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Die wissenschaftliche Entwicklung
zu Beginn des 17. Jahrhunderts
- Jurisprudenz -

In der Lehre und Anwendung war das Römische Recht aus dem 6. Jahrhundert maßgebend. Für Sachsen galt zusätzlich der "Sachsenspiegel" von Repkow aus dem 13. Jahrhundert. Diese relativ veralteten Rechtsauffassungen drängten zu Erneuerung.

In Leipzig verfasste Benedikt Carpzov (1595 - 1666) ein neues Werk zum Recht, und hier vor allem zum Strafrecht.
 
Carpzov
  Benedikt Carpzov
Carpzov wuchs in Colditz auf, studierte in Wittenberg Philosophie und Jurisprudenz. Seine Studien, die sich bald ausschließlich auf die Rechtswissenschaft bezogen, setzte er in Jena und Leipzig fort. 1620 wurde Carpzov als außerordentliches Mitglied an den Schöppenstuhl in Leipzig berufen. Bald danach wurde er ordentlicher Beisitzer und stieg 1633 zum Senior des Spruchkollegiums auf. Im Nebenamt bekleidete er noch eine Beisitzerstelle im Ober- hofgericht und eine Ratsstelle am Appellations- gericht in Dresden. An der Leipziger Universität übernahm er 1644 das Ordinariat der juristischen Fakultät. Seine Tätigkeit hier umfasste nicht nur Vorlesungen, sondern auch das Dekanat und den Vorsitz im Spruchkollegium der Fakultät. Carpzov gewann durch seine Mitgliedschaft in den zwei wichtigsten sächsischen Gerichten ungewöhnlichen Einfluss auf die Rechtsprechung im Kurfürstentum. Die Wirkung des Leipziger Schöppenstuhles - eine zweite Einrichtung dieser Art in Sachsen war in Wittenberg angesiedelt - reichte sogar über die Landesgrenzen hinaus, da auch viele Gerichte aus ganz Deutschland den Schöppenstuhl in Leipzig befragten.
Carpzov war auf Grund der Erfahrungen aus der langjährigen Praxis an den Gerichten sowie der mit Fleiß und Eifer betriebenen Studien zahlreicher einschlägiger Schriften seiner Zeit einer der führenden Juristen der Rechtsepoche des "Usus modernus". Diese führte zur Herausbildung eines römisch-deutschen Rechtes, welches aus den Quellen der römisch-rechtlichen Tradition und den heimisch-deutschen Gewohnheiten, Land- und Statutarechten gespeist wird. Mit Carpzov als geradezu klassischen Vertreter dieser Rechtspraxis war es die sächsische Jurisprudenz, die die deutsche Rechtsentwicklung dieser Zeit maßgeblich beeinflusst und bestimmt hat.
Sein bekanntestes Werk ist die "Practica nova Imperialis Saxonica rerum criminalium", in der er das materielle Strafrecht und das Strafprozessrecht vom Anfang des 17. Jahrhunderts darstellt. Dadurch erfuhr das deutsche Strafrecht eine so umfassende und eindringliche Darstellung, dass diesem Buch über ein Jahrhundert lang fast gesetzesgleiche Autorität zukam. Carpzovs Strafrechtsdenken ist durch starkes Verhaften in der Religion seiner Zeit gekennzeichnet. Jedes Verbrechen galt als Auflehnung, letztlich als Beleidigung Gottes selbst. So war für Carpzov der Täter nicht nur ein Rechtsbrecher, der gegen ein staatliches Verbot verstoßen hat, sondern auch ein Sünder, der sich gegen Gott aufgelehnt hat. Die Strafe besaß für ihn neben der Vergeltung auch die Funktion der Abschreckung der Allgemeinheit vor dem Verbrechen. Neben der zeitbedingten Härte seiner Strafauffassung - der 30-jährige Krieg ging einher mit einem wachsenden Sittenverfall - war auch das Bestreben nach Gerechtigkeit bei der Bestrafung des Rechtsbrechers vorhanden. Diesem Ziel diente u.a. eine Verfeinerung des Schuldbegriffes, eine begrenzte Anordnung der außerordentlichen Strafe sowie eine Einschränkung der rechtlichen Auslegung und Analogie. In Strafprozessen bemühte er sich darum, die Anwendung der Folter in möglichst engen Grenzen zu halten und eher einen Schuldigen freizusprechen als einen Unschuldigen zu verurteilen.
In Prozessen gegen Hexen, an deren Existenz Carpzov nicht zweifelte, werden ihm eine Vielzahl von Todesurteilen nachgesagt. Allerdings ist keine einzige Beteiligung Carpzovs an einem Todesurteil gegen Hexen nachweisbar.
Mit der schrittweisen Besetzung der Gerichte und Amtsstuben durch an den Universitäten ausgebildete Juristen wird die Rechtsprechung der "Usus modernus" - wesentlich geprägt von der Person und dem Werk Benedikt Carpzovs - im deutschen Justizalttag über einen langen Zeitraum Praxis.

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