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Universität Leipzig

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Berichte über Erlebnisse

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Vom Beginn des Fußballs in der DDR

Ein Bericht von Dr. Rolf Beyer, Leipzig

Die Entwicklung des Fußballs in der DDR habe ich von Beginn an miterlebt. Ich spielte damals bei der BSG Einheit Pankow (Berlin), dem SC DHfK Leipzig, kurzzeitig beim SC Dynamo Berlin und dann  bei der BSG Rotation Leipzig 1950. Diese persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen bilden die Grundlage für die nachstehenden Erinnerungen.

Nach dem 2. Weltkrieg wurde im Dezember 1945 vom Alliierten Kontrollrat der Siegermächte festgelegt, dass alle deutschen Sportvereine aufzulösen sind. Sport auf kommunaler Ebene wurde erlaubt, war aber genehmigungspflichtig.

Der Fußball im Osten Deutschlands war dann bis 1950 Ländersache. In Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erfolgte der Punktspielbetrieb der Vereine nur innerhalb der Länder. In den Jahren 1948 und 1949 spielten dann die besten Mannschaften der Länder den „Ostzonenmeister“ aus.

Mannschaften aus Berlin durften wegen des Vier-Mächte-Status der Stadt nicht teilnehmen.

Nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 wurde dann ab 1950 der DDR-Meister ermittelt. Einbezogen wurden nun auch die Ostberliner Vereine.

Da Fußball einen hohen Stellenwert bei der Bevölkerung hatte, wurde versucht hier mit Erfolgen aufzuwarten. Jedoch wurden Anfang der 50er Jahre in der DDR zwei grundlegende Veränderungen vorgenommen, die eine kontinuierliche Entwicklung des Fußballs nicht ermöglichten.

Auswirkungen zentraler Veränderungen auf den Fußball

Zur damaligen Zeit wirkten sich vor allem folgende Veränderungen negativ auf die Entwicklung des Fußballs aus:

* Im Zeitraum von 1948 bis 1950 wurden alle Vereine in Betriebssport- gemeinschaften (BSG) umgewandelt. Jede Betriebssportgemeinschaft hatte nun einen oder mehrere Trägerbetriebe, die auch für die Finanzierung des Vereins zuständig waren. Zeitgleich wurden auch Sportvereinigungen (SV) gegründet. So erhielten z.B. alle Vereine, die zur polygrafischen Industrie und dem Verlagswesen gehörten, den Namen „Rotation“ und unterstanden der „Sportvereinigung Rotation“.

Jeder Verein hatte nun plötzlich zwei Vorgesetzte: die Sportvereinigung und den Leiter des Trägerbetriebes, der das Geld gab. Hinzu kam, dass sich dann auch noch Parteifunktionäre einmischten. Im Ergebnis bestimmte die Vereinsführung nicht mehr allein sondern erhielt Vorgaben, an die sie sich halten musste. Wer das Geld und die Macht hatte, bestimmte „die Musik“.

Die Folge dieser ganzen Veränderungen war auch, dass die Vereine ihre Namen änderten, manche im Laufe der Zeit sogar mehrmals.

Aber nicht alle Spieler und Funktionäre waren mit der Abkehr vom bürgerlichen Sport und der Hinwendung zum Betriebssport einverstanden. Die mit den Veränderungen verbundenen Probleme waren sehr unterschiedlich. Die größte bekannte Reaktion dürfte gewesen sein, dass 1950 fast die gesamte Oberligamannschaft der SG Dresden Friedrichstadt die DDR verlies und in den Westen ging. So z.B. auch Helmut Schön, der später Bundestrainer des DFB wurde.

 
* Im Jahr 1952, wurde dann eine grundlegende Verwaltungsreform in der DDR durchgeführt. Aus den fünf Ländern wurden 15 Bezirke (einschließlich Ost-Berlin). Außerdem erfolgte eine Veränderung der Struktur aller Kreise. Damit verbunden war eine völlige Neugliederung des Fußballverbandes. Die Landesverbände wurden aufgelöst. Dafür mussten in den neu gebildeten Bezirken und Kreisen auch neue Leitungsstrukturen geschaffen werden. Das betraf analog dann auch den Spielbetrieb aller Vereine, da eine völlig neue Klasseneinteilung notwendig wurde.

Die drei höchsten Spielklassen waren dann bis zum Ende der DDR
- Oberliga (höchste Spielklasse der DDR)
- DDR-Liga (kurzzeitig gab es auch eine 2. DDR-Liga)
- Bezirksliga.

Diese durchgehende Neustrukturierung beschäftigte von der obersten Sportführung bis zum kleinsten Verein über längere Zeit alle Ebenen.

Unter diesen Bedingungen erhielten auch Karrieristen Funktionen im Fußball, ohne dafür die Voraussetzungen zu haben. Auch das erschwerte die Entwicklung.

Nationalmannschaft der DDR und ihre Anfänge

Außer den vorher genannten Hemmnissen kam hier noch hinzu, dass man seitens der Bundesrepublik Deutschland darauf Einfluss nahm, dass die „Sektion Fußball der DDR“ (ab 1958 „Deutscher Fußballverband der DDR“) von der FIFA nicht anerkannt wurde.

Erst am 24. Juli 1952 wurde die DDR als ordentliches Mitglied der FIFA aufgenommen und durfte seitdem offizielle Länderspiele durchführen. Das erste Länderspiel der DDR fand am 21. September 1952 in Warschau gegen Polen statt. Es wurde 0:3 verloren. Bis Ende 1954 gab es durch diesen späten Beginn insgesamt nur 6 Länderspiele.

