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Alma Mater Lipsiensis
Universität Leipzig

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Traditioneller Urlaub in Ungarn und die Veränderungen im Laufe der Zeit

Ein Bericht von Udo Kruse, Leipzig

Seit vielen Jahren machen meine Frau und ich regelmäßig Urlaub in Ungarn. Dabei fahren wir ohne Ausnahme nach BÜK, ein Dorf mit ca. 3.300 Einwohnern, etwa 35 km von der österreichischen Grenze entfernt gelegen. Dort gefällt es uns immer wieder. Das Wichtigste ist dort ein wunderschönes Thermalbad, nach dessen Besuch man sich so richtig wohlfühlt.

Da wir bereits 12 Mal (nach der Wende) dort waren, ergaben sich auch  persönliche Kontakte zu einigen Einwohnern. So gehören wir schon halb "zur Familie" und werden immer wieder sehr herzlich begrüßt und freundlich aufgenommen.

Da sich in Ungarn - wie auch bei uns - große gesellschaftliche Veränderungen vollzogen haben, wirkte sich das auch auf unseren Urlaub aus. Deshalb möchte ich nachstehend an einigen Beispielen jeweils die Situation  kurze Zeit nach der Wende und heute darstellen.

Die Fahrt nach Ungarn und zurück

Mit einem BMW 316 legen wir die ca. 730 km, je nach gewählter Route, in 10 bis 12 Stunden zurück, die entsprechenden Pausen eingerechnet.  Die ersten Jahre, 1991 - 1995 etwa, fuhren wir von Leipzig über Prag, Zsneumo und Wien, auch wegen der günstigeren Kraftstoffpreise in Tschechien und Ungarn.

Außerdem waren es schöne Fahrten durch reizvolle Landschaften fernab von Autobahnen und Schnellstraßen, so dass eine Picknickrast in der Natur immer erholsam war.

Als dann die Fahrten durch Tschechien durch die wachsende Kriminalität auf den Straßen zunahm, benutzten wir unsere Autobahnen über Hof, Regensburg, Passau, Richtung Wien durch das ebenso herrliche österreichische Burgenland bis zu unserem Zielort.

Besonders  zu erwähnen ist, dass die Benutzung der Transitstrecke durch Österreich durch keine Autobahnbaustellen mehr behindert wird, und man dadurch schneller an sein Ziel kommt.

Bedauerlicherweise wird  die Sicht auf und in die herrliche Landschaft, durch Schutzwälle besonders für die Mitfahrer stark eingeschränkt.

Leider  sind  die Kraftstoffkosten in den von uns besuchten und durchfahrenen Nachbarländern so gestiegen,  dass es für uns heute gleichgültig ist, wo wir tanken.

Was mir besonders auffiel ist, dass wenn man bis Mitte der 90er über die Grenze nach Ungarn kam, weite dem Blicken freigebende Landschaften mit der jahreszeitlichen Natur zu schauen war. Neuerdings sieht man die wie Pilze aus dem Boden geschossen Produktionsstätten verschiedener Branchen deutscher und österreichischer Unternehmen.

Auffallend ist auch wie viele ungarische Kleinlastwagen an Wochenenden die Transitstrecke nach Österreich und Deutschland befahren.

Die Unterkunft in Bük

Wir übernachteten immer in Privatunterkünften. Die ersten 3 Jahre in Folge bei einer jungen Familie mit zwei Kindern im Vorschulalter, zum Preis von 18,- DM incl. Frühstück.

Da die erwähnte Familie weiteren Nachwuchs bekam und auch zusätzlich vermieten wollte, suchten wir uns ein anderes Privatquartier in welchem wir seitdem treue Gäste sind.

Unsere Unterkunft besteht aus einem geräumigen Wohn- und Schlafzimmer mit eingebautem Garderobeschrank und Fernseher, einer kleinen Pantryküche sowie einer Nasszelle mit Dusche, Waschbecken und Toilette. Alles im ungarischen 60iger Jahre Flair.

Außerdem haben wir die Möglichkeit unseren Wagen auf dem Grundstück zu parken.

