Meine Erlebnisse beim Fußball in der DDR
Ein Bericht von Dr. Rolf Beyer, Leipzig
Mit dem organisierten Fußball begann ich nach dem Krieg 1948 mit 14 Jahren in Berlin beim Verein „Prenzlauer Berg West“ auf dem Exer (heute Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark). Der Verein „Prenzlauer Berg West“ wurde 1949 in „BFC Alemannia 1890“ umbenannt. Von dort ging ich als Jugendlicher zu „Einheit Pankow“. Mit 17 ½ Jahren schaffte ich bei Pankow den Sprung in die 1. Mannschaft, die in der zweithöchsten Klasse, der DDR-Liga, spielte.
Die „Sektion Fußball der DDR“ – später umbenannt in „Deutscher Fußballverband der DDR“ - führte 1953 Lehrgänge durch, in denen talentierte Spieler, die gerade aus der Jugend kamen, überprüft wurden. Dazu erhielt ich folgende Einladung:
Bild 1. Einladung für den Autor zu einem Überprüfungslehrgang für Nachwuchsspieler
Etwa ein halbes Jahr später bekam ich dann eine Einladung zum Sportclub der DHfK nach Leipzig.
Neuaufbau von zwei Mannschaften bei der DHfK
Im Sommer 1954 erfolgte die Gründung der Sektion Fußball des SC DHfK in Leipzig. Dort wurden etwa 26 Spieler aufgenommen und im Internat der DHfK, Friedrich-Ebert-Str. 130 (jetzt „Am Sportforum 10“), untergebracht. Heute befinden sich dort u.a. der Olympiastützpunkt und das Sportmuseum Leipzig. Ich wurde dorthin eingeladen und reiste Anfang August an. In meinem Sozialversicherungsausweis wurde als Bezeichnung meiner Tätigkeit „Student“ eingetragen.
Das Projekt Sektion Fußball des SC DHfK war langfristig geplant worden. Man musste den Leiter der Sektion Fußball des Sportclubs, Dr. Hans-Günther Degel, den international bekannten ungarischen Trainer Jànos Gyarmati als Cheftrainer, die drei deutschen Trainer Kurt Fritzsche, Helmut Jacob und Heinz Jörg, einen Zeugwart, einen Masseur, eine Sekretärin usw. verpflichten. Hinzu kam die Bereitstellung eines geeigneten Internats in Sportplatznähe.
Man hatte sogar für unsere Finanzen eine Lösung gefunden. Für jeden von uns war bei der Sparkasse ein Sperrkonto eingerichtet worden, auf das ein Teil unserer monatlichen Gelder eingezahlt wurde. Auch die Teilnahme an einem Trainerlehrgang war geplant worden. So eine komplexe Vorbereitung musste durchdacht werden und brauchte Zeit.
Die Spieler – alle zwischen 18 und 22 Jahre - kamen aus den verschiedensten Vereinen der DDR (s. auch eine Übersicht über alle Spieler am Ende des Beitrags). Auffallend war, dass nicht ein einziger Aktiver aus den zehn neugegründeten Sportclubs der Oberliga dabei war.
Dass Leipzig als ein Zentrum des Sports der DDR entwickelt wurde, erfolgte auf Initiative von Walter Ulbricht (1. Sekretär des ZK der SED), einem gebürtigen Leipziger. So erfolgte 1950 die Gründung der DHfK für die Ausbildung von Sportlehrern und Trainern, einschließlich der sportwissenschaftlichen Forschung. Außerdem wurde von 1954 bis 1956 das Leipziger Zentralstadion für 100.000 Zuschauer gebaut.
Zur Entwicklung des Leistungssports an der DHfK wurde 1954 der Sportclub DHfK gegründet, in dem sehr leistungsstarke Sektionen entstanden, die dann international mit überragenden Leistungen aufwarteten und in vielen Disziplinen die Weltspitze mitbestimmten. Für die Sektion Radsport mit den Fahrern Gustav-Adolf („Täve“) Schur, Bernhard Eckstein usw. wurde z.B. ab Herbst 1954 in unserem Objekt Friedrich-Ebert-Str. 130 ein zusätzliches Gebäude – ebenfalls als Internat – gebaut.
