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Der Versuch einer Reform der Universität (1502)

Als Folge der Leipziger Teilung des Wettinischen Herzogtums im Jahre 1485 wurde im ernestinischen Gebiet eine neue Universität in Wittenberg gegründet (18. Oktober 1502). Damit war für die Leipziger Universität ein Konkurrent erwachsen.
Unmittelbar nach dieser Gründung erschien der albertinische Herzog Georg in Leipzig und beauftragte Rektor, Magister und Dozenten, jeweils ein Gutachten über die Zustände an der Universität anzufertigen. 45 Schriftstücke ließ Georg am gleichen Tag einsammeln, so daß kein Austausch untereinander stattfinden konnte.
Diese Stellungnahmen sind eine einzigartige Quelle über die Zustände an der Universität um 1500. Die an der Spitze stehende Theologische Fakultät stand besonders unter Beschuss. Wer von den Magistern Pfründe in Naumburg oder Merseburg hatte, kam nur noch selten nach Leipzig. So hatte mancher nur wenige Vorlesungsstunden im Jahr nachzuweisen, der Stoff wurde maßlos in die Länge gezogen.
Junge Magister wurden mit allen Mitteln schikaniert, u.a. wies man ihnen Vorlesungszeiten von vier bis fünf Uhr früh an, zu denen natürlich die Studenten wenig Hang zur Wissenschaft verspürten.
Die Cliquenwirtschaft war stark ausgeprägt. Einen wesentlichen Einfluss übte z.B. der "Schwäbische Bund" aus, benannt nach seinem Oberhaupt, Magister Johannes Fabri de Werd aus Schwäbisch-Wörth. Insbesondere wurde von ihm das Eindringen des Frühhumanismus in die Lehrinhalte der Universität behindert.

Stromer
 
Heinrich Stromer von Auerbach  
Einer der Gutachtenverfasser war Heinrich Stromer von Auerbach (zeitgenössischer Holzschnitt eines unbekannten Künstlers 1), bekannt auch als Gründer des nach ihm benannten Messehofes mit Weinkeller in Leipzigs Innenstadt. Stromer, damals junger Magister und späterer Rektor der Universität (siehe Auszug aus Matrikel A, Sommer- semester 1508, Bl. 198, Rector Heinrich Stromer von Auerbach 2), charakterisiert die Situation treffend wie folgt:
 
Matrikel
  Aus Matrikel von 1508
"Etliche alte Magistri, welche alleyn Iren nutz und nicht den gemaynen fudern, Sunder hyndern", wollen "kaynen gelernten jungen magistrum zu dignitet oder standt" erwählen, "sonder dy alzeit verwerffen".
Er rät dazu, die alten Magister abzusetzen,
"sonst ... wirt es nymermer gut yn der universität, wan sy lieben mehr das gelt den den gemeynen nutz ... Item wir jungen magistri durffen nicht annemen Bacc. zu promovieren, Sy meyden und vervolgen unns" 3.
Georg von Sachsen versuchte mit kleineren Reformen die Situation zu verändern. Er führte unentgeltliche Vorlesungen ein und wies bestimmte Fächer den Magistern zu. 23 Magister wurden zu Professoren (alter Stiftung) ernannt. Zu notwendigen neuen Professuren fehlten ihm jedoch die Mittel, hatte er sich doch wenige Wochen vorher erst von der Artistenfakultät 500 Gulden geborgt:
"Herzog Georg von Sachsen ersuchte die Artistenfalfultät um ein Darlehen von 500 Gulden, welche er am Ausgange des nächsten Leipziger Michaelismarktes wieder zurückzuzahlen verspricht - Dresden, 1502 Juli 23." 4
So blieben Organisation und Lehrbetrieb der Universität im Wesentlichen unverändert. Trotzdem hatte der Reformversuch zu bescheidenen Zugeständnissen an den Humanismus geführt. 1503 wurde die Besoldung eines Poeten gewährt, so daß neben Grammatik und Dialektik auch die Rhetorik gelehrt werden konnte.
Die Leistungen des Frühhumanismus in Verbindung mit dem Aufschwung des Buchdruckes in der Messestadt zogen zahlreiche Studenten nach Leipzig und die Universität war bis zur Reformation die meist besuchte deutsche Hochschule. Danach wurde sie von Wittenberg abgelöst.

1 Lothar Rathmann ALMA MATER LIPSIENSIS, Leipzig 1984, S. 38
2 ebenda, S. 41
3 ebenda, S. 39
4 Urkundenbuch der Universität Leipzig 1409 bis 1555, Hrsg. von B. Stübel, Leipzig 1879, S.261 - Nr.221

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