Auch vor unseren sehr lieben und freundlichen Wirtsleuten hat die wirtschaftliche "Neuorientierung" nicht Halt gemacht und die Übernachtungskosten stiegen von anfänglich 20,- DM auf heutige (2008) 20,- € pro Apartment an, was für uns aber immer noch sehr günstig ist.

Leider haben sich sehr viele Bürger des alten Ortsteiles Bük mit Neubauten, Anbauten und Modernisierungen ihrer Immobilien finanziell  übernommen, da neu enstandene Hotels in unmittelbarer Nähe des Bades ihnen die "Kundschaft" streitig gemacht haben.

Das Thermalbad

Für das Thermalbad braucht man keine Reklame zu machen, im Internet oder auch bei Reiseveranstaltern ist alles Wissenswertes darüber zu erfahren.

Die Parkplatzgebühren vor dem Bad für einen Tag sind von 80,- Forint (1992) auf 600,- Forint und der  Eintrittspreis von 225,- Forint p.P/Tag (in den ersten Jahren konnte man auch mal das Gelände des Bades verlassen und wieder betreten) auf 1.500,- Forint p.P/Tag ( 2008) bei nunmehr nur einmaligem Betreten des Bades gestiegen.

(1€ entsprach im Frühjahr 2008 ca. 250 ung. Forint )

Natürlich muss man wissen, wie sehr das gesamte Bad in den letzten Jahren modernisiert wurde und ein Ende der Modernisierung ist noch nicht abzusehen (ebenso die Veränderungen bei den Eintrittspreisen). Die frühere "Bewegungsfreiheit" im gesamten Gelände ist stark eingeschränkt, so dass - möchte man ein anderes Terrain im Bad betreten, z.B die Saunalandschaft oder die schon vorhandenen, aber neu eingezäunten Liegewiesen -, dafür extra bezahlt werden muss. Für sehr viele Einheimische ist der Besuch des Thermalbades schon zum "Luxus" geworden.

Trotz allem, meine Frau und ich genießen die wohltuende Wärme des Heilwassers und die Wirkung der im Medium enthaltenen "Mineralchen"  und werden sicher auch künftig das Bad wieder besuchen.

Einkaufen im Dorf Bük

Natürlich mussten und müssen wir uns als "Selbstversorger" mit verschiedenen Waren des täglichen Bedarfs eindecken, wollten wir doch gemütlich vor dem täglichen Badbesuch frühstücken.

Wir bevorzugen im Ausland immer die landesübliche Küche und kaufen dementsprechend ein. In den dortigen Kaufhallen ist ein sehr großes Warenangebot an in- und  ausländischen Produkten vorhanden und die Preise sind den unsrigen weitgehend angeglichen. Natürlich gibt es auch das Eine oder Andere für uns preisgünstig zu erwerben. Es "lohnt" sich aber z.B. nicht mehr ungarische Salami mit nach Hause zu nehmen, da selbige in hiesigen Geschäften ebenfalls und zu fast gleichen Preisen zu bekommen ist.

Dem Trend der "Wende" folgend, sind auch in Bük die kleinen Geschäfte den Großmarktketten gewichen. Einem traditionellen Fleischer ist es gelungen sich noch am Ort zu halten. Wie Pilze aus dem Boden geschossen sind seit Jahren, auf Kundschaft angewiesen, private Friseure und Massagesalons im alten Ort. Dort sind die Dienstleistungen preiswerter zu haben als im Thermalbad.

Beim Erwerb von "Mitbringseln" ist es, wie auch bei uns, nicht leicht festzustellen, wo in der globalisierten Welt die Herstellung erfolgte.

Einkauf in der Kreisstadt auf dem Markt

Während unseres Aufenthaltes in Bük ist es für uns schon Tradition geworden einmal, und zwar dienstags, in die nächst größere Kreisstadt - Szombathely - zum Einkaufsbummel zu fahren.

Leider ist auch dort das sprichwörtliche ungarische Flair sehr zurückgegangen. In den Markthallen sind viele Stände nicht mehr belegt und das sonst von uns immer gern gemochte Durcheinander von Händlern und Kunden, Touristen aus "aller Herren Länder" und das somit herrschende Sprachgewirr hat so sehr nachgelassen, das jetzt alles gut überschaubar und fast ruhig geworden ist. Ebenso die fliegenden Händler um die Hallen herum sind weniger geworden sodass man einen Stellplatz auf dem zum Markt gehörenden Platz findet.