Doch zurück zum Fußball beim SC DHfK. Uns Spielern war gesagt worden, dass es um eine zielgerichtete fußballerische Ausbildung geht, die mit einer zusätzlichen beruflichen Ausbildung verbunden wird. Hinsichtlich des Berufs war für uns vorgesehen, dass wir an einem zweijährigen Trainerlehrgang mit Trainern, die bereits in der Praxis tätig waren, teilnehmen.
Bild 2. Spieler der DHfK vor dem Internatsgebäude
Oben v.l.: Lothar Punt, Rolf Beyer, „Ferri“ Gäbler, Heinz Marciniak, ein Betreuer
Unten v.l.: Heinz Lemanczyk, Klaus Thiemann, davor ???, Manfred Pinske, Siegfried Otto
Dieser Lehrgang fand auch in unserem Objekt statt. Nach den zwei Jahren sollten wir mit dem Diplom als Trainer abschließen. Das Anliegen war perspektivisch angelegt, persönliche Ausbildung im Fußball und parallel hierzu Qualifizierung, um die erworbenen Kenntnisse später weitergeben zu können.
Der Trainerlehrgang begann Ende August: vormittags Theorie und nachmittags Praxis. Bei uns Spielern zählte als Praxis unser tägliches Training am Nachmittag. Allerdings „drückten“ sich einige von uns bei der Theorie. So waren wir nach einiger Zeit nur noch etwa die Hälfte der Spieler, die den Lehrgang mit Erfolg abschließen wollten. Einige fehlten öfter beim Unterricht und einige Spieler glaubten – wie das auch heute leider noch der Fall ist – im Leben reicht es, wenn man Fußball- und Skatspielen kann.
Sportlich wurden wir mit zwei Mannschaften in der DDR-Liga eingeordnet. Im Spieljahr 1953/54 spielte die DDR-Liga mit zwei Staffeln. Diese wurden im Spieljahr 1954/55 auf drei Staffeln erweitert und dabei in der Staffel 2 und 3 je ein Platz für den SC DHfK reserviert. So besaßen wir ohne Aufstiegsspiele zwei Mannschaften in der DDR-Liga. Das fand bei den Zuschauern außerhalb Leipzigs aber keine große Zustimmung.
Bild 3. Auf der Fahrt zu einem Auswärtsspiel der DHfK
v.l.: Rolf Fritzsche, Siegfried Wachtel, „Ferri“ Gäbler, Busfahrer, Werner Heine, Klaus Thiemann, Lothar Punt, (verdeckt ?), Horst Wühn, Manfred Pinske, Hans-Georg Kiupel, Theo Hoffmann, Heinz Lemanczyk, Trainer Helmut Jacob, Zeugwart, dahinter Armin Stang, Rolf Beyer, ein Betreuer, Heinz Marciniak, Martin Skaba.
Da für die zwei Mannschaften meist nur etwa 26 Spieler zur Verfügung standen - es kamen wiederholt Neue zur Überprüfung, und es verließen uns auch wieder einige -, durften bei uns Spieler offiziell zwischen den beiden Mannschaften ausgetauscht werden. Das gab es sonst nirgends. Wenn das geschah, wurde es meist vom Gegner sofort bemerkt und kritisiert. Und das bekamen natürlich wir Spieler auf dem Platz zu hören.
Bei Auswärtsspielen hatten wir weitere Nachteile. Üblich war damals noch allgemein, erst unmittelbar vor dem Anpfiff von der Kabine aus direkt auf den Platz zu gehen und mit dem Spiel zu beginnen. Wir mussten uns aber vor Spielbeginn etwa 30 Minuten auf dem Platz warm machen. Das kannte niemand und wurde als sinnlos bezeichnet, weil es unnötig Kraft kostet. So wurden wir von den Zuschauern oft als „Zirkustruppe“ oder etwas ähnliches betitelt.
