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Studentisches Leben - Deposition und Pennalismus

Mit der Einführung der Reformation zerfielen auch die strengen Studier- und Lebens-Gemeinschaften der Studenten, die Bursen. In zunehmenden Maße kamen die Studenten in den Häusern der Bürger oder in Alumnaten (Wohnheimen) unter und waren damit dem Zwang der Bursenordnungen nicht mehr ausgesetzt. Das führte zu einem "freieren" Leben in der Stadt - nicht jedoch immer zu mehr Moral und Ordnung. Wiederholt traten Auseinandersetzungen mit Handwerksgesellen und Stadtsoldaten (sog. Häschern) auf. Veranstaltungen, wie Gottesdienste oder Hochzeiten Leipziger Bürger wurden von den Studenten gestört. Besonders während des Dreißigjährigen Krieges war das Studentenleben auf einem moralischen Tiefstand. Schlägereien, Duelle, Trink- und Essgelage gehörten zum Alltag der Studierenden in dieser von allgemeiner Disziplinlosigkeit gekennzeichneten Zeit.
Ihren Lebensunterhalt bestritten die Studenten mit Geldzuwendungen des Elternhauses, wobei hier eine strenge Kontrolle durch regelmäßige Auflistungen der Ausgaben üblich war. Hinzuverdienstmöglichkeiten ergaben sich als Helfer für Professoren (z.B. Abschriften anfertigen), als Hauslehrer für bürgerliche Kinder, als Gedichteschreiber auf Bürger der Stadt, mit Kantorei-Gängen (Singen zu bestimmten Anlässen) oder mit Theateraufführungen. Auch Stipendien waren seit der Universitätsreform von 1580 im begrenzten Umfang möglich.
Die Studenten organisierten sich nach ihrer Herkunft in Landsmannschaften, die eine gegenseitige Unterstützung gewährleisteten. Von der Universitätsleitung wurden diese Vereinigungen nicht gern gesehen und sie lösten sich in Leipzig auch bald wieder auf.

Depositionsindtrumente
 
Depositionsindtrumente  
 
Beim Eintritt in die Universität mussten sich die Studenten einer Zeremonie, der sogenannten Deposition unterziehen. Dabei sollte ihnen ihre Tölpelhaftigkeit und Unbildung durch Absägen der Hörner an einer übergeworfenen Ochsenhaut, durch Ausbrechen der Zähne oder Abrasieren des Bartes an Attrappen oder andere "Gräuel" ausgetrieben werden. Als Depositionsinstrumente dienten Beil, Zangen, Kamm, Hobel, Besen und ähnliches. Die Leipziger Werkzeuge sind im Original erhalten und in der Dauerausstellung der Kustodie zu sehen.
Anschließend fand ein gemeinsames Essen mit den Peinigern auf Kosten des Studenten statt, erst dann erteilte der Magister die Absolution.


 
Student
  Leipziger Student im 17. Jahrhundert
Anschließend musste der Student 1 Jahr, 6 Monate und 6 Tage als Pennäler verbringen. In dieser Zeit war er den älteren Studenten zu Diensten verpflichtet, wie Kleidertausch, Stube sauber halten, Botengänge ausführen, Bücher, Kolleghefte oder Geld abliefern und andere untergeordnete Tätigkeiten. Ein Pennäler durfte keinen Degen und keinen langen Zopf tragen und den Hut nicht mit einer Feder schmücken - wie ein ordentlicher Student aus Leipzig.
Dieser Pennalismus ist wahrscheinlich in den sächsischen Universitäten entstanden und breitete sich über das ganze Reich aus. 1657 auf dem Reichstag zu Regensburg einigten sich die Reichsstände zu einem staatlichen Verbot. Auch Kursachsen unterstützte dieses Verbot mit einem "Edikt und ernster Befehl zur gänzlichen Abschaffung des Pennalwesens auf der Universität von Leipzig" aus dem Jahre 1661.

Karzer
 
Student im Karzer
Aus der Hanschriftensammlung der Universitätsbibliothek
 
 
Bei Verstößen gegen diese Anordnung und auch anderen groben Disziplinlosigkeiten drohten den Studenten Arrest im Karzer, Verhängung des "Consilium abeundi" (der Rat, die Universität zu verlassen), eine zeitweilige Verweisung oder der dauernde "schimpfliche" Ausschluss vom Studium, die Relegation.

Ein für das Studentenleben jener Zeit charakteristisches Bild zeichnet die 1657 erschienene "Commoedia vom Studentenleben" von Johann Georg Schoch aus Leipzig. Schoch beschreibt darin ausführlich die Zeit von der Ankunft des Studenten in Leipzig über die Deposition und die Pennal-Monate bis zum Abschluss des Martyriums, der meist noch eine finanzielle Zuwendung des Vaters erforderlich machte.

Quelle:
Rathmann, L. (Hrsg.): Alma mater Lipsiensis Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, Leipzig 1984

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