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Leipziger Fußball
Zur Situation des Umfeldes in früheren Zeiten

Ein Bericht von Dr. Rolf Beyer, Leipzig

Fällt das Wort Fußball, geht es in der Regel um das aktuelle Spielgeschehen. Nicht uninteressant ist aber auch das Umfeld, vor allem wenn es sich um frühere Zeiten und auch um Kurioses handelt. Über einiges was ich als Spieler ab 1955, danach als Funktionär und zugleich Berichterstatter der LVZ des Vereins Rotation Leipzig 1950 erlebte, wird nachstehend berichtet.

 
Die Fahrten zu den Auswärtsspielen

Zu DDR-Zeiten besaßen fast nur Mannschaften der Oberliga (höchste Spielklasse) eigene Busse. Private PKW, die man heute für Sportfahrten oft nutzt, waren lange Zeit kaum vorhanden. So gab es in der Regel zwei Möglichkeiten um von Leipzig zum Spielort zu gelangen.

* Man fuhr mit dem Zug – die billigste und deshalb meist gewählte Variante.

* Man mietete sich einen Bus – das war jedoch sehr teuer.

Die Fahrtkosten mit der Bahn waren damals kaum der Rede wert. Ein Kilometer kostete normal 8 Pfennig. Für Sportfahrten erhielten die Vereine sogar noch Ermäßigung. Für einen Sportler bezahlte man für einen Kilometer 2 Pfenning. So betrug z.B. der Fahrpreis für die rund 100 km von Leipzig nach Magdeburg etwa 2,- Mark. Benutzte man bei langen Fahrten einen Eilzug musste man 1,50 Mark und bei einem D-Zug 3,oo Mark Zuschlag zahlen.   

In der DDR wurde bis 1966 am Sonnabend gearbeitet und deshalb immer am Sonntag gespielt. Das hatte große Nachteile für uns Sportler. Verkehrten die Züge an Wochentagen schon nur in größeren Abständen, kam am Sonntag noch hinzu, dass bestimmte Züge, vor allem die dem Berufsverkehr dienten, nicht fuhren. Deshalb entstanden am Spielort vor und nach dem Spiel oft sehr lange Wartezeiten.

Auswechslungen im Spiel

Was bis 1968 als normal galt, wird heute berechtigt für unsinnig bezeichnet. Bis zu diesem Zeitpunkt durfte im Männerbereich während eines Spiels nicht ausgewechselt werden. Wurde ein Spieler verletzt „ohne das ein Bein fehlte“ musste er weiterspielen. Üblich war, dass er sich im Sturm auf der linken oder rechten Seite aufhielt um so einen Abwehrspieler zu binden.
Ab 1968 durften dann in jedem Spiel 2 Spieler ausgewechselt werden. Diese Zahl wurde im Männerbereich ab 1995 auf 3 erhöht (im Jugend- und Seniorenbereich gelten andere Festlegungen). 

Wir nehmen einen „Hund“

War es nach einem Spiel oder Training sehr spät geworden, hatte man in Leipzig Probleme mit der Heimfahrt. Da nur wenige Taxen unterwegs waren und die Straßenbahnen in der Nacht nur in sehr großen Abständen fuhren, nahm man – wenn möglich - einen „Hund“. Was war das? Es waren die Kehrwagen der Stadtreinigung – zuständig für die Sauberhaltung der Straßen -, die für 5,- Mark schnell mal eine „Taxifahrt“ zwischenschoben und – aus welchen Gründen auch immer – „Hund“ genannt wurden.  In der Fahrerkabine konnten zusätzlich zum Fahrer 2 Personen sitzen. Das Motto war, besser schlecht gefahren als gut gelaufen. Einige Jahre später war es mit den Nebenverdiensten für die Mitarbeiter der Stadtreinigung vorbei, da dann die Zeit der Schwarztaxen anbrach.  Private Besitzer von PKW fuhren – ohne Genehmigung - in der Nacht Taxe und verdienten sich so einiges dazu.

