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Die Spaltung Berlins nach dem Krieg und die Folgen
- aus der Sicht eines Ostberliners -

Ein Bericht von Dr. Rolf Beyer, Leipzig

Nach Beendigung des Krieges im Jahr 1945 wurde Berlin entsprechend einer Vereinbarung der Alliierten in 4 Sektoren aufgeteilt. In je einem Sektor hatten die USA, England, Frankreich und die UdSSR die Verwaltungshoheit. Da sich die USA, England und Frankreich dann einigten, ihre Sektoren zusammenzulegen, gab es nur noch Ost- und Westberlin. 

So standen sich in der Hauptstadt Deutschlands die Großmächte aus Ost und West – deren Differenzen immer größer wurden - hautnah gegenüber. Berlin entwickelte sich zum Mittelpunkt des Kalten Krieges. Die Trennungslinie bildete eine Sektorengrenze, die zu Beginn nur auf dem Papier stand und später zu einer hohen Mauer mit Stacheldraht wurde.

Die Großmächte versuchten, die Bedingungen in und um Berlin ständig zu ihren Gunsten zu verändern. Durch die damit verbundenen Aktivitäten wurde die Trennung von Ostberlin und Westberlin zu einem Prozess, der sich ständig vertiefte.
So kam es 1948 zur Spaltung von Berlin. Genannt sei vor allem:
- Ab 1948 gab es einen Magistrat für Ostberlin und einen Magistrat für Westberlin.
- Als Zahlungsmittel wurde 1948 in Westberlin die Westmark und etwas später in Ostberlin    die Ostmark eingeführt.

Von den Siegermächten war festgelegt worden, dass Deutschland Reparationen zahlen muss. Jede Besatzungsmacht nutzte dafür die eigene Zone. Im Westen wurde davon nur wenig  Gebrauch gemacht. Die UdSSR, auf deren Territorium der Krieg lange tobte und die riesige Verluste hatte, demontierte über 2000 Betriebe und transportierte diese ab. Im Ergebnis wurden von den Reparationen Gesamtdeutschlands etwa 98 % von Ostdeutschland und Ostberlin sowie etwa 2 % von Westdeutschland bezahlt (nach Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen).     

In Amerika gab es damals eine Überproduktion (dort war im Krieg nicht eine einzige Bombe gefallen), für die ein Absatzmarkt benötigt wurde. Mit Hilfe des Marshallplanes wurden Gelder bereitgestellt, wodurch ab 1948 viele Waren nach Westberlin gelangten. Damit verbunden war die Gestaltung Westberlins als Schaufenster gegenüber dem Osten.

Die Berliner Bevölkerung wohnte, durch die langjährige Bombardierung während des Krieges und dann die Kämpfe um Berlin in einer Stadt, die einer Trümmerlandschaft glich und die sie neu aufbauen musste. Als Beispiel sei genannt, dass 600.000 Wohnungen zerstört waren.

Deshalb freuten sich die Menschen über alles, was sich positiv veränderte und nutzten auch alle Möglichkeiten, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern.

So wie ich es erlebte, machte sich kaum jemand Gedanken über die politischen Zusammenhänge und Veränderungen. Die allgemeine Meinung war, alle wichtigen Entscheidungen werden von den Amis und den Russen getroffen, wir können sowieso nichts ändern. Diese werden aber irgendwann abziehen. So war das damals.

Wie sich zeigte, waren von der Spaltung in ständig zunehmendem Maße alle Bereiche des Lebens und somit auch jeder einzelne Berliner betroffen. Nachstehend wird versucht, die Vielfältigkeit der Auswirkungen deutlich zu machen. 

Mich persönlich interessierte damals nur Fußball und später dann mein Beruf. Den Alltag in Berlin erlebte ich so.  

 

Familie

Unsere Familie wurde nach dem Krieg auseinander dividiert, ohne dass uns das anfangs richtig zum Bewusstsein kam. Nachdem Berlin durch die Besatzungsmächte in Sektoren aufgeteilt wurde, waren wir plötzlich Ostberliner und unsere Verwandten Westberliner.

Besuchten wir uns, wurden z.B. nie Blumen mitgebracht, sondern immer etwas zum Essen, Anziehen usw. was es auf der anderen Seite nicht gab oder dort teurer war.

Als ich noch klein war, verunglückte mein Vater bei der Arbeit tödlich. Sein Grab befand sich auf dem Friedhof an der Seestraße (Wedding/Westberlin). Besuchten wir früher das Grab, kauften wir die Blumen an einem Stand vor dem Friedhof. Nach der Währungsumstellung mussten wir diese aus dem Osten mitnehmen um nicht in Westmark – oder in Ostmark zu einem hohen Umtauschkurs - zahlen zu müssen.

