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Universität Leipzig

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Auf dem Weg zu einer Wohnung

Ein Bericht von Udo Kruse, Leipzig

Wenn ich innerhalb der DDR meinen Wohnsitz wechseln wollte, ob aus beruflichen oder persönlichen Gründen, hatte ich mich an die damaligen Vorschriften zu halten. Diese mussten, wie ich bemerkte, von richtigen Bürokraten geschaffen worden sein.

Meine praktischen Erfahrungen machte ich im Jahr 1964 als ich Leipzig als meinen Hauptwohnsitz auswählte. Ich benötigte dafür eine Zuzugsgenehmigung vom Rat der Stadt. Voraussetzung dafür war ein Arbeitsvertrag. Diesen bekam ich aber erst, wenn ich dem Betrieb in welchem ich tätig sein wollte eine Wohnung, dokumentiert in meinem Personalausweis, nachweisen konnte. Für den Eintrag von der polizeilichen Meldestelle war aber die Vorlage eines Arbeitsvertrages notwendig - ein Teufelskreis -. Ich umging diese Vorschriften, indem ich mich „schwarz“ bei einer mir bekannten Familie einquartierte. Der Meldestelle legte ich dann ein kurzes Schreiben vor, in welchem diese Familie mir bestätigte, mich als Untermieter bei sich aufgenommen zu haben.
So bekam ich meinen Wohnsitzeintrag sowie ein Merkblatt mit dem Vermerk, mit einer Geldbuße wegen „Schwarzzuzuges“ rechnen zu müssen. Eine Sanktion ist aber nicht erfolgt.

Betriebe, die im Volkswirtschaftsplan als wichtig eingestuft waren, hatten die Möglichkeit, dringend benötigte Arbeitskräfte (Spezialisten) bei der Zuzugsprozedur zu unterstützen, was bei mir aber nicht der Fall war.

Eine Erleichterung hatte ich bei meinen Bemühungen um eigenen Wohnraum in Leipzig - ich konnte der mir hilfsbereiten Familie ja nicht ewig zur Last fallen - weil ich gesellschaftliche Tätigkeiten in Form von „Aufbaustunden an gesellschaftlichen Objekten“ wie Wohnungsbaustellen oder Industriebaustellen in freiwilliger und unbezahlter Form verrichtete. Für jede geleistete Stunde bekam ich einen Talon (wie Konsummarke) in ein kleines Nachweisheft eingeklebt. Dieses Heft legte ich bei den für die Wohnraumvergabe verantwortlichen Stellen vor und beharrte auf eine entsprechende Gegenleistung in Form von Entgegenkommen, was dann letztendlich auch klappte.

Als Einzelperson stand mir lediglich ein Einzelzimmer zu und so wurde ich Untermieter in einer 3-Zimmerwohnung mit Küchen- und Toilettenbenutzung. Man musste sich eben arrangieren und auch aufeinander Rücksicht nehmen. Das Zimmer war etwa 16 m2 groß, hatte ein Bett, 1 Kleiderschrank, Kommode, Tisch und zwei Stühle sowie einen „Berliner Kachelofen“ mit einer Heißluftkammer, in welcher man Essen aufwärmen oder Getränke warm halten konnte. Für die Briketts zum Heizen desselben, durfte ich eine Kiste im Keller meiner Vermieter aufstellen.

In den 60er-Jahren verbesserten sich die Wohnmöglichkeiten, als die Volkseigenen Betriebe a) eigene Wohnbauten für ihre Angehörigen errichteten und
b) in den 50er- Jahren, als die Arbeiter - Wohnungsbaugesellschaften getrennt nach Industriezweigen gegründet wurden.
Nach wie vor gab es einen Verteilerschlüssel über die qm2 Wohnfläche pro Person.
In den Betrieben wie in den Genossenschaften waren Kommissionen tätig, die über die Vergabe an die Antragsteller entschieden. Bei den Genossenschaften hatte man sich mit Eigenanteilen in Geld und mit „Aufbaustunden“ nach erfolgter Aufnahme (über Wartelisten) einzubringen.

