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Universität Leipzig

Arbeitsgruppe Zeitzeugen
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Meine Erfahrungen als Ostrentner
bei der Angleichung der Ostrenten an die Westrenten

Ein Bericht von Dr. Rolf Beyer, Leipzig

Als ich im Jahr 1950 meine Lehre als Fernmeldebauhandwerker beendete, waren zu dieser Zeit die Löhne in allen Bereichen sehr gering, wodurch sich auch nur sehr kleine Rentenansprüche ergaben. Diese Situation änderte sich auch nur langsam. Für mich persönlich - zwischenzeitlich in das Verlagswesen gewechselt - wurde es nach Abschluss eines Hochschulstudiums und einer besseren beruflichen Position ab 1966 finanziell etwas besser. Um aber eine höhere Rente zu erhalten, trat ich bei Gründung der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung am 1.3.1971 dieser sofort bei und zahlte über 19 Jahre monatlich meine Beiträge, bis diese Versicherung nach der Wende am 30.6.1990 aufgelöst wurde.

Meine berufliche Entwicklung führte mich 1973 in ein Institut. Nachdem ich dort einige Zeit im wissenschaftlichen Bereich tätig war, wurde mir die Intelligenzrente zugesprochen. Das war sowohl eine überraschende, als auch angenehme Mitteilung. Nun glaubte ich optimal abgesichert zu sein.

Rentenberechnung

Als ich nach der Wende im vereinten Deutschland in Rente ging, musste ich völlig umdenken. Für jedes Jahr versicherungspflichtige Berufstätigkeit wurden Entgeltpunkte errechnet und die Gesamtzahl der Punkte bildet die Grundlage für die Berechnung der Rente, d.h. die

Summe der Entgeltpunkte wird mit dem aktuellen Rentenwert (€ je Entgeltpunkt) multipliziert und ergibt die Rentenhöhe. Diese Verfahrensweise hat für Ostrentner Nachteile, die auf den ersten Blick nicht gleich erkennbar sind.

Unterschiedliche Ermittlung der Entgeltpunkte in West und Ost

Die Berechnung der Entgeltpunkte für Ostrentner erfolgt nicht nach der Tabelle die für Westrentner gilt, sondern nach einer völlig neu geschaffenen Tabelle, mit der die Punkte pro Jahr und danach die Gesamtpunktzahl ermittelt werden. Diese neue Tabelle enthält für jedes einzelne Jahr eine Höchstgrenze, die "maximale Entgeltpunkte" genannt wird und die es bei Westrenten nicht gibt.

Wer also als Ostrentner in bestimmten Jahren mehr Punkte erreicht als die Grenze "maximale Entgeltpunkte" vorsieht, bei dem werden die Punkte, die diese Grenze überschreiten, ersatzlos gestrichen. Das bedeutet eine Rentenreduzierung bereits bei der Errechnung der Anzahl Gesamtentgeltpunkte, die sich bis zum Tode nicht verändert.

Bei mir wurde festgestellt, dass mir für eine Anzahl von Jahren mehr Entgeltpunkte zustanden, als die Tabelle für Ostrentner vorsah. Dabei spielte keine Rolle, dass ich auch viele Jahre die Grenze für "maximale Entgeltpunkte" nicht erreichte. Ich hatte die normale Grundrente auf der Basis meiner monatlichen Beiträge in den fast 47 Berufsjahren, die Intelligenzrente und die Freiwillige Zusatzrentenversicherung. Das war zeitweise zuviel und mir wurde ein Teil der Punkte und damit der Rente, lebenslänglich gestrichen.

Woran lag das? Mein "Fehler" war, dass ich die gesamte Zeit, trotz Anspruch auf die Grundrente und die Intelligenzrente, jeden Monat meine Freiwillige Zusatzrentenversicherung weiter gezahlt habe. Wäre mir zu DDR-Zeiten dieser Zusammenhang bekannt gewesen, hätte ich mir längere Zeit die monatlichen Beiträge für die Freiwillige Zusatzrentenversicherung sparen können.

Zur Errechnung der heutigen Rente wird, wie ich bereits erwähnte, die Gesamtsumme der Entgeltpunkte mit dem aktuellen Rentenwert multipliziert. Und schon haben die Ostrentner den nächsten Nachteil. Der aktuelle Rentenwert, der von der Bundesregierung meist jährlich neu festgelegt wird, ist für Westrentner ständig höher als der für Ostrentner (siehe meine spätere Tabelle).

