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Die Leipziger Messe – Erlebnisse und Arbeitsplatz

Ein Bericht von Regina Matthees, Leipzig


Die Leipziger Messe feiert im Jahre 2015 ihr 850-jähriges Bestehen

Während der vergangenen Jahrhunderte hat sich zwischen der Leipziger Bevölkerung und der Messe ein sehr enges Verhältnis herausgebildet. Die Messe zählt mit ihrer 850-jährigen Geschichte zu den ältesten Handelsplätzen Europas. Gleichzeitig ist sie die jüngste und - mit Blick auf das Veranstaltungsprofil - innovativste unter den Top Ten der Deutschen Messegesellschaften.

Seit 1996 verfügt das neue Messegelände mit der spektakulären Glashalle als Wahrzeichen über 100.000 Quadratmeter Hallen- und 70.000 Quadratmeter Freifläche. Die Kombination mit dem dazugehörigen Congress Centrum verleiht dem Areal höchste Flexibilität für Veranstaltungen jeglicher Art und Größe. Jährlich finden etwa 40 Messen, 100 Kongresse, zahlreiche Business Veranstaltungen und Events statt, darunter Weltleitmessen und internationale Fachkongresse, Gastmessen, Freizeitschauen, Shows und Firmenevents, die rund 10.800 Aussteller und 1,4 Millionen Besuchern aus aller Welt anziehen.

Der Leipziger sagt, dass ist "unsere" Messe. Da ich Leipzigerin bin, ist das von Kindesbeinen auch für mich eine Selbstverständlichkeit. Mein erster persönlicher Kontakt als Kind zur Messe war aber sehr traurig. Im zweiten Weltkrieg, vor allem beim Luftangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943, wurde ein Großteil der Messe zerstört. Es gab kein Gebäude mehr, das noch in Ordnung war. So mussten nach Beendigung des Krieges erst einmal wieder die Bedingungen für den Messebetrieb geschaffen werden.

Als ich älter wurde, interessierte ich mich dafür, warum Leipzig eine Messe hat und andere Städte nicht. Dabei erfuhr ich, dass Leipzig früher an der Kreuzung der Handelsstraßen, die vom Rheinland nach Osteuropa und von Italien zur Ostsee führten, lag. Dies begünstigte den Handel, durch den sich Leipzig zu einer führenden Warenmesse im Mittelalter entwickelte. Der Begriff "Messe" statt "Jahrmarkt" tauchte im 15. Jahrhundert immer häufiger auf und kennzeichnete ursprünglich den Brauch auswärtiger Kaufleute, nach der Ankunft in Leipzig zunächst einen Gottesdienst zu besuchen. Danach begann auf dem Leipziger Marktplatz das muntere Treiben auf den Warenmessen.

Mitte des 19. Jahrhunderts stieß die Warenmesse jedoch an ihre Grenzen. Immer mehr Händler brachten nur noch einzelne Muster ihrer Produkte mit. Deshalb wurde 1893 mit dem Bau des ersten Messehauses der Welt begonnen, dem weitere 30 Messehäuser folgten. Die offizielle Veränderung zur Mustermesse war 1894. Im Jahre 1920 erhielt die Technische Messe ein eigenes Ausstellungsgelände. Wie ich durch einschlägige Recherchen erfuhr, war die Leipziger Messe des 20. Jahrhunderts die wichtigste Messe der Welt.

 

Die Leipziger Messe während der Zeit der DDR

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Messe schrittweise wieder aufgebaut und entwickelte sich in der DDR zu einem wichtigen Zentrum des Ost-West-Handels. Es gab jedes Jahr zwei Universalmessen - eine im Frühjahr und eine Herbst -, die für uns Leipziger immer wichtige Ereignisse und Höhepunkte waren. Viele Aussteller aus der ganzen Welt waren präsent. Ich erinnere mich, dass ich mit meiner Freundin und später mit meinem Mann jede Messe nutzte, um Neuheiten anzuschauen. Besonders gern gingen wir zur Buchmesse. Hier gab es Literatur, die bei uns nicht zu haben war. Wir saßen mitunter stundenlang an einem Stand, um Neuerscheinungen zu lesen. Es war spannend und interessant.