Nachdem noch einige weitere Zeit vergangen war, wurden wir aufgefordert, die Friedhofsgebühren mit Westgeld zu bezahlen. Begründung: Die Löhne der Beschäftigten, das Wasser usw. können auch nur in Westmark beglichen werden. Da wir kein Westgeld verdienten und deshalb der Forderung nicht zustimmten und weiter mit Ostmark bezahlen wollten, wurde das Grab nach einiger Zeit eingeebnet.

 

Arbeiten im Westen, wohnen im Osten

Westberliner, die im Osten arbeiteten, wechselten ab 1948 meist in den Westsektor, da sie im Osten kein Westgeld verdienen konnten. Es gab aber nicht wenige Ostler, die in Westberlin  arbeiteten bzw. dort neu anfingen, weil sie so finanzielle Vorteile hatten. Sie erhielten ihren Lohn – je nach Qualifikation – zwischen 50 % in West und 50 % in Ost bis zu vollen 100 % in West.

In unserem Haus wohnte ein hochqualifizierter Techniker, der in Westberlin arbeitete und dort gutes Geld verdiente. Ihm war von seinem Betrieb mehrmals angeboten worden, mit seiner Frau eine Wohnung in Westberlin zu nehmen. Darauf verzichtete er aber, da im Osten die Miete sowie viele Lebensmittel sehr billig waren. Und was es in Ostberlin nicht gab, brachte er aus Westberlin mit.
So gingen – durch den Reiz des Westgeldes – den Betrieben in Ostberlin sehr viele qualifizierte Arbeitskräfte verloren. Aber nicht nur diese.
In Ostberlin wurden auch die Reinigungskräfte knapp. Viele wechselten nach Westberlin, um dort zu putzen. Üblich war bei nicht wenigen, dass sie Bestellungen von ihren Kollegen aufnahmen und für diese früh Brötchen, Brot usw. billig in Ostberlin einkauften. Das brachte noch einen kleinen Nebenverdienst. Natürlich kauften sie auch die für ihre Arbeit benötigten Reinigungsmittel in Ostberlin.  

 

Geldumtausch

In Westberlin konnte man fast überall mit Ostgeld bezahlen. Es gab aber auch viele private Wechselstuben, in denen man Ostgeld gegen Westgeld oder umgedreht tauschen konnte. Der Umtauschsatz schwankte damals meist zwischen 1:3 und 1:4. Offiziell wurde gesagt, dass der Wechselkurs von Angebot und Nachfrage abhängig ist. Richtig ist aber, dass es nur ein Ziel gab, viel Gewinn für die Wechselstubenbesitzer.

Einkaufen am Gesundbrunnen

Der Gesundbrunnen  hatte sich als ein Einkaufszentrum für Ostberliner entwickelt. Hierfür gab es vor allem zwei Gründe. Die direkte Nachbarschaft zum Ostsektor und die gute Erreichbarkeit mit der S-Bahn. Gesundbrunnen gehörte zum Berliner S-Bahn-Ring mit seinen 27 Bahnhöfen, außerdem hielten hier alle S-Bahnen, die aus Richtung Bernau und Oranienburg zur Innenstadt fuhren und umgekehrt. So war er auch ein wichtiger Umsteigebahnhof, den ich z.B. mehrere Jahre täglich nutzte, um vom Prenzlauer Berg zum Potsdamer Platz bzw. Friedrichstraße zu meiner Arbeitsstelle zu kommen. Da ich eine Monatskarte hatte, machte ich bei der Rückfahrt dort auch öfter einmal einen Zwischenstopp.

Vor dem S-Bahnhof Gesundbrunnen verläuft die Badstraße, die das Verkaufszentrum bildete. Hier hatten ab 1948 sehr viele Geschäfte neu aufgemacht. Die Angebote waren überall auf die Ostberliner zugeschnitten. (Nach dem Mauerbau 1961 sollen die meisten Geschäfte am Gesundbrunnen schlagartig pleite gegangen sein.)

Zu Beginn waren die Renner beim Kauf vor allem Bücklinge (die oft kistenweise mitgenommen wurden), Dorschleber in Büchsen, Schokolade usw. Aber auch Läden mit Kleidung machten gute Umsätze. Die Bezahlung erfolgte fast ausschließlich in Ostmark. Das Kaufverhalten veränderte sich im Laufe der Zeit entsprechend den sich veränderten Angeboten und Bedürfnissen.