Beim Spiel kam dann noch folgendes hinzu: Wir waren ohne Ausnahme junge Spieler im Alter zwischen 18 und 22 Jahren. In den anderen Mannschaften befanden sich viele Ältere mit großer Erfahrung, die aber meist langsamer waren und unsere Schnelligkeit durch sehr große Härte auszugleichen versuchten. Da gab es manche „Beule“.
Unsere Heimspiele trugen wir auf der Nordanlage des Zentralstadions und im jetzigen Alfred- Kunze-Sportpark in Leutzsch aus. Erstaunlich war, dass wir bei Heimspielen schon nach sehr kurzer Zeit auf einen festen Zuschauerstamm von 2.000 bis 3.000 verweisen konnten.
Bild 4. Spiel DHfK 2 gegen Chemie Zeitz in Leutzsch (heute Alfred-Kunze-Sportpark)
Mitte Rolf Beyer, dahinter Torhüter Heinz Marciniak.
Aus: Mitteldeutsche Neueste Nachrichten vom 8.11.1954
Leistungsmäßige Entwicklung während der Hinrunde im Spieljahr 1954/55
DHfK 1 DDR-Liga Staffel 3 mit 14 Mannschaften
Diese Mannschaft belegte von Beginn an in der Tabelle einen Mittelfeldplatz. Knappe Niederlagen – die höchste gab es bei der BSG Wismut Plauen mit 0:3 - wechselten mit hohen Siegen (BSG Stahl Freital 11:1, BSG Stahl Stalinstadt 7:1, BSG Chemie Großräschen 8:1).
Am Ende der Hinrunde wurde mit 13:13 Punkten der 6. Tabellenplatz belegt.
DHfK 2 DDR-Liga Staffel 2 mit 14 Mannschaften
Zu Beginn gab es mit dieser Mannschaft oft personell Probleme. Sie verlor die ersten fünf Punktspiele und lag abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz. Dann erfolgte eine Stabilisierung und von den letzten sechs Punktspielen wurden fünf gewonnen. Hohe Niederlagen gab es gegen SC Motor Jena (1:6) und BSG Motor Nordhausen (0:7), bemerkenswerte Ergebnisse wurden gegen BSG Chemie Greppin (9:1) und BSG Motor Sonneberg (5:1) erzielt.
Am Ende der Hinrunde hatte die Mannschaft mit 11:15 Punkten den 9. Tabellenplatz erreicht.
Wenn man bedenkt, dass es sich bei beiden Teams um zwei völlig neu zusammengestellte Mannschaften handelte, bei denen kein Spieler älter als 22 Jahre war, es also nicht einen einzigen erfahrenen älteren Führungsspieler gab, durfte dieser Start für die Zukunft einiges erwarten lassen.
Die Sektion Fußball des SC DHfK wurde plötzlich aufgelöst
Nach Beendigung der Hinrunde fuhren wir Weihnachten 1954 alle nach Hause. Anfang Januar waren wir wieder da und es begann die Vorbereitung auf die Rückrunde. An einem Tag hörten wir in unseren Zimmern von draußen großen Krach, der aus dem Kulturraum kam. Als wir hingingen um zu sehen was los ist, mussten wir folgendes zur Kenntnis nehmen.
In der Zeitung „Neues Deutschland“ vom 14. Januar 1955 stand, dass wir DHfK-Spieler eine Erklärung abgegeben hätten, die Reihen der Volkspolizei zu stärken und uns SC Dynamo Berlin bzw. SC Vorwärts Berlin anschließen wollten. Am Schluss stand: Die Erklärung ist unterzeichnet von den Spielern ..., und hier wurden alle unsere Namen abgedruckt.
Bild 5. Diese Erklärung von uns DHfK-Spielern war eine Fälschung. Sie erschien im Neuen Deutschland am 14. Januar 1955.