Es gab natürlich auch noch die Möglichkeit sich über die Wohnraumlenkungskommission im jeweiligen Stadtteil beim Rat der Stadt zu bemühen.
In meinem VEB (Volkseigener Betrieb) gab es auch eine Wohnungskommission bei welcher ich auf der Warteliste für eine 2 - Zimmerwohnung stand, denn ich hatte geheiratet und konnte diesen Vorgang mit der Heiratsurkunde belegen. Auf dieser Warteliste hatte ich die Nummer 68 und bei etwas Glück konnte ich kontinuierlich nach oben auf der Liste kommen. Da nun eintrat was kommen sollte, wir erwarteten ein Kind, änderte sich an unserer Wohnungssituation erstmal nichts, denn erst mit zwei Kindern konnte ich eine 3-Raumwohnung in beantragen. Allerdings bekam meine Nummer eine Dringlichkeitsstufe da ich (ohne Genehmigung) mit bei meinen Schwiegereltern in der nunmehr, durch das Kind und meinen Umzug zu ihnen, total überbelegten Wohnung lebte und mein bisheriges Zimmer dem Wohnungsamt zurückgab.
Mit dem sprichwörtlichen Quäntchen Glück bezogen wir 1976 eine 3-Zimmerwohnung
in welcher wir in immerwährender Kontinuität unsere Lebens- und Wohnbedingungen so verbesserten, dass wir fast 25 Jahre glücklich lebten.

Wie die Einkommen in der DDR waren auch die Preise für die Waren des täglichen Bedarfs, somit auch die Mieten staatlich festgelegt.
Die 3-Raum Altbauwohnung (1905) bestand aus Küche; Bad; Korridor, ges 77,50 m2 sowie Bodenkammer und Kellerraum. Alle Zimmer waren mit Kohleöfen ausgestattet und der Mietpreis betrug unveränderlich 53,25 Mark. In diesem Mietpreis waren außer Strom, Gas und Kohle alle übrigen Nebenkosten enthalten. Diese Miete entsprach etwa 5,0% unseres Nettoeinkommens.

Bei evtl. durchgeführten „Modernisierungen“ welche zu Lasten des Vermieters gingen, erhöhte sich der Mietpreis kaum nennenswert. Durch die in Eigeninitiative von uns eingebrachte Gas-Außenwandheizung mit Gas-Durchlauferhitzer für Bad und Küche sowie Nutzung der Gemeinschaftsantenne, diese Einrichtungen wurden von der Gebäudewirtschaft finanziert, erhöhte sich unser Mietpreis bis zur Wiedervereinigung auf 59,85 Mark der DDR.
Ab 19.08.1991 wurden dann 244,52 DM, ohne Heizungs- und Warmwasserkosten fällig, bei steigender Tendenz.
Welch neues Lebensgefühl bei ständig steigenden Kosten (Angleichung an das Westniveau),
geringerem Verdienst und Aussicht auf Arbeitslosigkeit.

Geschuldet den Errungenschaften der „Wiedervereinigung“ auf dem juristischem Schlachtfeld (das Haus wechselte 3 x die Eigentümer und jedes Mal wurden die Mietkosten ohne adäquaten Gegenwert erhöht) sind wir gezwungener Maßen umgezogen und nun gespannt wie sich die Wohn- und Lebensbedingungen für uns entwickeln werden.

Rückblickend stelle ich fest, dass bei allen Schwierigkeiten und Ungereimtheiten in Politik, Wirtschaft und im gesellschaftlichem Leben und großer Unzufriedenheit mit den vielen Engpässen auf allen Gebieten des täglichen Lebens, es Anliegen der DDR war, die Grundbedürfnisse der Menschen abzusichern und keine staatlich organisierte Armut (wie sie heute vielerorts anzutreffen ist) aufkommen zu lassen. Obdachlose gab es nicht.



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