Auffüllbeträge, ein spezifisches Problem

Nachteile haben teilweise auch Ostrentner die bereits am 1.1.1992 Rente erhielten oder bis zum 31.12.1995 nach DDR-Recht noch in Rente gehen konnten. Hier geht es um die sogenannten Auffüllbeträge. Folgendes wurde festgelegt: Damit nach der Umstellung die neue Rente nicht niedriger ist als früher die DDR-Rente, wurde die Differenz aufgefüllt. (Eine Ostfrau erhielt z.B. für die Erziehung ihrer Kinder drei mal mehr Geld als eine Westfrau.) Seit 1996 wird nun jede Rentenerhöhung mit dem Auffüllbetrag verrechnet, d.h. der Auffüllbetrag wird abgeschmolzen. Das Ergebnis ist, dass bei Rentenerhöhungen seit 1996 bei den betroffenen Ostrentnern die Rente über Jahre gleich blieb, während sie bei Westrentnern stieg.

 Das "Zubrot" zur normalen Rente

Bekannt ist, dass es noch andere Unterschiede zwischen Ost und West gibt. Beispiele:

- Vor der Wende hatten in beiden Teilen Deutschlands viele Rentner einen Anspruch auf Betriebsrente erworben. Diesen Anspruch gibt es für Rentner der früheren DDR nicht mehr. Deren Betriebe wurden, auch wenn sie modern ausgestattet waren und schwarze Zahlen schrieben, von der Treuhand abgewickelt. So gingen 85 Prozent des ostdeutschen Industrievermögens (inklusive Immobilien) in westdeutsche Hände, 10 Prozent an ausländische Interessenten und nur 5 Prozent verblieb in ostdeutschen Händen.

- Was bei früheren DDR-Betrieben, die weiter existierten, hinter den Kulissen geschah, schilderte die Sendung "Umschau" des MDR-Fernsehens am 11.06.2002. Den Beschäftigten der Reichsbahn der DDR stand eine Betriebsrente zu, sie bekamen jedoch keine obwohl die Mittel dafür vorhanden waren. Die Gelder für die Betriebsrenten der Ost-Bahner wurden für die Zahlung der Betriebsrenten der West-Bahner sowie für Pensionen von Westbeamten verwendet. Im Bundestag, der Anfang Juni 2002 über diese Ungerechtigkeit zu befinden hatte, wurde mit den Stimmen der CDU und SPD beschlossen, dass sich an dieser Verfahrensweise nichts ändert. (Zur Erinnerung: Betriebsrenten würden z.B. auch den Mitarbeitern der Post, der Chemiekombinate, der Stahlindustrie usw. zustehen.)

Vor der Wende gab es in Ost und West unterschiedliche Löhne, Renten und Preise

Bei einer Diskussion in den alten Bundesländern wurde mir vor einiger Zeit gesagt, was wollen Sie eigentlich. In der DDR haben alle wesentlich weniger Lohn und Rente erhalten als heute. Mein Gesprächspartner konnte aber auf die Frage, was damals bei uns in der DDR alles gekostet hat kaum Auskunft geben. Er wollte zuerst nicht glauben, dass z.B. ein Brötchen 5 Pfennig, sechs Straßenbahnfahrten zusammen nur 1,- Mark, ein Bier in der Gaststätte 48 Pfennig, ein Kindergartenplatz (einschl. Essen) im Monat 11,- Mark und die warme Miete für unsere Wohnung (60 qm) nur 55,-Mark kostete. Zugestimmt hat er mir aber sofort, dass man die Löhne und Renten immer in Relation zu den Preisen sehen muss.

Die Unterschiede in beiden Teilen Deutschlands erforderten deshalb nach der Vereinigung auch bei den Löhnen, Renten und Preisen eine Angleichung. Bei den Preisen erfolgten die Erhöhungen sofort nach der Wende. Notwendig war und ist es  20 Jahre später nun auch die immer noch unterschiedlichen Löhne und Renten anzugleichen.

