Die Göttinger Sieben und Wilhelm Eduard Weber
In der Bundesakte des Wiener Kongresses von 1815 war u.a. festgelegt, dass jeder deutsche Staat eine eigene Verfassung erhalten sollte. Gemäß dieser Forderung wurde 1833 in Hannover nach langwierigen Verhandlungen zwischen Krone und Ständen ein neues Staatsgrundgesetz für das Königreich Hannover verkündet. Es beschränkte die Macht des Monarchen und stärkte die Rechte der Stände. 1837 kommt es aufgrund der unterschiedlichen Erbfolge in England und Hannover zur Auflösung der Personalunion mit England 1. In England kommt Königin Viktoria auf den Thron, in Hannover König Ernst-August. Dieser hat die feste Absicht, die monarchische Machtvollkommenheit zu restaurieren, und hebt die Verfassung von 1833 wieder auf und ordnet Wahlen zur Ständevertretung nach der Verfassung von 1819 an. Die Empörung der Bevölkerung war groß, und in den Zeitungen erschienen Protestnoten.
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Die Göttinger Sieben |
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Professor Dahlmann von der Göttinger Universität bezeichnete die Entscheidung des Königs als Rechtsbruch. Sieben Göttinger Professoren: Jakob und Wilhelm Grimm (die Gebrüder Grimm), Friederich Christoph Dahlmann, Georg Gottfried Gervinus, Heinrich Ewald, Wilhelm Albrecht und Wilhelm Eduard Weber teilen der Universitätsverwaltung mit, dass ihr Gewissen ihnen befehle, der alten Verfassung treu zu bleiben. Der König war außer sich und befahl, die sieben Professoren sofort zu entlassen. Drei von ihnen wurden als Rädelsführer auch des Landes verwiesen. Daraufhin verließen alle sieben Professoren das Königreich Hannover oder zogen sich ins Privatleben zurück. Die Studenten und viele Menschen aus ganz Deutschland sprachen mit Hochachtung vom beispielhaften Verhalten der "Göttinger Sieben". Überall in den deutschen Städten schlossen sich Bürger zu "Göttinger Vereinen" zusammen - so auch in Leipzig - und unterstützten die Sieben durch Geldspenden bis zu ihrer Wiederanstellung. Trotz eines Sturms der Entrüstung sollte es insgesamt sechs Jahre dauern, bis auch der letzte von ihnen wieder eine Anstellung an einer deutschen Hochschule erhielt. Göttingen trug schwer an den Folgen dieser Entlassungen. Die Universität hatte sieben ihrer bedeutendsten Lehrer verloren, kein Gelehrter von Rang ließ sich als Nachfolger berufen. Die Universität hatte ihren bis dahin hervorragenden Ruf verspielt und so gingen die Studentenzahlen in den folgenden Jahren um fast die Hälfte zurück.
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Wilhelm Eduard Weber |
Wilhelm Eduard Weber, einer der "Göttinger Sieben", wurde am 24. Oktober 1804 in Wittenberg geboren. 1822 begann er das Studium der Mathematik und wurde 1826 an der Universität Halle promoviert. Sein Interesse galt früh der akustischen Wellenlehre. 1828 wurde er außerordentlicher Professor mit eigenem Lehrstuhl. Wegen seines guten wissenschaftlichen Rufs wurde er 1831 vom Mathematiker und Astronomen
Carl Friedrich Gauß an die Universität Göttingen berufen. Beide beschäftigten sich vorrangig mit erdmagnetischen Messungen. Zwecks schnellerem Austausch ihrer Messergebnisse wurde 1833 oberirdisch die erste brauchbare elektromagnetische Telegrafenlinie in Göttingen gebaut. Weber veröffentlichte mehrere wissenschaftliche Publikationen und konstruierte eine Reihe von Messinstrumenten, z.B. das Elektrodynamometer und Spiegel- galvanometer. 1837 wurde diese fruchtbare Zusammenarbeit wegen seiner mutigen Haltung als einer der "Göttinger Sieben" beendet.
Weber zog sich ins Privatleben zurück, bis er 1843 von der Universität Leipzig als Nachfolger von
Gustav Theodor Fechner den Lehrstuhl für Physik übernahm. In Leipzig stellte Weber ein Maßsystem für die Elektrizität vor, das auf die grundlegenden Einheiten der Masse, Länge und Zeit zurückgriff. 1846 war er einer der Gründungsmitglieder der "Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaft zu Leipzig". Die Akademie ließ für ihn die magnetische Messwarte in Leipzig bauen. 1849 ging er nach seiner Rehabilitierung und aus Freundschaft zu Gauß wieder nach Göttingen zurück. Er beschäftigte sich dort mit dem Phänomen Licht. Mit elektrischen Messungen ermittelte er die Geschwindigkeit des Lichts und schaffte damit die empirischen Grundlagen für die Entwicklung der Maxwellschen Elektromagnetik, die Licht als elektromagnetische Welle definiert. Als einer der ersten Physiker vertrat er ein atomistisches Modell der elektrischen Ladung und war damit der gedankliche Vater des Elektrons. Weber arbeitete später auch noch einige Jahre wieder in Leipzig. 1881 wurde sein Maßsystem der Elektrizität international anerkannt. Er starb 1891 in Göttingen. Ihm zu Ehren wird seit 1935 die Einheit des magnetischen Flusses in Weber (Wb) angegeben.
Als die "Göttinger Sieben" nach ihrer Rehabilitierung 1848 wieder nach Göttingen zurückberufen wurden, kehrte außer Wilhelm Eduard Weber nur noch Heinrich Ewald als gebürtiger Göttinger zurück.
1 Die Erbfolge in Hannover sah nur einen männlichen Monarchen vor.