Wir wussten von nichts, da keiner von uns eine Erklärung abgegeben hatte. Deshalb versuchten wir sofort den Leiter der Sektion Fußball des SC DHfK zu sprechen, der war aber nicht da. Dann gingen wir zu den Trainern. Die sagten, dass ihnen bekannt sei, dass jemand aus Berlin mit uns eine Versammlung machen wolle, aber Näheres wüssten sie (angeblich) nicht. Nun glühte das Telefon.
Am nächsten Tag kam dann jemand. Das Gespräch begann etwa so: „Worum es geht, ist ja nun schon bekannt, wir können uns nun gleich darüber unterhalten was zu machen ist“. Obwohl wir alle jung waren, bekam der „Fußballfunktionär des Verbandes“ von allen Seiten unwahrscheinliches „Feuer“. Er sagte, dass er bedauere wie das gelaufen sei, aber er könne nichts dafür. Wer etwas dafür kann, erfuhren wir aber auch nicht.
Am Ende des Gesprächs sagte er, wer sich von uns bei Vorwärts bzw. bei Dynamo wann und wo melden solle. Unsere Unterlagen und Spielerpässe wären schon dort. Ich war für den SC Dynamo Berlin vorgesehen. Auf unsere Frage, was mit dem Trainerlehrgang wird, erhielten wir die Auskunft „macht ihr im Fernstudium weiter, ihr erhaltet euer Diplom“.
Dabei wurde auch gesagt, dass es die zwei DDR-Liga Mannschaften bei der DHfK nicht mehr geben wird. Die Plätze in den zwei Staffeln der DDR-Liga erhalten (einschließlich Punkt- und Torstand ) die Sportvereinigungen Vorwärts bzw. Dynamo.
Unsere Stimmung war am Boden. Einige packten sofort ihre Sachen, verabschiedeten sich und fuhren Richtung Heimat. Wir anderen gingen in die Innenstadt und tranken bei einer sehr erregten Diskussion nicht nur ein Bier.
Was sollte mit der Gründung der Sektion Fußball des SC DHfK erreicht werden und warum erfolgte die überraschende Auflösung?
Heute ist öfter zu lesen, dass aus den Spielern der beiden Teams die Nationalmannschaft der DDR geformt werden sollte, die Sektion Fußball des SC DHfK dann aber wegen Erfolglosigkeit aufgelöst wurde.
Aus meiner Sicht sind das völlig unbegründete Behauptungen.
Zum Ziel der Sektion Fußball des SC DHfK
Das Ziel, eine leistungsstarke Sektion Fußball beim SC DHfK aufzubauen und mit dieser in der Oberliga sowie international erfolgreich zu spielen, dürfte richtig sein. Das geschah bei anderen Sektionen des SC DHfK analog. Wenn bei Fußball nur an eine zeitlich kurze Aktion gedacht worden wäre, hätte man nicht so einen großen Aufwand betrieben.
Zum Ziel Nationalmannschaft
Richtig ist, das sich neun Spieler von uns später so gut entwickelten, dass sie in der Nationalmannschaft der DDR spielten (s.a. Überblick am Ende des Beitrags).
Gegen den Aufbau der Nationalmannschaft beim SC DHfK sprechen aber zwei Fakten:
- International hatten Nationalmannschaften damals ein durchschnittliches Alter von etwa 27 Jahren. Der älteste Spieler von uns war 22 Jahre.
- In den zehn neugegründeten Sportclubs der Oberliga gab es auch sehr gute junge Spieler. Von diesen war nicht ein einziger bei uns. Wie will man eine Nationalmannschaft aufbauen, wenn etliche dafür in Frage kommende Spieler nicht zur Verfügung stehen?
