Bau eines Bungalows im letzten Jahr vor der Wende in der DDR
Ein Bericht von Dr. Gerlinde Fellmann, Leipzig
Im Frühjahr 1989 begannen wir auf einem neu erworbenen Grundstück uns einen Traum zu erfüllen. Wir wollten einen massiven Bungalow bauen, um hier den Sommer über wohnen zu können. Wir stellten uns den Bau eines Bungalows nicht so kompliziert vor wie den Bau eines Hauses. Über den Bau von Einfamilienhäusern (Eigenheimen) in der DDR, der meist von den Bauherren selbst und nur mit Unterstützung weniger Handwerker unter schwierigsten Materialbeschaffungen bewerkstelligt wurde, waren uns viele nicht sehr positive Schilderungen bekannt. Aus Kollegenkreisen und von Bekannten erfuhr man einiges über die aufwendigen, komplizierten Aktionen und enormen Kraftanstrengungen. Aber wenn man so etwas nicht am eigenen Leibe erlebt hat, denkt man immer, was andere können kann man auch und es war ja nur ein Bungalow, den wir selbst mit Hilfe von Freunden in Angriff nehmen wollten. Mein Mann hatte schon die Garage selbst gebaut und verfügte über handwerkliche Begabung. Was uns die Sache sehr erschweren musste waren die Tatsachen, dass wir über keine „blauen Fliesen“ (eine Bezeichnung für Westgeld) verfügten und dass man für den Bungalowbau keine Materialzuweisungen wie für den Eigenheimbau erhielt, da man keinen Wohnraum schaffte.
Der Bauantrag
Zunächst mussten wir bei der Gemeinde den Bauantrag stellen.
Es wurde die maximal erlaubte Größe für Bungalows von 40m² (8mx5m) im Bauantrag angegeben, so dass die Genehmigung problemlos erfolgte.
Tatsächlich wurde jedoch nach der Breite der schon reservierten 6m breiten Dachbinder (übrig geblieben von einem Barackenbau und deshalb an uns verkauft) geplant. Mit den Dachüberständen (Dachkasten) ergab sich dann ein tatsächliches Außenmaß von ca. 5,30 m. Auch in der Länge wurde ein wenig geschummelt, es wurden ca. 8,50m also insgesamt ca. 45 m². Man war ja nicht vom Fach und man konnte sich ja mal versehen. Der Bau des Mehrzweckgebäudes (ca. 28m²) wurde erst gar nicht im Bauantrag erwähnt, schließlich gab es ja bereits einen baufälligen Bretterholzschuppen, der nur massiv erneuert wurde!
Erste Materialbeschaffung und der Baubeginn
Ständig waren wir am Material organisieren und hatten immer im Kopf, was irgendwann gebraucht werden konnte. Baumaterial gab es in BHG´s (Bäuerliche Handelsgenossenschaft) und in Baustoffversorgungen (ähnliche Einrichtungen wie die jetzigen Baumärkte, nur zahlenmäßig weit weniger). Hier musste man ständig nachfragen, was sehr zeitaufwendig war, äußerst selten zum Erfolg führte und dann wie ein Lottogewinn war. Also mussten andere Wege erschlossen werden.
Als aller erstes haben wir Verbundfenster, die es zufällig bei einer BHG gab, gekauft. Zu diesem Zeitpunkt war das Grundstück noch gar nicht in unserem Besitz, aber man musste bei einer solchen Gelegenheit sofort zu greifen. Wir lagerten die Fenster inzwischen in unserem Schrebergarten ein.
Selbstverständlich nutzte man auch Kontakte über Kollegen. So ergab sich, dass bei einem selbstständigen Kooperationspartner in Burgstädt schon längere Zeit 3m lange U- Eisen lagerten, sehr angerostet und für einen Freundschaftspreis zu haben waren.
Auch ein Doppel T-Träger für die Terrasse 4,5m lang, wurden in gleicher Weise beschafft.
Neue T-Träger waren nur für LVO- Vorhaben (LVO= Landesverteidigungsobjekt) oder Vorhaben ähnlicher Wichtigkeit zu bekommen.
Die Formstähle wurden gleich anschließend zu einem anderen Partner gefahren, der diese ohne großes Aufmass gegen einen Obolus sandstrahlte, so dass die U-Eisen und der Träger fast wieder wie neu waren.