Übermittlung von Spielberichten an die Leipziger Volkszeitung

Nach Ende unseres Spiels musste ich einen Bericht – mal größer mal kleiner - an die LVZ und auch an andere Zeitungen durchgeben. Damals gab es aber außer einem Telefon auf dem Sportplatz keine Möglichkeit zur Informationsübermittlung. Das Fax, das Handy und das Internet mit der Möglichkeit ein Mail zu schicken, wurden erst wesentlich später erfunden.

In der Sportredaktion der LVZ – wie auch in den Redaktionen der anderen Zeitungen - saßen Sekretärinnen, die die Berichte aufnahmen und schrieben. Und das war oft nicht einfach. Mann musste meist mehrmals anrufen um eine freie Leitung zu bekommen. Hatte man endlich eine Verbindung ging es meist flott, da die Damen mit dem „Fußballdeutsch“ vertraut waren und auch über Listen der Leipziger Mannschaften mit der Schreibweise der Namen der Spieler verfügten.

War aber beim Gegner ein Spieler mit schwer aussprechbaren Namen dabei und gab es beim buchstabieren Hörfehler weil man eine Telefonleitung mit schlechter Verständigung erwischt hatte – was damals keine Seltenheit war - wurden die sonst sehr freundlichen Damen auch schon einmal ungehalten, da die nächsten Anrufer warteten und der Redaktionsschluss das Tempo ihrer Arbeit bestimmte.

Der Leipziger Stadtfunk

Bis zur Wende verfügte Leipzig als eine von wenigen Städten über einen Stadtfunk. Von einer Sprecherkabine im Rathaus wurden die Bürger in zeitlichen Abständen über Tonsäulen, die an vielen Stellen der Innenstadt standen, aktuell über Wissenswertes informiert. Der Chef des Stadtfunks war ein begeisterter Fußballanhänger. So war es natürlich, dass die Besucher der Innenstadt auch über das Geschehen rund ums runde Leder vieles Neue sehr schnell erfuhren. 

Leipziger Sportler trafen sich im Wartesaal des Hauptbahnhofs

In der Zeit bis 1966, als noch am Sonntag gespielt wurde,  hatte sich folgendes entwickelt: Die Mannschaften und Schiedsrichter die von ihren Spielen mit dem Zug nach Leipzig zurückkehrten, gingen als erstes in den mittleren Wartesaal des Hauptbahnhofs. Dort hatten die Mitarbeiter der Mitropa jeden Sonntag für die Schiedsrichter einen Tisch und daneben für die Mannschaften eine längere Tafel reserviert.

Dort traf man sich, trank ein Bier zusammen und tauschte bei den Gesprächen mit den Spielern anderer Vereine noch nicht bekannte Ergebnisse sowie Neuigkeiten aus. Auch von den Schiedsrichtern erfuhr man manches Interessante über die Mannschaften, die diese gepfiffen hatten.

So entstand damals zwischen den Sportlern verschiedener Leipziger Vereine auch eine Harmonie, wie man sie später nie wieder erlebte.

Da sich der „Treffpunkt Wartesaal“ herumgesprochen hatte, setzten sich auch manchmal Schiris und Mannschaften anderer Orte zu uns, die in Leipzig umsteigen mussten und bis zur Weiterfahrt noch Zeit hatten.

In der Druckerei der Leipziger Volkszeitung wurden damals auch alle anderen Leipziger Zeitungen gedruckt. Die LVZ selbst als letzte um im Interesse einer hohen Aktualität einen späten Redaktionsschluss zu haben. Als erste Zeitung wurden die „Mitteldeutschen Neusten Nachrichten“ fertig. Ein Verkäufer brachte die ersten Exemplare zum Hauptbahnhof und begann etwa 22.oo Uhr mit dem Verkauf bei uns im Wartesaal. Wir nahmen jeder eine und traten dann meist den Heimweg an, da wir am nächsten Tag ja arbeiten mussten.
In der Straßenbahn  wurde dann „sorgsam studiert“. Obwohl die Zeitung fast nur Ergebnisse und Tabellen, aber keine Berichte enthielt, waren wir stolz so gut informiert zu sein.

Heute hat man die Möglichkeit weltweit alles live mitzuerleben. Welch eine technische Entwicklung in nur einigen Jahrzehnten!

 




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