Zu den wirklichen Gründen der Auflösung der Sektion Fußball des SC DHfK
Vorbemerkung:Ich spielte später bei der BSG Rotation Leipzig 1950. Zu den Mitgliedern dieses Vereins gehörte Dr. Heinz Schöbel, der auch bei fast jedem Spiel der 1. Mannschaft und auch bei nahezu allen Feiern dabei war. Da Dr. Schöbel Leiter des Verlages war, in dem ich eine sehr gute berufliche Entwicklung nehmen konnte, hatte ich 25 Jahre ständigen Kontakt zu ihm.
Dr. Schöbel (später Präsident des NOK der DDR und Mitglied des IOC) war von 1953 bis 1958 Präsident des DFV der DDR.
Er kannte somit alle Entscheidungen zur damaligen Entwicklung des Fußballs in der DDR genauestens, sprach aber selten darüber. Wenn er aber mal Bemerkungen machte, konnte ich diese meist gut einordnen und mein Bild vervollständigen.
Aus meinem persönlichen Erleben und den erwähnten Bemerkungen von Dr. Schöbel ergeben sich als wichtigste Gründe für die plötzliche und völlig überhastete Auflösung der Sektion Fußball des SC DHfK:
- Aus der vom SV Vorwärts Leipzig nach Berlin, als ASK Vorwärts Berlin, umgesiedelten Mannschaft meldeten sich nach der Hinrunde des Spieljahres 1954/55 zahlreiche Spieler ab.
Das war damals problemlos möglich. Verträge mit Spielern waren unbekannt, da es in der DDR offiziell nur Amateure gab und Arbeitsverträge mit einer Kündigungszeit von 14 Tagen verbunden waren. Druck auszuüben war nicht möglich, da ein Spieler der im Osten wohnte auch in Westberlin hätte spielen können - was auch gemacht wurde - da man beliebig hin und herfahren konnte. Wie bekannt wechselten auch Spieler zu Vereinen in Westdeutschland.
Damit die Oberligamannschaft von Vorwärts Berlin nach den Abmeldungen nicht aus dem Spielbetrieb zurückgezogen werden musste, wurden dringend neue Spieler benötigt. Deshalb blieb nur eine personelle Aufstockung durch eine Mannschaft des SC DHfK. Andere Möglichkeiten gab es kurzfristig nicht.
Wie dringend man bei Vorwärts Spieler benötigte zeigte, dass uns der Funktionär des Verbandes am 15. Januar über den vorgesehenen Wechsel zu Dynamo und Vorwärts informierte und bereits am 23. Januar Vorwärts bei einem Testspiel fünf Spieler von uns aufstellte und am 30. Januar, im Oberligapunktspiel gegen den SC Turbine Erfurt, sogar sieben Spieler zum Einsatz kamen.
Es waren von Beginn an Peter Kalinke, Siegfried Wachtel, Hans-Joachim Giersch, Horst Kohle und Lothar Meyer. Eingewechselt wurden dann noch Karl-Heinz Spickenagel und Hans-Georg Kiupel.
Man hatte in Berlin mit dem Versuch, Einheit Pankow und Motor Oberschöneweide in der Oberliga zu etablieren, bereits einmal eine böse Panne erlebt. Aus politischen Gründen durfte sich so etwas nicht wiederholen.
Es ging einfach nicht, dass die Bundesrepublik Deutschland Weltmeister wurde und die DDR es noch nicht einmal schaffte, in Ost-Berlin zwei Oberligamannschaften spielen zu lassen. Außerdem war es auch ein großes Politikum, ob die Zuschauer in Ost-Berlin zum Fußball gingen oder zu einem Verein in West-Berlin.
- Um in Ost-Berlin mit zwei Oberliga-Mannschaften präsent zu sein war festgelegt worden, dass die erfolgreiche und beliebte Mannschaft der SG Dynamo Dresden nach Berlin geht. Das erfolgte offiziell im November 1954. Nun erlebte man, welche Probleme sich bei Vorwärts Berlin nach der Umsiedlung ergaben. Da man nicht wusste, ob es nach dem Ortswechsel auch bei Dynamo zu Abmeldungen kommt, musste die andere Mannschaft von uns zur Absicherung zum SC Dynamo Berlin.