Sehr viele Leipziger halfen aber auch mit, damit die Messen erfolgreich verliefen. Da die Aussteller und Besucher aus aller Welt nach Leipzig anreisten, kam es oftmals vor, dass die Hotelbetten in und um Leipzig ausgebucht waren. So hatte es sich eingebürgert, dass viele Leipziger in ihren Wohnungen  Messegäste  aufnahmen.   Das  war  wirklich Gastfreundschaft, brachte aber auch zusätzlich ein "paar Pfennige“, die man gut gebrauchen konnte.

Zwischen den Leipzigern und den Gästen entwickelten sich oft sehr angenehme persönliche Beziehungen, die dazu führten, dass die Gäste nicht mehr in ein Hotel wollten, sondern sich bei "ihrer Familie" wie zu Hause fühlten und jedes Jahr wieder kamen. Auch die Familie meiner Schwester hatte über einen längeren Zeitraum immer die gleichen angenehmen Gäste. Auch heute besteht noch ein freundschaftlicher Kontakt. Zwischenzeitlich haben auch wir zu dieser Familie einen sehr enge Beziehung und freuen uns immer auf ein Wiedersehen - entweder in Leipzig oder Frankfurt/Main.

Leipziger Messe – meine Arbeitsstelle

Mein Interesse verband ich auch mit meiner beruflichen Entwicklung. Im Jahre 1983 nahm ich als Ökonomin - später war ich "Gruppenleiterin für Dienstleistungen" - meine Tätigkeit bei der Leipziger Messe auf.

Mit der Abteilung Dienstleistungen stellten wir für die Aussteller Stände (außer Telefonanschlüsse und Strom) sowie Beleuchtungsmittel, Kühlschränke, Möbel, Teppichböden, verschiedene Geräte usw. zur Verfügung. Natürlich sorgten wir auch für Speisen und Getränke und erfüllten, wenn möglich, weitergehende Wünsche. Wir waren für die Aussteller aus dem kapitalistischen Ausland und der BRD verantwortlich.

Bei Standgesprächen mit den Ausstellern wurde um ihre Meinung gebeten, ob sie zufrieden waren und wie der Service weiter verbessert werden könnte. Sehr oft wurden uns Zigaretten und Süßigkeiten angeboten, die wir aber auf  Weisung des Generaldirektors der Leipziger Messe nicht annehmen durften bzw. im Büro des Generaldirektors abgeben mussten. Dies machten wir natürlich nicht immer, sondern versteckten diese in unseren Taschen. Einmal wurden wir dabei erwischt und erhielten eine Abmahnung.

Zur Messe gab es auch Verkaufsstände, wo Bananen, Apfelsinen und andere Produkte angeboten wurden, die es sonst bei uns nur selten gab. Diese Verkaufsstände wurden auch von uns Mitarbeitern besucht. So waren wir auch während der Arbeitszeit dort um diese Produkte zu "ergattern".

 

Neuanfang nach der Wende

Ende der achtziger Jahre vollzogen sich in den sozialistischen Ländern grundlegende gesellschaftliche Veränderungen. Bei uns in Deutschland führten diese zur Wiedervereinigung. Damit war verbunden, dass die Wirtschaft in der früheren DDR und in den anderen östlichen Ländern zusammenbrach. Hierdurch hatten sich die Bedingungen für den Handel und unsere Leipziger Messe entscheidend verschlechtert. Die Leipziger Messe musste um ihre Existenz kämpfen.

