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Die Gründung des Reichsgerichts
in der Aula der Universität Leipzig

Die Gründung des Reichsgerichts in Leipzig erfolgte am 01.10.1879 auf der Grundlage des Errichtungsgesetzes. Gleichzeitig stellte das Reichsoberhandelsgericht seine Tätigkeit ein. Bei der Standortwahl konnte sich in der damaligen Länderkammer Leipzig mit 30 Stimmen knapp gegenüber Berlin (28 Stimmen) durchsetzen. Für den Standort Leipzig sprach seine zentrale Lage, der lebhafte kommerzielle und geistige Verkehr und besonders der durch die Juristische Fakultät und andere universitäre Einrichtungen ermöglichte wissenschaftlichen Austausch.
Bis zur Errichtung des Neubaus für das Reichsgericht (1888 bis 1895) vermietete der Rat der Stadt Leipzig nach längeren Verhandlungen mit dem Reichsjustizamt dem höchsten deutschen Gericht als Arbeitsort die Georgenhalle in der Ritterstraße. Dort fehlte jedoch ein großer Versammlungsraum.

Aula

Die Aula der Universität Leipzig im Augusteum (aus der Fotosammlung des UAL)

Aus diesem Grunde fand die feierliche Eröffnung mit einem Festakt am 01.10.1879 in der Aula der Universität Leipzig statt. Die Presse in Leipzig schenkte der Gründung des Reichsgerichts und dem Festakt große Aufmerksamkeit, ebenso wie den weiteren Veranstaltungen, die in diesem Rahmen stattfanden: dem Festmahl im Gewandhaus, dem Ball im Neuen Theater, einem Sinfoniekonzert unter Leitung von Arthur Nikisch, ebenfalls im Neuen Theater, und schließlich dem Bürgerabend im großen Saal der Zentralhalle.


 
Eduard von Simson  
Im Mittelpunkt des Festakts in der Aula der Universität stand die Amtseinführung und Vereidigung des ersten Präsidenten des Reichsgerichts, Eduard von Simson, der Mitglieder des Gerichts, der Reichsanwaltschaft und der Rechtsanwaltschaft am Reichsgericht durch den damaligen Staatssekretär Friedberg. Der Wunsch nach der Fortsetzung der justiziellen Tradition des Reichsoberhandelsgerichts, das sich trotz der kurzen Zeitspanne seines Bestehens zunächst als Bundesoberhandelsgericht des Norddeutschen Bundes und dann als Reichsoberhandelsgericht auf den Gebieten seiner Zuständigkeit ein hohes Ansehen erworben hatte, fand bei der Eröffnungsfeier besondere Erwähnung. Umrahmt wurden die Amtshandlungen von Ansprachen des neu ernannten Präsidenten, der Reichsanwaltschaft, der Rechtsanwälte beim Reichsgericht, der Stadt und der Universität. Am Schluss gab es eine Ergebenheitsbekundung sämtlicher Teilnehmer der Versammlung an den Kaiser mit einem dreifachen Hoch, wie es zur damaligen Zeit üblich war.
Zweierlei verdient im Zusammenhang mit der feierlichen Eröffnung besonders hervorgehoben zu werden. Zum einen, dass mit der Eröffnung des Reichsgerichts endlich die nationale Vision von der Rechtseinheit des Deutschen Reiches in Erfüllung ging, und zum anderen, dass mit der Errichtung des Gerichtes gerade in Leipzig die Tradition des dort bis dahin tätigen Reichsoberhandelsgerichts fortgeführt werden sollte.
Die nationale Rechtseinheit war mit der Schaffung einer einheitlichen Höchstgerichtsbarkeit für das gesamte deutsche Reich aber noch nicht vollendet. Rechtseinheit bestand lediglich auf dem Gebiet des Handels- und Wechselrechts durch das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 und die bereits 1848 vom Deutschen Bund verabschiedete Allgemeine Deutsche Wechselordnung sowie auf dem Gebiet des Strafrechts durch das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1871, das aus dem Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund von 1870 hervorgegangen war, und schließlich für das Gerichtsverfassungs- und das Verfahrensrecht durch die zwei Jahre zuvor verabschiedeten sogenannten Reichsjustizgesetze von 1877, auf deren Vorschriften auch die Errichtung des Reichsgerichts beruhte. Ein Abschluß wurde erst mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 01.01.1900 erreicht.

Am 01.10.2004 jährte sich die Eröffnung des Reichsgerichtes in Leipzig zum 125. Male. Aus diesem Anlass veranstaltete die Juristenfakultät der Universität Leipzig im ehemaligen Reichs- gerichtsgebäude - in dem heute das Bundesverwaltungsgericht seinen Sitz hat - ein Festkolloquium, das an Gründung, Stellung, Rechtsprechung und Personen des Reichsgerichtes erinnerte. Die Veranstaltung versammelte zahlreiche Vertreter der gesamten Gerichtsbarkeit und der Rechtswissenschaft. Nach einem Überblick über das Reichsgericht als Höchstgericht im Wandel der Zeiten folgte eine Untersuchung zum Verhältnis zwischen Gericht und Leipziger Universität. Zwei Reichsgerichtspräsidenten wurden lebens- und werkgeschichtlich porträtiert.
Das Reichsgericht hat im Verlaufe seiner Geschichte und auch nach seinem Ende wiederholt im Mittelpunkt von öffentlichen Feierlichkeiten gestanden.

Quelle:
Kern, B.; Schmidt, A. (Hrsg.): 125 Jahre Reichsgericht, Berlin 2006

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