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Alma Mater Lipsiensis
Universität Leipzig

Arbeitsgruppe Zeitzeugen
der Seniorenakademie

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Rückblick auf viele Jahre Lehrertätigkeit für Ausländer

Ein Bericht von Ingeburg Faust, Leipzig

Die Erinnerungen an meine Lehrertätigkeit, es waren fast 40 Jahre, habe ich in einem früheren Zeitzeugenbericht bereits festgehalten. Der Inhalt eines weiteren Berichts beschäftigte sich mit der Zeit, in der ich Ausländer in Deutsch unterrichtete. Die Lehrlinge wurden hier in Leipzig in unterschiedlichen Berufen des graphischen Gewerbes ausgebildet, schlossen mit dem Facharbeiterbrief ab und kehrten dann in ihr Heimatland zurück. Die Zahl der Jugendlichen, meist um die 20 Jahre alt, war groß.

Ich unterrichtete in der Betriebsberufsschule „Otto Grotewohl“, die zum graphischen Großbetrieb Interdruck gehörte (die Schule untersteht heute wieder der Stadt Leipzig und trägt den früheren Namen Gutenbergschule). Gleiche Berufsschulen des graphischen Gewerbes gab es in der DDR auch in Berlin, Dresden, Pößneck und Rostock, die auch alle junge Ausländer unterrichteten und zu Facharbeitern ausbildeten. Mit ihnen standen wir in Verbindung, tauschten Erfahrungen aus, feierten bestimmte Feste gemeinsam – z.B. das Neujahrsfest der Vietnamesen im Februar - und führten auch gemeinsame Ferienlager durch, so in Münderhofe bei Straußberg, in Müncheberg und an verschiedenen anderen Orten auf der Ostseeinsel Usedom.

Hier will ich nur über unsere Ausbildung in Leipzig berichten. Die ersten Ausländer beiderlei Geschlechts kamen aus Griechenland (etwa 1954) und erlernten u.a. die Berufe Drucker, Offsetdrucker und Retuscheur. Wenige Jahre später – und dann ständig bis zur Wende 1989 – kamen junge Leute, wieder männlich und weiblich, aus Nordkorea. Diese mussten noch die lateinische Schrift erlernen. Weiter kamen Lehrlinge aus Vietnam, Indien, Kambodscha, von der Insel Mauritius, aus fast allen Ländern Afrikas und aus Mittel- und Südamerika. Immer bestand die Zahl der Auszubildenden aus 15 – 20 Personen, also eine Klassenstärke. In den 70er und 80er Jahren unterrichtete ich ständig in zwei bis drei Klassen. Alle erhielten zunächst ein halbes Jahr Deutsch, dann begann die dreijährige Berufsausbildung. Einige Abschlussaufsätze besitze ich noch heute und bewundere die erworbenen Deutschkenntnisse.

Brief1
Brief2
Brief3

In den letzten 15 Jahren, bis zu meinem Ausscheiden aus dem Lehrerberuf aus Altersgründen (1986), unterrichtete ich vorwiegend Ausländer (es waren nur wenige deutsche Lehrlinge dabei) in Deutsch und Literatur. Erwähnen möchte ich auch die von mir geleiteten Lehrgänge am Herderinstitut über die Methode „Deutsch für Ausländer“. Als Literatur verfügten wir  über das Lehrbuch „Grunddeutsch für Ausländer“ das wir jedem Lehrling zur Verfügung stellten.

Ich besuchte die Ausländer aber auch nachmittags oder abends in ihren Wohnheimen, wenn z.B. Lehrlinge krank waren, wenn Prüfungen vorbereitet werden mussten oder sie ihre Feste feierten. Auch lud ich gern die ausländischen Freunde zu mir nach Hause ein. So hatte ich immer einen angenehmen Kontakt zu allen.

Die direkte Politik der DDR spielte kaum eine Rolle. Fast alle Ausländer kamen aus den weiten Gebieten ihres Landes und auch aus den Bergen, oft weit entfernt von den Städten. Sie waren erstaunt über die Toiletten mit Wasserspülung, über die vielen Gleise der Eisenbahn usw. Sie bewunderten die Technik sowohl im Alltag als auch in den Betrieben, und machten sich gern mit dieser vertraut.

Das Gästebuch der BBS (Betriebsberufsschule) „Otto Grotewohl“ enthält von den Vertretern der verschiedenen Ländern viele lobenswerte Beurteilungen über unsere sehr gute Lehrlingsausbildung.

Aber auch Vertreter Dänemarks, der Schweiz, Frankreich, Österreichs, Chinas und Japans anerkannten bei Besuchen in Leipzig die bei uns erfolgte Berufsausbildung.

Erwähnen möchte ich noch, dass nach der Wende Bundespräsident Herzog in Hanoi war. Er und seine Mitarbeiter waren erstaunt über das gute Deutsch, das viele Vietnamesen beherrschten. Die dortige Regierung hat nun ein Goetheinstitut. Es wurde ihnen genehmigt.



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