Ein Nebeneffekt dieser Veränderungen war, dass sowohl Vorwärts als auch Dynamo sofort über zahlreiche junge Spieler verfügten, die für die perspektivische Entwicklung notwendig waren.
Erfahrungen beim SC Dynamo Berlin
Ich gehörte zu den Spielern, die zu Dynamo kamen. Dort wurden wir vom Trainer Helmut Petzold sehr freundlich empfangen. Es ging sofort in ein Trainingslager in die Nähe von Berlin.
Dort wohnten in einem Zimmer immer zwei Spieler zusammen und zwar einer von Dynamo und einer von uns Neuen. Mein Zimmernachbar war der rechte Läufer Herbert Maschke. Durch die Gespräche im Zimmer erfuhr ich vieles über den Verein und wir kamen uns schnell näher.
Interessant war für mich z.B., dass alle früheren Dresdner Spieler Planstellen bei der Volkspolizei hatten, aber unterschiedliche Dienstgrade besaßen. In meinen Versicherungsausweis war eingetragen worden „Zentrale Leitung SV Dynamo, Zivilangestellter“.
Bild 6. Dynamo unterwegs zu einem Auswärtsspiel
Oben v.l.: Erhard Haufe, Günther Usemann, Masseur, Trainer Helmut Petzold, ???, Günter („Moppel“) Schröter, Lutz Schlosser, ein Betreuer, Günther Bethnarek, Johannes Matzen, Manfred Pinske, dahinter Gerhard Hänsicke, Manfred Michael, Heinz Marciniak, Armin Stang, Herbert Schoen, Heinz Klemm. Unten v.l.: Karl-Heinz Duffke, Klaus Thiemann, Karl-Heinz Holze, Wolfgang Bock, Rolf Beyer
Dynamo gründete eine 2. Mannschaft mit uns jungen Spielern, die dann die Vorspiele vor der Oberliga bestritt. Dann sollten wir schrittweise eine Chance in der Oberligamannschaft erhalten.
In der Folgezeit trainierten wir abwechselnd eine Woche in Dresden und eine Woche im Trainingslager bei Berlin. Gespielt wurde in Berlin.
Erich Mielke kommt – ein kurzer Blick hinter die Kulissen
Während eines Trainingslagers bei Berlin wurde an einem Tag beim Frühstück mitgeteilt, dass am Abend der 1. Vorsitzende der Sportvereinigung Dynamo, Erich Mielke (später Minister für Staatssicherheit), kommt und eine Versammlung mit ihm stattfindet. Deshalb haben alle Spieler ihre Räume in einen ordentlichen Zustand zu versetzen und statt Trainingsanzügen sind Zivilsachen zu tragen.
Vormittags wurde von den dort Angestellten das gesamte Gebäude auf Hochglanz gebracht. Ab Mittag war schon Unruhe zu verspüren, da Personen gekommen waren, die wir vorher noch nie gesehen hatten.
Der Abend begann für mich und einen weiteren Sportfreund mit einer Überraschung. Wir beide hatten uns am Gesundbrunnen in West-Berlin jeder eine hellblaue Strickjacke gekauft, die damals sehr modern war. Als wir mit diesen Jacken, ohne uns irgend etwas dabei zu denken, im Versammlungsraum erschienen, wurden wir aufgefordert nach oben zu gehen und etwas anderes anzuziehen. Bemerkung: Es ist bekannt, wo es diese Jacken gibt.
Die Versammlung dauerte etwa eine Stunde. Mielke erkundigte sich, wie die Situation ist und forderte, dass alle Spieler bestmögliche Leistungen bringen und Dynamo würdig vertreten. Dann zog sich Mielke mit den Funktionären und Trainern in einen anderen Raum zurück.
Beim „Abfragen meines Gedächtnisses“ musste ich feststellen, dass ich mich mehr an die Begleitumstände, als an den Inhalt der Versammlung, erinnere.
