uni

Alma Mater Lipsiensis
Universität Leipzig

Arbeitsgruppe Zeitzeugen
der Seniorenakademie

Berichte über Erlebnisse

Was wir wollen | Berichte schreiben | Chronik | Aktuelles | Impressum

Schulbeginn während des zweiten Weltkrieges im September 1944

Ein Bericht von Regina Matthees, Leipzig

MattheesIm September 1944 wurde ich mit 6 Jahren in die Möckernsche Grundschule in Leipzig eingeschult. Wir standen auf dem Schulhof mit einer kleinen Zuckertüte. Schick sahen wir zum Schulanfang aber nicht aus, denn unsere Kleidung war alt und unmodern.  Die Mitschüler waren dünn und sahen sehr hohlwangig aus. Fast jede Nacht mussten wir damals bei Fliegeralarm in den Keller – eine schlimme Zeit. Trotzdem freuten wir uns auf den Schulbeginn. Uns unterrichtete in Deutsch ein „alter“ Lehrer – ich glaube er war ein Nazi.  Jedenfalls war er nach Kriegsende nicht mehr da.

Da meine Eltern ein Geschäft hatten, ging es mir relativ gut. Die Schnitten, die ich täglich mit in die Schule nahm, verteilte ich oft an Mitschüler. Sie waren sehr dankbar dafür, denn das Essen reichte nicht zum satt werden. Die Rationen auf den Lebensmittelkarten waren zu gering.

Es ist auch oft vorgekommen, dass wir während der Schulstunden aufgrund des Alarms in den Keller der Schule mussten. Oft füllten sich auch Räume der Schule mit Flüchtlingen, die glücklich waren, eine Unterkunft gefunden zu haben. Wenn wir Kinder nach Ende des Fliegeralarms nach Hause gingen, war die Luft oftmals rötlich vom Feuerschein. Viele Kinder weinten und hatten Angst, allein zu gehen, so dass wir oft – wo das möglich war – von den Eltern abgeholt wurden. Lernen nach Unterrichtsende war in dieser so schlimmen Zeit nicht möglich.

Wir waren nervös und abgespannt, denn die Tragweite des II. Weltkrieges konnten wir nicht nachvollziehen. Es ist auch vorgekommen, dass Schüler nicht wieder in die Schule kamen, da sie über Nacht ihre Wohnung durch den Luftangriff verloren hatten und Unterkunft bei Verwandten fanden. In der Schule wurde uns immer und immer wieder erklärt, dass wir echte Kriegskinder sind. Darauf sollten wir stolz sein.  Im Winter unterrichteten die Lehrer im Mantel, denn es war kalt in den Unterrichtsräumen. Wir Schüler saßen eingepackt und frierend in den Bänken.

1945 wurden wir in die 37. Grundschule in Leipzig übernommen. Der Krieg war dann zu Ende und für uns Kinder begann das zweite Schuljahr. Bedingt durch die Kriegsereignisse hatten wir großen Nachholebedarf in allen Unterrichtsfächern (Deutsch, Rechnen, Heimatkunde, Musik). Da die Nazis unter den Lehrern nicht weiter unterrichten durften und aus dem Schuldienst entlassen wurden, bekamen wir eine „Neulehrerin“.

Diese Neulehrerin, Fräulein Laube, war gerade 18 Jahre alt, also noch sehr jung,. Wir verehrten sie alle. Sie lehrte uns, den Krieg zu hassen und uns so viel Wissen anzueignen, wie wir brauchten, um ein sinnvolles Leben zu führen. Noch heute haben wir Kontakt zu ihr und laden sie regelmäßig zu unseren Klassentreffen ein.

Matthees

In unserer Schule unterrichteten dann noch weitere Neulehrer, die alle große Anerkennung fanden. Sie hatten es aber nicht einfach, denn es fehlten nach dem Krieg einige Zeit neue Schulbücher. Die alten enthielten nazistisches Gedankengut und waren eingezogen worden.

Wir Klassenkameraden verstanden uns ausgezeichnet – auch in den späteren Schuljahren. Einige Schüler kamen in eine andere Schule, aber wir sehen uns noch heute bei den jährlichen Klassentreffen.

l

Ich bin glücklich, dass es eine Wiederholung dieser Kriegszeit nicht gibt. Unsere verehrte Neulehrerin sagte immer: Die Probleme dieser Welt können nur mit Vernunft, nicht aber mit Gewalt gelöst werden.

.



     Seitenanfang
Website der AG Zeitzeugen
Templates