Ein Transportfahrzeug mit Hängerkupplung – ein Trabant- und ein Hänger – beides gebraucht- wurden gekauft.
Das Vermessen ging schnell. Begonnen wurde mit einem kleinen Keller (1,5 m x 3 m) im Mehrzweckschuppen, zu dem das Fundament in Handschachtung ausgehoben wurde. Gleiches traf auch für alle Streifenfundamente des Bungalows zu (insgesamt ca. 50 m für beide Bauten).
Dies war eine schweißtreibende Angelegenheit, denn Baumaschinen auszuleihen – wie heute – gab es nicht.
Der erste Zement, den man in einzelnen Portionen auf 10 oder 15 Sack begrenzt bei der Baustoffversorgung - wenn man Glück hatte- erhielt, war auch beschafft.
Die Schwerbetonsteine, die für den Keller und für den Bungalow gebraucht wurden und ein Kollege in Torgau beim Bauen in einer Garagengemeinschaft übrig hatte, holte mein Mann mit dem Auto von dort ab. Der Trabant- aus dem die Sitze ausgebaut worden waren- und der Hänger waren völlig überladen, so dass er nur mit max. 20 km/h unterwegs sein konnte. Nachdem er an einem Bahnübergang aufgesessen hatte, war er froh, dass er die Fahrt ohne Achsbruch und Polizeikontrolle überstanden hatte.
Die Mauersteine bestellten wir direkt in einer Ziegelei und vereinbarten die Anlieferung. Viele Helfer wurden zum Abladen mobil gemacht, aber wer nicht kam…Da es damals noch keine Handys gab, wurde zur nächsten öffentlichen Telefonzelle gerannt, um den Termin nicht platzen zulassen. Nach mehrmaligen Versuchen klappte es dann doch noch, nur der Fahrer hatte keine Zeit. Also kippte er uns die Fuhre teilweise einfach ab. Dabei gingen eine ganze Menge der Steine kaputt.
Na ja, Hauptsache man hatte Steine, reklamieren war nicht, auch wurden halbe und jedes noch so kleine Stück mit vermauert. Ein alter Mischer von einem Bauherrn, der es geschafft hatte, wurde besorgt und mit Hilfe eines Kollegen nach Feierabend und am Wochenende gemauert.
Herrlich, endlich konnte man etwas sehen. Die Größe und Anzahl der Fensteröffnungen ergab sich aus den im alten Garten lagernden Fenstern und zügig konnte es nun weitergehen.
Zwangspause und Richtfest
Aber bisher hatten wir die passenden Fensterstürze noch nicht. Das bedeutete, es ging nicht weiter. Auch beim Mehrzweckschuppen kamen wir nicht wirklich weiter, dort fehlte uns das Dachmaterial. Wir bekamen schließlich Stürze, viel zu groß und zu schwer, aber wir konnten weiter und „sparten“ ein paar Mauersteine.
Statt Ringankersteinen, die es sowieso nicht gab, wurde eine Schalung gebaut, Moniereisen (wo wir dieses her hatten, wissen wir nicht mehr) hineingelegt und mit Beton vergossen. Die Dachbinder wurden mit vereinter Muskelkraft, denn Hilfe untereinander war in der DDR selbstverständlich, hinaufgehievt und fixiert. Herrlich, jetzt war Richtfest.
Weitere abenteuerliche Materialbeschaffungen
Aber schon wartete das nächste Problem auf uns und das hieß Holz für das Dach. In Leipzig war kein Holz zu bekommen, also hatten wir in der Thüringer Presse eine Annonce aufgegeben, da wir wussten, dass es dort durch die großen Wälder auch bei Privatleuten Holzreserven gab. Wir hatten tatsächlich Glück. Mit Trabbi und Hänger ging es ab nach Thüringen. Dort vor Ort wurde ein Gestell gebaut, so dass die Bretter übers Trabbidach ragten und man nur ganz langsam fahren konnte. Über eine solche Fuhre würde man heute nur den Kopf schütteln.