Bild 7. Im Dynamo-Trainingslager auf dem Weg zum Platz
v.l.: Karl-Heinz Holze, (???), Klaus Thiemann, Lothar Punt, Rolf Beyer, Heinz Marciniak, Theo Hoffmann
Persönliche Entscheidung
Nachdem wir einige Wochen bei Dynamo waren, fragte ich, wie es mit dem Trainerlehrgang weitergeht. Wir hatten von vier Semestern bereits eins erfolgreich beendet. Dabei verwies ich auch auf den Artikel im Neuen Deutschlands vom 14. Januar 1955 (s. auch Bild 5), in dem öffentlich festgestellt wurde, dass wir Spieler bei Dynamo die Gelegenheit haben würden uns fachlich und sportlich weiter zu qualifizieren.
Zuerst kam die Antwort, wir erkundigen uns. Dann kam ein Hinhalten, bis endlich gesagt wurde, eine weitere Teilnahme ist nicht mehr möglich.
Die Einzigen, die etwas für ihre Bildung tun konnten, waren Werner Heine und Martin Skaba. Sie hatten vor der Gründung des SC DHfK bereits mit dem Sportstudium an der DHfK begonnen, und konnten dieses dann im Fernstudium abschließen.
Ich hatte Fernmeldebauhandwerker gelernt, sah auf dieser Strecke aber keine Perspektive. Deshalb fragte ich, welche Chancen es bei Dynamo gibt, sich eine gute berufliche Existenz aufzubauen. Man sagte mir, dass dies in der Kriminalistik möglich wäre, da dort Leute fehlten. Notwendig sei aber ein Fernstudium. Ein Spieler würde diesen Weg bereits gehen.
Da ich mir vorstellen konnte, wie viel Zeit ein Studium kosten würde und wie die Arbeitszeit eines Kriminalisten aussieht, war mir klar, was das im Zusammenhang mit dem Fußball bedeutet. Außerdem las man öfter in der Zeitung, womit sich Kriminalisten – in der damals geteilten Stadt Berlin, in der sich die beiden Gesellschaftssysteme bei offener Grenze feindlich gegenüber standen - beschäftigen mussten. Das war nun gar nicht mein Fall.
Der Vater meines Freundes – ein früherer Fußballer - hatte mir beim Wechsel von Einheit Pankow zur DHfK mit auf den Weg gegeben: „Beurteile die Menschen nicht danach was sie sagen, sondern danach wie sie handeln. Nutze die Zeit des Fußballs um dir eine gute berufliche Grundlage fürs ganze Leben zu schaffen. Fußball ist bald vorbei, manchmal schon morgen.“
An diese Worte musste ich nun denken. Die Erfahrungen, die ich seit meinem Weggang von Einheit Pankow mit dem Fußball sammeln musste, waren nicht geeignet auf diesem Gebiet noch an irgend etwas zu glauben. Deshalb überlegte ich genau, was für mich das Beste wäre.
Im Ergebnis ging ich 1955 zurück nach Leipzig, begann im Fachbuchverlag – damals Trägerbetrieb des DDR-Liga Vereins Rotation Südwest (später umbenannt in „Rotation Leipzig 1950“) – und konnte mich dort beruflich sehr gut entwickeln.
Das wir in der DDR-Liga damals bei Punktspielen vor 10.000 bis 20.000 Zuschauern spielten war keine Seltenheit. Der absolute Höhepunkt war für mich jedoch, dass ich mit der Mannschaft der BSG Rotation Leipzig 1950 im Mai 1957 im Leipziger Zentralstadion vor 70.000 Zuschauern spielen durfte.
