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Christian Thomasius, ein Vertreter der Frühaufklärung in Leipzig


Thomasius
 
Christian Thomasius  
Christian Thomasius wurde am 1. Januar 1655 in Leipzig als Sohn des berühmten Jakob Thomasius (lehrte Philosophie an der Leipziger Universität, war später Rektor der Thomas- und Nikolaischule, Lehrer von Leibniz) geboren. Von 1669 bis 1672 studierte Christian Thomasius Philosophie an der Leipziger Universität, wandte sich aber nach Erlangung des Magistergrades der Jurisprudenz zu und promovierte 1679 zum Dr. iuris. Er war Advokat in Leipzig und lehrte an der Universität. Sein Talent, unangenehm mit geltenden Konventionen zu brechen, ließ ihn in mehrfacher Hinsicht zum Neuerer werden.
In einer der ersten Publikationen "Institutiones jurisprudentiae divinae" trat Thomasius 1682 für die Trennung von Kirche und Staat ein, was einen Affront der Orthodoxie darstellte.
1685 erregte er Aufsehen an der Leipziger Universität mit seiner Untersuchung "De crimine bigamiae". Das Thema löste Befremden unter den juristischen Kollegen aus, denn Thomasius vertrat die Ansicht, dass sich die Pflicht zur Einehe nicht naturrechtlich ableiten lasse.
Auch in seiner äußeren Erscheinung entsprach er nicht der Erwartungshaltung seiner Zeit, erschien er doch im farbigen Modeanzug mit Kavaliersdegen statt im Talar vor seinen Studenten.
Einen großen Faux pas beging er jedoch 1687, als er erstmals eine in deutscher Sprache gehaltene Vorlesung ankündigte. Damit war er der erste, der in Deutschland einen Angriff auf die Alleinherrschaft der internationalen Gelehrtensprache, des Latein, wagte. Er setzte sich gegen den Protest seiner Juristenkollegen durch, die 1705 der Neuerung mit einer Kabinettsordre Einhalt gebieten wollten. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurden Vorlesungen zunehmend in Deutsch gehalten, auch wenn Latein bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts eine starke Rolle im universitären Unterricht behielt. Die Neuerung, Vorlesungen in deutscher Sprache zu halten, beschleunigte auch die Entwicklung einer deutschen Nationalliteratur.

 
Monatsgespräche
  Monatsgespräche 1688/1689
Immer wieder zog er sich den Zorn der Leipziger Theologen zu; mächtige Gegner erwuchsen ihm durch seine kritischen Beiträge in den von ihm begründeten "Monatsgesprächen". Mit dieser zwischen 1688 und 1690 erscheinenden Monatsschrift "über allerhand / fürnehmlich aber neue Bücher" wurde Thomasius zum Begründer der deutschen Journalistik. Er griff darin die Heuchelei der Rechtgläubigen, den scholastisch überalterten Universitätsbetrieb und auch den fürstlichen Polizeistaat an, wurde so zum Todfeind der geistigen und politischen Elite seiner Vaterstadt.

Am 10. März 1690 kulminierte dieser Streit. Auf Betreiben der Geistlichkeit und seiner Juristenkollegen wurde in einem Konsistorial-Reskript die Tätigkeit des Hochschullehrers und Publizisten Thomasius in Kursachsen beendet. Als Vorwand diente ein Gutachten, worin er die reformiert-lutherische Mischehe zwischen Moritz Wilhelm von Zeitz mit einer brandenburgischen Prinzessin für einwandfrei erklärte.

Es folgte eine schaffensreiche Zeit im brandenburgischen Halle. Er war maßgeblich an der 1694 erfolgten Gründung der Universität Halle beteiligt. Kritisch setzte er sich mit der Folter und den Hexenprozessen auseinander. 1697 veröffentlichte er eine Schrift mit dem Titel "Ob Ketzerey ein straffbares Verbrechen sey". In dieser und in folgenden Veröffentlichungen legt er sowohl Fundamente heutigen Strafrechtsdenkens als auch die Grundlage für die endgültige Abschaffung der Hexenprozesse.
1705 veröffentlichte er sein Werk "Fundamentum iuris naturae et gentium". Er forderte darin ein Recht ohne religiösen Bezug. Drei Prinzipien des Naturrechts sollten den Menschen zur Glückseligkeit führen: Die Regel des Ehrbaren oder Honestum, die lautet "Was du wilt/daß andere sich thun sollen/das tue dir selbsten." Die zweite Regel, das Wohlanständige beziehungsweise Decorum ist durch den Satz "Was du wilt/daß andere dir thun sollen/das thue du ihnen" definiert. Drittens heißt es bei Thomasisus für das Gerechte, das Iustum: "Was du dir nicht wilt gethan wissen/das thue du andern auch nicht." Hier wird von ihm bereits die Trennung von Moral und Recht vorweggenommen.

Sein großes Verdienst auf rechtlichem Gebiet besteht darin, dass die endgültige Abschaffung der Hexenprozesse und der Folter durch Friedrich den Großen direkt auf ihn zurückgehen. Thomasius bezeichnete die Folter als Schmach christlicher Staaten. Seine Forderung wurde zunächst in Preußen Wirklichkeit, 1740 wurde dort die Folter abgeschafft.
Darüber hinaus sagte er dem Hexenwahn den Kampf an. Er forderte die Abschaffung der Hexenprozesse, da die Hexerei für ihn ein nur fiktives Verbrechen darstellte. Er stellte den Glauben an den Teufel in Frage und entzog somit dem Hexenwahn, der auf der Vorstellung des Teufelspaktes beruhte, die Grundlage. 1728 wurde in Preußen die letzte Hexe verbrannt. Friedrich der Große schrieb später in der "Geschichte meiner Zeit": "...er machte die Richter und den Hexenprozess lächerlich, er lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit auf die körperlichen und natürlichen Ursachen der Dinge und eiferte so stark, daß sie sich schämten, derartige Prozesse fortzusetzen; seitdem kann das schöne Geschlecht in Frieden altern und sterben."

Die historische Bedeutung von Christian Thomasius besteht darin, dass er einen lebenslangen Kampf für die Freiheit zu denken, zu lehren und zu schreiben geführt hat. Dafür würde ihm die Dankbarkeit der Nachwelt gebühren. Heute ist der Leipziger aus dem Bewußtsein der Gebildeten allerdings weitgehend verschwunden, im Gegensatz zu Leibniz und Kant. Ein Grund dafür liegt sicher im Fehlen eines großen wissenschaftlichen Werkes. Er hinterließ kein philosophisches Lehrsystem, auch keine akademische Schule im strengen Sinne. Praktisches Wissen war ihm wichtiger als weltferne Gelehrsamkeit. Christian Thomasius war ein Mann der Gegenwart, der sich auf den unmittelbaren, konkreten Erfolg konzentrierte.

Quelle:
Rathmann, L. (Hrsg.): Alma mater Lipsiensis Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, Leipzig 1984

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