut besuchte ich Kurse, wie der Unterricht pädagogisch/didaktisch durchgeführt werden muss, auch gesonderte Lehrbücher standen zur Verfügung.

Faust Die ersten Ausländer waren Griechen, bald darauf folgten junge Menschen aus Asien: Koreaner, Vietnamesen, Laoten, Inder, aus verschiedenen Ländern Afrikas, z.B. Kenia, Namibia, Sambia, Somalia, Algerien, Süd- und Mittelamerika, z.B. Chile, Ekuador, Nikaragua und natürlich Kuba. Die gleichen Berufe fürs grafische Gewerbe aus gleichen Ländern bildeten auch Betriebe in Berlin, Dresden, Pößneck und Rostock aus. Mit ihnen hatte unsere Betriebsschule oft Verbindung (Hospitation, Erfahrungsaustausch, gemeinsame Ferienlager etc.). Auch besuchte ich 2 Semester Vietnamesisch an der Volkshochschule, nicht um die Sprache sprechen und verstehen zu können, sondern um die Eigenart der Sprache kennen zu lernen, um Schwerpunkte beim Erlernen der deutschen Sprache berücksichtigen zu können.

Wenn ich heute nach über 15 Jahre zurückdenke, so habe ich noch immer viele inhaltsreiche Erinnerungen an gemeinsames Lernen und Lehren. Verschiedene Abschlussaufsätze kopierte ich mir und bin heute mehr erstaunt als damals über die guten Deutschkenntnisse, die alle Ausländer neben dem Erlernen eines Berufes - mit Facharbeiterbrief - nachwiesen. Jetzt, nach der Wende, haben vietnamesische Bürger bei einem Staatsbesuch unserer Regierung diese gebeten, ein Goethe-Institut in Hanoi einzurichten, um die gut erhaltenen Deutschkenntnisse weiter pflegen zu können. Mit der Zentrale des Goethe-Institutes in München stand ich vor wenigen Jahren bzgl. der damals geschriebenen Aufsätze in Verbindung.

Von den vielen Aufsätzen ist einer besonders aufschlussreich. Eine Vietnamesin schrieb über den Besuch der Blindenbibliothek in Leipzig, der für sie eine völlig neue Welt eröffnete.

Nach dem Erzählen der Ausländer hat ein blinder Mensch im Heimatdorf wohl Lebensberechtigung, doch kaum eine Aufgabe. Hier erfuhren sie etwas von Berufsmöglichkeiten, die sie voll in Erstaunen versetzten. Die behinderten Menschen konnten hier verschiedene Berufe erlernen und ausführen, selbst der Direktor der Blindenbibliothek war blind und studierte an der Universität.

Über gemeinsame Ferienlager-Erlebnisse schrieb ich kleine Berichte, Episoden. Mit Mühe erhielt ich damals die Erlaubnis, diese vervielfältigen zu lassen (der Kopierer stand unter Verschluss). Es gelang aber und ich konnte so jedem jungen Facharbeiter bzw. jeder jungen Facharbeiterin diese als Mitbringsel in das Heimatland mitgeben.

 



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