Logo
Johann Gottfried Seume (1763-1810)

 
  Johann Gottfried Seume
Johann Gottfried Seume wurde am 29. Januar 1763 in Poserna bei Weißenfels geboren. Wenige Jahre später übernahm sein Vater in Knautkleeberg bei Leipzig ein Gasthaus, das die Familie aber nicht ernähren konnte und sie in den Ruin trieb. Bei seinem Tod 1776 hinterließ der Vater eine mittellose Frau mit fünf unmündigen Kindern.
Der Zufall bescherte dem jungen Johann Gottfried mit dem Grafen von Hohenthal-Knauthain einen Gönner und Förderer. Von ihm wurde er nach dem Besuch der Stadtschule in Borna und der Nicolaischule in Leipzig 1780 mit bescheidenen Mitteln und dem Auftrag, Theologie zu studieren, auf die Leipziger Universität geschickt. Aber Seume entzog sich dem Studium, indem er 1781 Leipzig mit Ziel Paris verließ. Hinter Eisenach wurde er von hessischen Werbern zum Soldaten gezwungen, an die Engländer verkauft und nach Amerika verschifft. Seume war einer von rund 20.000 Rekruten, an denen der Landgraf Friedrich II von Hessen-Kassel über 20 Millionen Taler verdiente.
Als der nordamerikanische Staatenbund seine Unabhängigkeit erkämpft hatte, kamen die Rekruten 1785 wieder in Bremen an. Das Gerücht, an die Preußen verkauft werden zu sollen, trieb Seume zur Flucht, doch er fiel den Preußen in die Hände und wurde in preußischen Militärdienst nach Emden gezwungen. Von dort desertierte er und gelangte 1787 wieder nach Leipzig.

1789 erfolgte durch erneute Förderung des Grafen Hohenthal-Knauthain die zweite Immatrikulation an der Leipziger Universität. Diesmal studierte er Jura, Philosophie, Altphilologie und Geschichte. Übersetzungen und kleinere literarische Arbeiten halfen ihm zu überleben. Die Möglichkeiten, etwas zu verdienen, verhalfen ihm Christian Felix Weiße, der ihm eine Stelle als Hofmeister und Erzieher bei dem jungen livländischen Grafen von Igelström verschaffte, und dem Verleger Georg Joachim Göschen. 1792 promovierte er, schlug allerdings niemals die akademische Laufbahn ein. Er wollte unabhängig bleiben und lehnte zeitlebens alle Angebote einer gesicherten Lebensstellung ab. Ihm genügte, was Privatstunden und Schriftstellerei einbrachten.

Im Sommer 1792 trat er in russische Dienste beim Onkel des jungen Igelström, der Oberkommandierender der zaristischen Truppen in Polen war. Seume wurde Schreiber, Dolmetscher, Sekretär und Adjutant. Diese Tätigkeit endete mit der Niederschlagung des polnischen Aufstandes 1795. Danach arbeitete er wieder in Leipzig als Hauslehrer. Von 1797 bis 1801 war er Korrektor bei Göschen in Grimma, wo er die Wieland- und Klopstock-Ausgabe betreute.

1801 brach er zu einem Spaziergang nach Weimar zu Wieland, Herder, Goethe, Schiller, Kotzebue und Böttiger, Ende 1802 zu seinem Spaziergang nach Syrakus auf. Er nannte seine Fußreise "Tornistern" und bemerkte dazu:
"Wer geht, sieht im Durchschnitt anthropologisch und kosmisch mehr als wer fährt....Sobald man im Wagen sitzt, hat man sich sogleich einige Grade von der ursprünglichen Humanität entfernt."
Er war entsetzt über die chaotischen Verhältnisse im Italien nach Napoleons Feldzügen, über Mißwirtschaft, Schmutz, Armut, Verbrechen, Verwahrlosung, Willkür des Adels und Verlogenheit des Klerus. Keiner, der vor ihm über Italien schrieb, hat das Land so radikal gemustert, keiner war politisch so engagiert. Er hielt sich nicht lange an prächtigen Denkmälern und schönen Landschaften auf, dafür sah er, was seine Vorgänger nicht sahen oder nicht für mitteilenswert hielten, zum Beispiel:
..."Die Straßen von Rom sind nicht allein mit Bettlern bedeckt, sondern diese Bettler sterben daselbst vor Hunger und Elend." ...
Vor dem Antritt seiner Fußreise war Seume wenig bekannt, aber mit dem Erscheinen seines Buches "Spaziergang nach Syrakus" (1803) wurde er berühmt. 1805 folgte noch eine Reise nach Russland, Finnland und Schweden.
Krankheitsbedingt geriet er in seinen letzten Lebensjahren in wirtschaftliche Not und starb am 13. Juni 1810 während eines Kuraufenthaltes, den ihm Freunde bezahlt hatten, in Teplitz. Seine Autobiographie "Mein Leben" blieb ein Fragment.

Der kulturhistorische Wert seiner Reiseberichte und autobiographischen Schriften ( "Einige Nachrichten über die Vorfälle in Polen im Jahre 1794", 1796; "Spaziergang nach Syrakus", 1803, 3 Bände; "Mein Sommer im Jahre 1805", 1806; "Mein Leben", 1813) beruht besonders auf der Schilderung wirtschaftlicher und sozialer Verhältnisse, die er mit klarem Blick in der Heimat und auf seinen Reisen beobachtete. Daneben schrieb er Lieder, die sich bis heute als Gemeingut erhalten haben, z.B. Wo man singt, laß dich ruhig nieder... Auch als Dramatiker tat er sich hervor ("Miltiades. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen", 1808). Seine 1807 abgeschlossene Aphorismensammlung "Apokryphen" erschien erst posthum und dazu noch verstümmelt 1811, da er aufgrund ihrer politischen Brisanz zu Lebzeiten weder einen wohlgesinnten Zensor noch einen Verleger fand. Im vollen Wortlaut erschienen sie erst 1879.

 Zur Zeittafel      Seitenanfang      Diese Seite drucken