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Friedrich Constantin Tischendorf


Tischendorf
 
Friedrich Constantin Tischendorf  
Friedrich Constantin Tischendorf, geboren am 18.01.1815, hat im 19. Jahrhundert der Universität Leipzig weit über die Grenzen Sachsens hinaus zu hohem Ansehen verholfen und nimmt einen besonderen Platz in der Geschichte der Universität ein. Als Mitglied der Theologischen Fakultät machte er mit seinen Handschriften- forschungen Leipzig - nicht zuletzt durch die Entdeckung des so genannten Codex sinaiticus, einer griechischen Handschrift der Bibel aus dem 4. Jahrhundert - zu einem international beachteten Zentrum der neutestamentlichen Textkritik.

Alte Bibelhandschriften zu vergleichen, um einen möglichst genauen ursprünglichen Text zu gewinnen, das war Tischendorfs wissenschaftliche Absicht. Diese Aufgabe hat er meisterhaft erfüllt.

Constantin Tischendorf wurde in Lengenfeld im Vogtland geboren. Er besuchte die Bürgerschule in seinem Geburtsort und ging 1829 an das Gymnasium in Plauen. An der Universität Leipzig begann er 1834 das Studium der Theologie und wurde durch seinen Lehrer Georg Benedikt Winer schon bald auf sein späteres Hauptarbeitsgebiet, die Textkritik des Neuen Testaments, geführt.

1838 schloss er sein Studium als Doktor der Philosophie ab und habilitierte sich 1840 in Leipzig. Bereits mit 24 Jahren wurde er Privatdozent und mit 30 Jahren Professor für Neues Testament. An der Universität Leipzig hat er bis zu seinem Tod am 17. Dezember 1874 gewirkt.

Er unternahm ausgedehnte Studienreisen durch Europa und später in den Orient mit der Absicht, alte Bibelhandschriften aufzuspüren. Er war immer auf der Suche nach frühen Quellen zum Neuen Testament. Spektakulär war sein Besuch des berühmten Katharinenklosters auf der Sinai-Halbinsel. Dort fand Tischendorf in einem Korb, wie sie zur Aufbewahrung von Pergamenten benutzt wurden, eine der ältesten und wichtigsten fast vollständigen Bibelhandschriften des 4. Jahrhunderts, den dann später so genannten Codex Sinaiticus. 1844 entdeckte er die ersten 43 Blätter, 15 Jahre später den Rest. Er enthielt große Teile des Alten Testaments und das gesamte Neue Testament.

Codex Sinaiticus
Der Codex Sinaiticus im Bestand der Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Leipzig.

Die Reise zum Sinai wurde vom russischen Zaren finanziert, der nicht nur eine Faksimilie-Ausgabe der Handschrift veranlasste, sondern Tischendorf auch in den Stand des russischen Verdienstadels erhobt. Eine Anerkennung, die von ganz besonderer Bedeutung war. Seine wissenschaftlichen Entdeckungen fanden hohe Beachtung in Wissenschaft und Forschung. Auf dieser Grundlage entstand der Text des griechischen Neuen Testaments, den er in acht Auflagen herausbrachte. Die große kritische Ausgabe, die "Editio octava critica major" von 1869/72, ist bis heute das Standardwerk der textkritischen Arbeit am Neuen Testament. Es gelang Tischendorf, damit einen zuverlässigen Text des Neuen Testaments zu erarbeiten, der dem ursprünglichen Text des ersten (und möglicherweise auch zweiten) Jahrhunderts ganz nahe gekommen ist; an über 3000 Stellen konnte er gegenüber vorhergehenden Bibelausgaben den Text in den Ursprachen verbessern und erreichte damit das Ziel seiner wissenschaftlichen Arbeit.

Bis heute wird Tischendorf jedoch immer wieder der Unlauterkeit bezichtigt. Im Katharinenkloster zeigte man eine "Quittung", deren (unvollständiger) Wortlaut den Vorwurf begründen soll, Tischendorf habe den Codex gestohlen. Diese Darstellung entbehrt jedoch jeglicher Grundlage und stellt eine bewusste Verdrehung der Tatsachen dar, die ausreichend dokumentiert sind.

Tischendorf ist einer der bedeutendsten Paläographen nicht nur des 19. Jahrhunderts. Er ist ein hoch angesehenes Mitglied der Universität. Die Bedeutung der Arbeit Tischendorfs und die Forschung zu den Papyrifunden wird u.a. durch Kurt Aland (1915 - 1994) hervorgehoben.

Hervorzuheben sind auch seine künstlerischen Neigungen sowie seine Verbindungen zu Felix Mendelssohn-Bartholdy und Robert Schumann.
Tischendorf und Mendelssohn-Bartholdy waren in Leipzig direkte Nachbarn. Ihre Freundschaft ist jedoch kaum erforscht. Auch mit Robert Schumann, dessen Nachbar er in Leipzig war, verband ihn eine enge Freundschaft. Im Nachlass sind eine Reihe von Briefen an Schumann erhalten. Tischendorf war mehrfach Schumanns Vermittler zu dessen Freunden und Weggenossen wie Kastner, Berlioz, Heller, Chopin und Liszt. Er soll auch Mitarbeiter an Schumanns "Neuer Zeitschrift für Musik" gewesen sein, doch sind seine Beiträge wie die vieler anderer Autoren bis heute nicht nachgewiesen.

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