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Denkumbrüche in der Lehre

Kursachsen war 1806 von Napoleon zum Königreich erhoben worden. Nach dem Wiener Kongress 1815 verlor es jedoch mehr als die Hälfte seines Territoriums, so auch die Universität Wittenberg an Preußen. Dadurch konnten die Mittel des Staates auf eine Universität konzentriert werden, was eine rege Bautätigkeit sowie eine reichhaltige Ausstattung mit Professuren - besetzt meist mit Spitzenkräften - ermöglichte. Beides zusammen brachte in Verbindung mit den neuhumanistischen Ideen Wilhelm von Humboldts viel Neues in der Ausbildungsmethodik sowie an geistigen Leistungen hervor, sodass sich Leipzig im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts nicht nur von der Studentenzahl zu einer führenden Universität innerhalb des Deutschen Bundes entwickeln konnte und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Weltgeltung erreichte.
An einigen ausgewählten Wissensgebieten sollen die Denkumbrüche und Leistungen der Universität zu Beginn des 19. Jahrhunderts vergegenwärtigt werden.

In der Physik wird das Experiment als neues didaktisches Mittel in die Ausbildung eingeführt. Weg von der bloßen Interpretation physikalischer Texte aus der Literatur wird die Durchführung von Experimenten und die Auswertung ihrer Ergebnisse zu einer völlig neuen Lehrmethode. Hatten bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts Professoren mit ihren privaten Apparaturen physikalische Vorgänge demonstriert - manchmal auch als Schauveranstaltung für ein breiteres Publikum - so wurden 1785 im Paulinum ehemalige Klosterzellen in ein universitätseigenes Physikalisches Kabinett umgestaltet. Die Räume waren jedoch für die immer umfangreicher werdenden Gerätschaften wenig geeignet. Erst mit dem Bau des Augusteums durch Albert Geutebrück 1835/36 konnte den Anforderungen entsprochen und eines der ersten staatlichen physikalischen Institute in Deutschland eingerichtet werden.

Annalen der Physik
 
Titelblatt von 1802  
Die Physik gewann in dieser Zeit in Leipzig enorm an Wertschätzung und Eigenständigkeit als Wissenschaftsdisziplin. Neue Teilgebiete der Physik wurden entwickelt, so von Christian Samuel Weiß (1780 - 1856) ein neues geometrisches System der Kristallographie, von Georg Heinrich Borz (1714 - 1799) Gebiete der Hydrodynamik und der Optik oder von Gustav Theodor Fechner (1801 - 1887), der seit 1824 Vor- lesungen über Galvanismus, Elektrizität, Elektro- magnetismus und Elektrochemie hielt.

1801 übernahm Ludwig Wilhelm Gilbert (1769 - 1824) den Lehrstuhl für Physik und hat sich bei der Herausgabe der "Physikalischen Annalen" große Verdienste erworben. Bis zu seinem Tode entstanden 76 Bände. Danach fanden sie ihre Fortsetzung in "Poggendorfs Annalen der Physik und Chemie".
Mit dieser heute noch existierenden und in Leipzig verlegten ältesten physikalischen Zeitschrift hatte Gilbert eine schon über 200 Jahre währende Tradition begründet.


Das Medizin-Studium erlebte in dieser Zeit den nachhaltigsten Umbruch mit der 1799 erfolgten Einrichtung eines Klinischen Instituts im städtischen Krankenhaus St. Jakob mit anfangs vier Betten. 1812 führte diese Entwicklung zur ordentlichen Professur für "Klinik". Mit den Unterweisungen direkt am Krankenbett konnten nun praktische Elemente der Krankenbehandlung und Krankenpflege in die Ausbildung der Ärzte einbezogen werden. So fanden erstmals unter den Augen der Studenten Patientenuntersuchungen, aber auch chirurgische Demonstrationen und pathologisch-anatomische Sezierübungen statt. Die bisher überwiegend theoretisch orientierte Ausbildung wurde damit sinnvoll ergänzt.
 
Jörg
  Johann Gottfried Jörg
Es folgten weitere Gründungen von Universitätskliniken, die Lehre, Forschung und praktische Heilbehandlung miteinander verbanden.

1810 wurde mit Mitteln der Trierschen Stiftung eine Gynäkologische Klinik eingerichtet, der eine Schule zur Ausbildung von Hebammen angeschlossen war. Sie gilt als Vorläuferin der späteren Universitäts-Frauenklinik.
An ihr lehrte und forschte Johann Gottfried Jörg (1779 - 1856), ein über Leipzig hinaus bedeutender Gelehrter und Arzt. Durch sein Wirken wurde die Gynäkologie zu einem eigenständigen Fachgebiet an der Medizinischen Fakultät.

Mit der Gründung der "Heilanstalt für arme Augenkranke" am 1. Juni 1820 durch Friedrich Philipp Ritterich (1782 - 1866) entwickelte sich in Leipzig frühzeitig auch die Augenheilkunde als Universitätsfach, was mit der Einrichtung eines Ordinariats 1828 unterstrichen wird.


Hermann
 
Gottfried Hermann  
Die Philologie hatte besonders durch die Gründung des "Philologischen Seminars" am 6. Dezember 1809, dem 400. Jahrestag der Gründung der Universität, neue Wege beschritten. Die gemeinsame Gestaltung des Lernprozesses durch Lehrende und Studierende revolutionierte die noch vorherrschenden scholastischen Methoden. Hervorgegangen war das Seminar aus der "Philologischen Gesellschaft" von Daniel Beck (1757 - 1832), in der die lateinische und griechische Sprache gepflegt wurden.
Eine analoge Gesellschaft für die griechische Sprache wurde von dem Leipziger Philologen und Professor für Beredsamkeit Gottfried Hermann (1772 - 1848) betrieben. Vor allem von seiner "Societas graeca" ging die Entfaltung hin zu mehr Eigenaktivität der Studierenden aus. Er stellte das Studium auf eine streng sprachwissenschaftliche Grundlage und führte die Studenten an die Forschungsarbeit heran und erreichte eine starke Ausstrahlung und hohe Anziehungskraft des philologischen Studiums an der Universität Leipzig im In- und Ausland. Als Philologe galt er als der bedeutendste Kenner der griechischen Sprache in seiner Zeit.

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