Ganz anders dagegen die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland. Dort begann nach dem 2. Weltkrieg bald eine kontinuierliche Entwicklung, die am 4. Juli 1954 ihren Höhepunkt fand. Die deutsche Mannschaft bezwang im Finale in Bern Ungarn mit 3:2 und wurde Weltmeister. Dieser sensationelle Erfolg des DFB erhöhte noch den Druck auf die Verantwortlichen des DDR-Fußballs, baldigst mit besseren Leistungen aufwarten zu müssen.  

Vereine 

Bildung von Sportclubs
Auf einer Sportkonferenz im März 1954 wurde die Konzentration der besten Fußballer in zu gründende Sportclubs beschlossen. In das Spieljahr 1954/55 starteten dann 10 der 14 Mannschaften der Oberliga – höchste Spielklasse der DDR - bereits als Sportclubs mit besonderen Rechten (u.a. erleichterter Spielerwechsel, bessere materielle Ausstattung).

Zwei Oberligamannschaften für Berlin (Hauptstadt der DDR)
In Ost-Berlin - als Hauptstadt der DDR - sollte an jedem Wochenende auch der Fußball repräsentativ vertreten sein. Deshalb wurde Anfang der 50er Jahre durch Delegierung von Spielern aus verschiedenen Vereinen zur BSG Einheit Pankow und BSG Motor Oberschöneweide versucht, zwei Berliner Mannschaften in der Oberliga zu etablieren, was aber misslang.

So gab es in der Saison 1953/54 in Ost-Berlin keine Mannschaft in der höchsten Spielklasse da Pankow (1952) und Oberschöneweide (1953) in die DDR-Liga (zweithöchste Klasse) abgestiegen waren. Hiervon ausgehend wurde nach Wegen gesucht, damit auch Berlin über zwei Oberligamannschaften verfügt.

Am 23. Dezember 1952 wechselten von der BSG Chemie Leipzig (DDR-Meister 1951, Dritter 1952) die Spieler Heinz Fröhlich, Werner Eilitz, Gerhard Helbig, Rolf Mücklich, Gerhard Händler, Rainer Baumann, Horst Scherbaum und Rudolf Krause zur DDR-Liga Mannschaft Vorwärts Leipzig (Verein der Armee). Diese Vorwärtsmannschaft wurde dann 1953 nach Berlin verpflanzt und stieg mit Hilfe der Verstärkung durch die genannten Spieler im Spieljahr 1953/54 unter dem Namen „ASK Vorwärts Berlin“ in die Oberliga auf.

Im November 1954 delegierte man dann den DDR-Meister 1953 und Dritten 1954 - Dynamo Dresden -, unter dem Namen „Dynamo Berlin“ (Verein der Volkspolizei und später der Staatssicherheit) ebenfalls nach Berlin.

Neuaufbau von zwei Mannschaften bei der DHfK
Mitte 1954 erfolgte zeitgleich mit der Bildung von Sportclubs die Gründung der Sektion Fußball des SC DHfK (DHfK = Deutsche Hochschule für Körperkultur). Dort wurden mit jungen Spielern zwischen 18 und 22 Jahren aus allen Teilen der Republik 2 Mannschaften aufgebaut, die beide in der DDR-Liga spielten.

Von diesen wurde Anfang 1955 eine Mannschaft dem „ASK Vorwärts Berlin“ und eine Mannschaft „Dynamo Berlin“ angegliedert. Näheres hierzu siehe unter
„Meine Erlebnisse beim Fußball in der DDR“

Weitere wesentliche Veränderungen bei Oberligamannschaften
Im Norden der DDR gab es nicht eine einzige Mannschaft die der höchsten Spielklasse angehörte. Deshalb wurde die Oberligamannschaft der BSG Empor Lauter (Lauter ist ein kleiner Ort etwa 5 km von Aue entfernt) während der Hinrunde der Saison 1954/55 komplett – mit neuem Namen „SC Empor Rostock“ - nach Rostock umgesiedelt (heute Hansa).

Die Mannschaft der BSG Wismut Aue erreichte im Spieljahr 1953/54 den vierten Platz in der Oberliga und musste ab 1954/55 unter dem Namen SC Wismut Karl-Marx-Stadt antreten. Vorgesehen war ein Wechsel der Mannschaft nach Karl-Marx-Stadt. Damit waren aber die Bergleute der Wismut überhaupt nicht einverstanden und drohten mit Streik. So entstand ein Kuriosum. Die Mannschaft spielte von 1954 bis 1963 unter dem Namen SC Wismut Karl-Marx-Stadt weiter in Aue. Danach erhielt sie ihren alten Namen wieder zurück.

Im Jahr 1963 wurde die DDR-Ligamannschaft des SC Aktivist Brieske-Senftenberg zum neugegründeten SC Cottbus delegiert. Dieser erhielt später den Namen SC Energie Cottbus.

Die Mannschaft der Oberliga des ASK Vorwärts Berlin – die man 1953 von Leipzig (Vorwärts Leipzig) nach Berlin verpflanzte – wurde 1971 weiter nach Frankfurt a.O. als Vorwärts Frankfurt umgesiedelt.

Außer den genannten Veränderungen gab es noch weitere, die aber sportlich nicht so bedeutsam waren bzw. sich in den unteren Spielklassen vollzogen.

Rückblickend kann insgesamt festgestellt werden, dass im DDR-Fußball sehr viele territoriale Veränderungen bei den Vereinen (verbunden mit neuen Namen) vorgenommen wurden.

Die meisten gab es bei den Sportvereinigungen Vorwärts und Dynamo. Die von oben festgelegten Veränderungen  wurden von den Spielern aber nur zum Teil akzeptiert und mitgemacht.

Zeitlich waren die Jahre 1953 bis 1955 bei den Umstrukturierungen ein Schwerpunkt.

 

 



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