Die zwei Mannschaften des SC DHfK
DHfK 1. DDR-Liga Staffel 3 Cheftrainer: Jànos Gyarmati, Trainer: Kurt Fritzsche
Name, |
geb. |
kam von BSG |
ging vom |
wurde |
Behne, Günther
|
19.10.32 |
Lokomotive Stendal |
Motor Mitte Magdeburg |
|
Feldweg, Wolfgang |
07.09.34 |
Chemie Zeitz |
Chemie Zeitz |
|
Fritzsche, Rolf
|
23.10.33 |
Chemie Rositz |
ASK Vorwärts Berlin |
Nationalspieler |
Giersch, Hans-Joachim |
13.02.33 |
Wismut Gera |
ASK Vorwärts Berlin |
|
Holtfreter, Herbert
|
21.11.32 |
Motor Wismar |
Motor Wismar, dann zu Empor Rostock |
|
Kalinke, Peter
|
21.12.36 |
Rotation |
ASK Vorwärts Berlin |
Nationalspieler |
Kiupel, Hans-Georg |
12.11.34 |
Motor Altenburg |
ASK Vorwärts Berlin |
Nationalspieler |
Klose, Werner
|
|
Chemie Zeitz |
ASK Vorwärts Berlin |
|
Kohle, Horst
|
08.10.35 |
Motor Schönebeck |
ASK Vorwärts Berlin |
Nationalspieler |
Lemanczyk, Heinz
|
13.11.34 |
Aktivist Brieske-Ost |
Aktivist Brieske-Senftenberg, |
Nationalspieler |
Meyer, Lothar |
01.08.33 |
Motor Ober- schöneweide |
ASK Vorwärts Berlin |
Nationalspieler |
Spickenagel, |
17.01.32 |
Einheit |
ASK Vorwärts Berlin |
Nationalspieler |
Wachtel, Siegfried
|
28.04.32 |
Aktivist Brieske-Ost |
ASK Vorwärts Berlin |
|
Wühn, Horst
|
06.03.33 |
Motor Süd Brandenburg |
ASK Vorwärts Berlin, |
|
DHfK 2. DDR-Liga Staffel 2 Trainer: Helmut Jacob u. Heinz Jörg
Name, |
geb. |
kam von BSG |
ging vom |
wurde |
Beyer, Rolf |
20.06.34 |
Einheit Pankow |
SC Dynamo Berlin, |
Vorsitzender |
Dyck, Manfred
|
|
Einheit Greifswald |
Einheit Greifswald |
|
Gebhardt, Heinz
|
|
Stahl Helbra |
Dynamo Eisleben, dann zu Chemie Halle Leuna |
|
Gäbler, („Ferri“), |
|
Raum Dresden? |
SV Dynamo Dresden |
|
Heine, Werner |
14.08.35 |
Aktivist Nebra |
SC Dynamo Berlin |
Nationalspieler, |
Hoffmann, Theo
|
|
|
SC Rotation Leipzig |
|
Marciniak, Heinz |
23.06.34 |
Chemie Bitterfeld |
SC Dynamo Berlin |
Präsident des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt |
Otto, Siegfried
|
|
Stahl Helbra |
|
|
Pinske, Manfred
|
? 1933 |
Chemie Bitterfeld |
SC Dynamo Berlin |
|
Punt, Lothar
|
27.05.35 |
SV Berlin Buchholz |
SC Dynamo Berlin |
|
Schneider, Wolf |
03.10.31? |
HSG DHfK |
|
|
Skaba, Martin |
28.07.35 |
Motor Quedlinburg |
SC Dynamo Berlin |
Nationalspieler, |
Stang, Armin
|
18.10.32 |
|
SC Dynamo Berlin |
|
Thiemann, Klaus |
19.02.35 |
Motor |
SC Dynamo Berlin |
Journalist |
In den beiden Mannschaftsübersichten wurden die Spieler, die nur kurz da waren und von denen nähere Angaben fehlen, nicht aufgenommen.
So z.B. Tuszynski (Motor Weimar), Lentz (Motor Wismar), Klaus-Dieter Trapp, Manfred Huth, Fischer, Pongratz, Brandt, Lindner, Fenk, Bartniki, Zimmermann, Neubauer, Nowka, Viertler, Kaiser.