Zu Falschmeldungen bestimmter Medien, dass Rentner im Osten besser gestellt sind als Rentner im Westen (z.B. Bild - Bundesausgabe - 14.7.2009)

In solchen Meldungen wird verschwiegen, dass für die Rentner, die in der DDR berufstätig waren, die gesetzliche Rentenversicherung die einzige Säule der Alterssicherung ist. Die Ansprüche auf Betriebsrente wurden ihnen nach der Wiedervereinigung sogar gestrichen.

Im Westen ist das grundlegend anders. Fast alle Führungskräfte der Wirtschaft, des Handels, der Banken und Institutionen aller Art sowie die Gewerbetreibenden, Freiberufler usw. haben ihren Lebensabend privat abgesichert und die gutverdienenden Beamten erhalten Pensionen (Kommunen, Kreise, Regierungspräsidien, Länder, Bund, Hochschulen, allgemein bildende Schulen, Post, Telekom, Bahn, Polizei, Justiz, Militär).

Im Westen erhalten also nur ein Teil der Senioren Rente und das sind überwiegend Personen, die nicht zu den Großverdienern gehörten. Aber auch bei vielen dieser Rentenempfänger wird zusätzlich eine Betriebsrente gezahlt, die allerdings bei offiziellen Erhebungen (z.B. bei dem Vergleich Westrente zu Ostrente) nicht mitgerechnet wird.   

Um Miete zu sparen hatten viele Westdeutsche Eigenheime bzw. Eigentumswohnungen erworben. Die Anzahl der Eigenheime in der DDR war vergleichsweise gering, Eigentumswohnungen gab es überhaupt nicht.

Weiter ist festzustellen, dass viele Rentner im Westen zusätzlich ständige Zinserträge und/oder Mieterträge haben, was im Osten nur vereinzelt der Fall ist.

"Vergessen" wird auch, dass die ostdeutschen Rentner oft mehr Arbeitsjahre aufzuweisen haben als die westdeutschen Rentner.

Bundesregierung vergrößerte zeitweise die Differenz West- zu Ostrenten

Nach der Wende verringerte sich die Differenz zwischen Ost- und Westrenten. Diese Entwicklung wurde dann aber gestoppt.

Wie ich feststellen musste, wurde bei den Rentenanpassungen in den zwei letzten Jahren vor Einführung des Euro (1.7.2000 und 1.7.2001) die Differenz zwischen West- u. Ostrenten je Entgeltpunkt wieder vergrößert und zwar von 6,28 DM auf 6,36 DM. Diese negative Entwicklung für die Ostrentner setzte sich auch nach Einführung des Euro fort.

Rentenerhöhungen nach Einführung des Euro

Jahre

Erhöhung Rente West
%

Erhöhung Rente Ost
%

Euro je Entgeltpunkt
West

Euro je
Entgeltpunkt
Ost

Differenz zwischen Westrenten und Ostrentnen

2002

2,16

2,89

25,86

22,70

3,16 €

2003

1,04

1,19

26,13

22,97

3,16 €

2004

keine

keine

2005

keine

keine

2006

keine

keine

2007

0,54

0,54

26,27

23,09

3,18 €

2008

1,10

1,10

26,56

23,34

3,22 €

Unter dem Aspekt der bevorstehenden Wahlen im Jahr 2009 und nach vielen Protesten der Rentner, wurden die Renten dann 2009 stärker erhöht als bisher, wobei sich auch die Differenz zwischen Ost und West etwas verringerte.

2009

2,41

3,38

27,20

24,13

3,07 €

Zur Angleichung der Rente Ost an die Rente West

Aus meinen Erfahrungen ergeben sich folgende Erfordernisse:


  • Der aktuelle Rentenwert (Betrag je Entgeltpunkt) muss in West und Ost gleich sein.
  • die Hochwertung der Einkommen bei der Ost-Rentenberechnung ist beizubehalten. Hierdurch werden die historischen Unterschiede bei den Löhnen und Preisen ausgeglichen (Beseitigung der Unterschiede West-Ost, die nichts mit der Arbeitsleistung zu tun haben).

Zitat aus dem

Vertrag
zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Deutschen Demokratischen Republik
über die Herstellung der Einheit Deutschlands
- Einigungsvertrag - vom 6. September 1990

Artikel 30 Arbeit und Soziales (5)

"Im übrigen soll die Ãœberleitung von der Zielstellung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter in dem in Artikel 3 genannten Gebiet an diejenigen in den übrigen Ländern auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen."



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