Leider reichte das Holz nicht für das gesamte Dach, aber zum Glück meldete sich bei uns noch ein weiterer Thüringer. Ein klitzekleines Problem gab es aber doch, wir mussten die gesamten, auf dem Hof lagernden, Bretter nehmen. Deren Transport ging aber wieder nur mit einem LKW. Na, ja der Betrieb meines Mannes hatte eine Anlieferung in der Nähe und er bekam den LKW zum Rücktransport der Bretter. Nun hatten wir wenigstens noch Tauschware.
Es löste sich so langsam ein Problem nach dem anderen:
- Dachlatten für den Mehrzweckschuppen, in einer Bauversorgung erstanden, zur richtigen Zeit am richtigen Fleck, waren aber 6m lang und mussten sofort mitgenommen werden (reserviert wurde nicht!). Aus einer Dachlatte wurde wieder ein Gestell vor Ort gebaut, so dass die Dachlatten dann vorn übers Trabbi-Dach ragten und hinter dem Hänger fast am Boden schliffen. Damit wurde der Hänger hinten so schwer und die Hängerkupplung so angehoben, dass die Hinterräder des Trabant fast die Bodenhaftung verloren. Ein Polizeifahrzeug, das uns begegnete, fuhr trotzdem weiter. Vielleicht baute man ja selbst.
- Für das Dach des Mehrzweckschuppens brachte mein Mann eines Tages von einem Lehrgang in Magdeburg (mit der Bahn und der Straßenbahn!) eine große Rolle Wellplast (ca. 15 x 2,5 m) mit. Eine Schinderei!
- Auch die Preolit- Schindeln für das Dach des Bungalows und eine Tür wurden nach mehrmaligen vergeblichen Anläufen in einer Baustoffversorgung erstanden und wir Glückspilze bekamen auch noch ca. 100 Klinker für die Esse.
So konnte der Rohbau noch vor dem die Welt und damit auch unsere kleine Bauwelt völlig verändernden Herbst//Winter 1989 fertig gestellt werden.
Bauabschluss unter paradiesischen Bedingungen
Der Innenausbau und die Baumaßnahmen zur Ver- und Entsorgung vollzogen sich dann ab Frühjahr/ Sommer 1990 und da sah die Welt ganz anders aus.
Mit der Währungsunion konnten wir nun leicht ordentliches Material kaufen, allerdings noch nicht gleich in Ost-Deutschland. Da wurde das Verkaufsnetz erst aufgebaut. Wir waren noch total unerfahren. So fuhren wir gleich Anfang Juli das erste Mal nach West- Deutschland und suchten spezielle Anschlussmaterialien für die Wasserzuleitung. Nachdem wir uns durchgefragt hatten, landeten wir in einem Klempnereigroßhandel. Die Mitarbeiter wunderten sich darüber, dass Nichtfachleute bzw. Privatpersonen Klempnermaterial noch dazu in relativ geringer Stückzahl mit Barzahlung kaufen wollten. Aber in der Wendeeuphorie freuten sie sich, dass sie uns Ossis helfen konnten, obwohl es eigentlich nicht üblich war, Privatkunden zu bedienen.
Beim Innenausbau schwelgten wir förmlich in der Materialauswahl. Aber: Wer die Wahl hat, hat auch die Qual der Wahl. Das musste auch erst mal gelernt werden.
Wenn wir im Frühjahr/ Sommer 1989 geahnt hätten, dass bald alle Baumaterialien einfach und unkompliziert zu haben sein würden, dann hätten wir uns viel Mühsal und Schinderei erspart. Wer konnte das schon ahnen. Wir hätten dann aber auch nicht so stolz auf das Geschaffene sein und so ein großes Glücksgefühl entwickeln können.
So entstand nämlich in der ehemaligen DDR die trotz allem vorhandene Zufriedenheit. Wir waren es eben auch nicht anders gewöhnt. Die Schilderungen mögen selbst für einen Ossi überspitzt erscheinen, die Materialbeschaffung verlief aber so, wenn man keine Beziehungen bzw. Gegenwerte (Material, Leistungen oder „blaue Fliesen“) hatte. Was die Transportfragen betrifft, war mein Mann sicher besonders einfallsreich und verbissen, es trotzdem zu schaffen. Jedenfalls genossen wir dann unser Anwesen in vollen Zügen, welches wir dann sogar noch durch einen Swimmingpool ergänzten.