Während dieser Zeit wechselte ich in die Rechtsabteilung der Leipziger Messe als juristischer Mitarbeiter. In der Abteilung waren wir mit allen wesentlichen  Veränderungen befasst, die abgesichert werden mussten. So spiegelte sich in der Rechtsabteilung das Geschehen in und um die Messe wider.

Innerhalb kurzer Zeit musste sich die Messe völlig veränderten Bedingungen anpassen. Die bisherigen Universalmessen wurden durch Fachmessen ersetzt.

Dafür waren erst einmal die Voraussetzungen zu schaffen. Diese begannen mit der komplizierten Sicherung des Messeplatzes Leipzig. So wie viele Unternehmen aus den alten Ländern ihre Konkurrenten aus den neuen Ländern mit Hilfe der Treuhand "abwickelten", versuchten auch Messeplätze aus den alten Bundesländern - im eigenen Interesse - den Neuaufbau der Leipziger Messe zu stoppen. Damals konnte ein "Messefuchs" aus dem Westen, Kurt Schoop, der Sympathien für die Leipziger Messe hatte, mit großem persönlichem Einsatz den Standort Leipzig sichern.

Es war nicht einfach, viel Engagement gehörte dazu. Im August 1991 dann das bedeutende Ereignis - zum Wohle der Messe - ein Beschluss durch den Freistadt Sachsen und der Stadt Leipzig zum Neubau eines Messegeländes im Norden von Leipzig - sowie die Gründung der Leipziger Messe GmbH. Gesellschafter wurden der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig.

Das neue Messegelände

Was beim Bau der Neuen Messe entscheidend half, war die große Kompetenz und die Einsatzbereitschaft aller Mitarbeiter. Für sie gab es selten einen normalen Feierabend. Besondere Verdienste erwarb sich u.a. der Geschäftsführer der Leipziger Messe, Josef Rahmen. Er kam 1992 von der Düsseldorfer Messegesellschaft und ließ seine Erfahrungen und Ideen von Beginn an in die Planung und den Bau des neuen Messegeländes -einschließlich des Congress Centrums Leipzig (CCL) einfließen. Die Grundsteinlegung für die Neue Messe fand am 25. August 1993 statt, die Eröffnung war bereits am 12. April 1996. Entstanden war das modernste Messegelände Europas.

Das alles klingt wie ein fast problemloser Vorgang. In Wirklichkeit gab es täglich unzählige Probleme zu lösen, und viele davon kamen auf den Tisch der Rechtsabteilung. So musste die Rechtsabteilung nicht selten die Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen von Partnern mit Hilfe von Gerichtsverfahren durchsetzen.

Parallel zum Aufbau des neuen Messegeländes entwickelte sich das Messegeschehen. Die Leipziger Messe setzt in jeder Hinsicht Maßstäbe. Das 680 Millionen DM teure Gelände mit seiner imposanten Glashalle und den fünf geräumigen Messehallen ist heute nicht nur Treffpunkt zahlreicher Aussteller und Besucher auf Fachmessen, auch Konzerte und Sportveranstaltungen locken immer wieder viele Gäste an. Das Messekonzept ist auf die Befriedigung individueller Kundenwünsche ausgerichtet. Deshalb hat das Doppel M inzwischen eine neue Facette hinzu bekommen. MM heißt heute vor allem "Messen nach Maß".

Im Jahre 1998 erreichte ich das Rentenalter. Bis Mitte 1999 verblieb ich noch bei der Leipziger Messe. Danach gab ich meinen, mir lieb gewonnenen Arbeitsplatz auf. Obwohl nunmehr Rentnerin, verfolge ich das Messegeschehen mit großem Interesse. Jedes Jahr veranstaltet die Leipziger Messe einen Senioren-Treff für die früheren Mitarbeiter. Diese Veranstaltung wird genutzt, um bei einem geselligen Beisammensein Informationen über das vergangene Jahr auszutauschen.

Was ich mir zu Erinnerung immer aufheben werde, ist unser Maskottchen, das Leipziger Messemännchen.




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