Neben dem S-Bahnhof Gesundbrunnen gab es ein großes Kino, in dem immer die neuesten Filme gezeigt wurden. Hier erhielten Ostberliner ermäßigte Eintrittskarten und die Bezahlung war auch hier in Ostmark möglich.

 

Verkehr

Verkehrsmäßig war Berlin bis zum Mauerbau 1961 fast eine Einheit. Man konnte beliebig mit der S-Bahn, U-Bahn oder Straßenbahn hin und herfahren. Bei der S-Bahn ist mir in Erinnerung, dass irgendwann folgendes eingeführt wurde: Bei einer Fahrt von Ost nach West, erfolgte auf dem letzten Ostbahnhof sinngemäß folgende Lautsprecherdurchsage „Letzter Bahnhof im demokratischen Sektor“. Außerdem wurden dort von der Polizei Stichproben gemacht, damit keine verbotenen Waren mitgenommen wurden. Während der Fahrt war dann nicht zu bemerken, dass man die Sektorengrenze passierte.

Aufpassen musste man ab einem bestimmten Zeitpunkt mit den Fahrscheinen. Fuhr man als Ostler in den Westsektor, war es notwendig, eine Rückfahrkarte zu lösen, da in Westberlin die Fahrkarten mit Westgeld zu bezahlen waren.

Grundlegende Veränderungen waren damals beim Fernverkehr durchgeführt worden. Diesen hatte man – außer den Transitverkehr nach Westdeutschland – aus Westberlin herausgenommen und um Westberlin herum geführt. Fuhr ein Zug z.B. früher von Berlin nach Leipzig, war der Abfahrtsbahnhof meist Bahnhof Zoo, von wo es über Wannsee aus Berlin heraus ging. 
Nach den Veränderungen fuhren die Züge vom Ostbahnhof bzw. von Lichtenberg nach Schönefeld und von dort um Westberlin herum auf die bisherige Strecke. Im Ergebnis verlängerten sich die Fahrzeiten erheblich.

In Ostdeutschland hatten sich die Fahrzeiten aber auch durch die Reparationszahlungen an die UdSSR verlängert. In der UdSSR waren im Krieg viele Eisenbahngleise zerstört worden. Deshalb wurden in Ostdeutschland Gleise abgebaut und mitgenommen, wodurch zahlreiche Strecken nur eingleisig waren. So konnten die Züge immer nur in eine Richtung fahren. War die Strecke dann frei, ging es in die andere Richtung. So entstanden für uns Reisende öfter Wartezeiten. Nach meinen Erinnerungen waren die Strecken etwa ab Mitte der fünfziger Jahre wieder zweigleisig befahrbar.

Westberliner konnten sich im Ostteil der Stadt beliebig bewegen. Ab Anfang 1952 durften sie aber nur noch mit Einreisegenehmigung in die DDR fahren. Deshalb wurden an der Stadtgrenze rings um Berlin Kontrollen der Personalausweise eingeführt. Dadurch mussten auch wir, wenn wir mit dem Zug Berlin verließen, in Schönefeld den Personalausweis vorzeigen.  

In Westberlin standen die Deutsche Reichsbahn und die S-Bahn bis 1984 – trotz Mauerbau am 13.08.1961 - unter DDR-Verwaltung. Deshalb hatte die DDR-Transportpolizei in Westberlin auch Hoheitsrecht auf  dem Reichsbahngelände. Hierdurch entstanden immer wieder Probleme sowie politische Auseinandersetzungen.

 

Rundfunk

Der Ostberliner Sender „Berliner Rundfunk“ sendete nach Kriegsende bis 1952 aus dem Haus des Rundfunks, das in Westberlin in der Masurenallee stand. Im Jahr 1952 erfolgte der Umzug ins Funkhaus Nalepastraße in Oberschöneweide (Ostberlin).

Aus der Masurenallee sendete dann ab 1956  der  Westberliner „Sender Freies Berlin“.  Der Westberliner Sender „RIAS“ (Rundfunk im amerikanischen Sektor) wurde durch die Amerikaner gegründet. Der Sitz dieser Rundfunkanstalt befand sich in der Kufstein Str. in Schöneberg (Westberlin).

Da es damals noch kein Fernsehen gab, war der Rundfunk die beste Möglichkeit, um sich schnell zu informieren. Da aber sowohl der Berliner Rundfunk als auch der RIAS nur sehr einseitig berichteten ist mir in Erinnerung, dass es bei vielen Menschen - um sich möglichst ein Gesamtbild zu verschaffen - üblich war, sich täglich einmal die Nachrichten beider Sender anzuhören.

 




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