Aber nach wie vor macht das "Feilschen", wenn man etwas erwerben möchte, Spaß und man verabschiedet sich mit freundlichen Worten von einander.

In der einen Halle werden Textilien, Lederwaren, Küchen- und Badzubehör, Souvenirs und Trödel angeboten und in der anderen Lebensmittel aller Art: Backwaren, Fleischwaren, Obst- und Gemüse, Eier, Honig, Eingelegtes und mehr. Hauptsächlich ältere Frauen und Männer bieten ihre Gartenerzeugnisse zum Kauf an. Blumen und Pflanzen in ihrer ungarischen Vielfalt sind natürlich auch zu haben. Meine Frau freut sich immer sehr wenn ich ihr ein Sträußchen  Maiglöckchen kaufe.

Gaststättenbesuche

In den Gaststätten wird man wie schon immer, freundlich empfangen, zum Tisch geleitet und bedient. In den neueren Gaststätten hat man Mühe, traditionelle ungarische Speisen zu bekommen, da die Gastronomen sehr bemüht sind, Feinschmeckergerichte der gehobenen Küche anzubieten. Dementsprechend sind natürlich auch die Preise.

Leider, finden wir, sind die ungarischen Folklore-Musiker aus fast allen Gaststätten verbannt worden und während des Aufenthaltes gibt es Musik aus der "Konserve".

So darf man nicht überrascht sein, wenn man zum Speisen auch mit Seemannsmusik aus der Heimat begleitet wird.

Der Plausch auf der Straße

Dieser findet so gut wie nicht statt, da die sprachlichen Möglichkeiten doch sehr begrenzt sind. So sind die Touristen und Badegäste doch mehr unter sich und so außer mit dem "Dienstleisterpersonal" kaum in Kontakt.

Da in Bük, wie auch hier zu Lande, die jungen Leute auf dem Lande kaum Möglichkeiten zu ihrer Verwirklichung haben, sind überwiegend die "Seniorengenerationen" zum Haus- und Hof hüten anwesend. Also bleibt nur der Dialog mit unseren Vermietern und die sind mit der gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Entwicklung ihres Landes nicht in jedem Fall einverstanden und fühlen sich von der "Neuen Zeit" überrumpelt.

Das ungarische Flair

Das uns von früher bekannte typische Flair ist von einem raschen Modernisierungsschub überrollt worden. Es gibt überall Kaufhallen der großen Ketten - wie auch bei uns - und der Unterschied besteht eigentlich nur noch in der anderen Klimazone.

Die Infrastruktur mit den Straßenneu- und Umbauten, wie große Kreisverkehre, haben den Durchgangsverkehr zügiger werden lassen, die an den Hauptdurchgangsstraßen befindlichen Orte sind durchweg heller und gepflegter geworden.

Verlässt man jedoch die modernisierten Straßen und benutzt Nebenstraßen, so ergibt sich ein ganz anderes Landschaftsbild. Die kleinen Dörfer zeigen sich in einem erschreckenden ruinösen Zustand welcher auch dem Wandel der neuen Zeit geschuldet ist.

Fuhren wir früher durch diese Dörfer, waren sie belebt von Bewohnern die sich im Ort trafen, den damals vorhandenen Kaufladen aufsuchten, Kinder und Jugendliche die sich auf dem Dorfplatz tummelten und man hörte wie in den Werkstätten gearbeitet wurde. Heute kommen viele dieser Dörfer dem Begriff "Geisterstätte"  nah. 

Betrachtet man die Veränderungen im ungarischen Urlaubs- und Badeort Bük insgesamt, ergibt sich für uns, dass wir auch weiterhin in das Thermalbad fahren und die uns wohltuenden Anwendungen über uns ergehen lassen werden. Voraussetzung ist, dass die jährlichen Preissteigerungsraten dies uns weiterhin zulassen. 

Aber der ungarische Wein schmeckt uns wie eh und je und dient uns ebenfalls als Heil-Kur- und Genussmittel.

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