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Der Neubau der Universitätsbibliothek

Mit der Übereignung des Paulinerklosters durch Herzog Moritz von Sachsen im Jahre 1543 gelangte auch die Klosterbibliothek in Universitätsbesitz. Dazu kamen die Bibliotheken weiterer säkularisierter Klöster. Aus diesen Anfängen der Universitäts-bibliothek entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte die Bestände an Druckwerken und Handschriften durch systematische Ankäufe sowie die Übernahme von Sammlungen und Nachlässen, ferner durch Schenkungen und Stiftungen in zunehmend größerem Umfang.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte die Bibliothek eine Größe erreicht, die trotz Umbau und Erweiterung im Mittelpaulinum die Möglichkeiten der Unterbringung im Universitätskomplex am Augustusplatz sprengte. 1882 wurde auf Weisung des Kultusministeriums, dem die Universitätsbibliothek seit 1830 unterstand, mit der Vorbereitung eines Neubaus begonnen. Da das weder auf dem Areal des ehemaligen Paulinerklosters noch in dessen unmittelbarer Umgebung möglich war, wurde ein Grundstück am südwestlichen Rand der Innenstadt - im Musikviertel - dafür vorgesehen, das von der Stadt erworben worden war.
Für das Gebäude mit einer Kapazität von 800 000 Bänden an der Beethovenstraße zwischen Grassistraße und Wilhelm-Seyffert-Straße wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben, den 1885 der Leipziger Arwed Roßbach gewann.

Grundriss
Grundriss der Hauptebene mit den Lesesälen

Der im Stil der Neorenaissance ausgestaltete Entwurf entsprach sowohl funktionell als auch künstlerisch den Erwartungen der Universität, der Stadt und der Staatsregierung. Der Grundriss war so gestaltet, dass die Bereitstellung der Bücher aus den Magazinen ohne Betreten der den Besuchern zugänglichen Räume, also des Lesesaals, der Bücherausgabe und des Katalogsaals, möglich war. Die Bücherspeicher mit der geforderten Kapazität konnten durch Anbauten bei Aufrechterhaltung des Betriebs vergrößert werden. Der Hauptteil der Fläche war für die Unterbringung der Bücher in geschlossenen Magazinen bestimmt, die gegeneinander feuersicher abzuschließen waren. Der Anteil der für die Benutzer zugänglichen Räume war deutlich geringer.
Von der großen Eingangshalle führten repräsentative Treppen in rotem und weißem Marmor zur Ebene der Lesesäle. Dort befanden sich der allgemeine Lesesaal mit 150 Plätzen, ein Professorenlesesaal, ein Zeitschriften- und Zeitungslesesaal, ein Kartensaal und ein Bibliographiesaal. Im Freihandbereich standen 4000 Bände zu Verfügung.
Die mehr als 100 m lange Sandsteinfassade in der Beethovenstraße ist klar gegliedert. Gegenüber dem Souterrain und Erdgeschoss umfassenden Sockelgeschoss heben sich Hauptgeschoss und Obergeschoss deutlich ab. Der Mittelbau hat drei große Tore in der Höhe des Sockelgeschosses und darüber sechs Säulen, die eine figurengeschmückte Attika tragen. Auch die Eckbauten sind hervorgehoben und haben im Bereich des Haupt- und des Obergeschosses je vier Säulen. Zwischen dem Mittelbau und den Eckbauten sind je sieben Fenster unterschiedlicher Höhe entsprechend den vier Geschossen. Die Fassade, aber auch die Innenräume und hier besonders die Eingangshalle waren mit bildhauerischen Kunstwerken, mit Wand- und Deckenmalerei sowie Gemälden ausgestaltet.
Fassade

Bibliotheca Albertina - Fassade Beethovenstraße

In unmittelbarer Nachbarschaft zur Universitätsbibliothek entstanden um die gleiche Zeit weitere repräsentative Bauten: die Kunstakademie, das Reichsgericht, das neue Gewandhaus und das Konservatorium.

Die Landstände genehmigten 1886 das Projekt, Anfang 1887 war Baubeginn und bereits im Mai 1889 Richtfest. Am 24. Oktober 1891 wurde das schöne Bauwerk als Bibliotheca Albertina eingeweiht. Die Kosten betrugen 2 645 552 Mark 1.

Wenige Wochen vor Ende des 2. Weltkrieges, am 6. April 1945, wurde die Universitäts-bibliothek bei einem Luftangriff auf Leipzig zu zwei Dritteln zerstört. Besonders der Ostflügel, das Treppenhaus und der große Lesesaal waren davon betroffen. Da ein großer Teil der Buchbestände ausgelagert war, konnten die meisten Druck- und Handschriften gerettet werden. Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre wurden nur Sicherungsmaßnahmen und Teilinstandsetzungen durchgeführt. Ein Wiederaufbau war in der DDR nicht möglich.
Erst nach der politischen Wende wurde 1990 mit vorbereitenden Arbeiten für die Rekonstruktion, Erweiterung und Modernisierung begonnen. In der Zeit von 1992 bis 2002 erfolgte der Wiederaufbau. Dabei wurden u.a. die Innenhöfe überdacht, um weitere Lesesäle zu schaffen. Genau 111 Jahre nach der Einweihung, am 24. Oktober 2002, konnte die Bibliotheca Albertina wieder in vollem Umfang eröffnet werden. In den Magazinen stehen heute rund 3,2 Millionen und im Freihandbereich 200 000 Bände. Die Lesesäle verfügen über 780 Plätze.

Quellen:
Drucker, R.: Die Universitätsbauten 1650-1945 in Füßler, H. (Hrsg.): Leipziger Universitätsbauten, Leipzig 1961; S. 189-192
Bruck, R.: Arwed Rossbach und seine Bauten, Berlin 1904; S. 66 - 74
Jäger, R. (Red.): 450 Jahre Universitätsbibliothek Leipzig 1543 - 1993 , Geschriebenes aber bleibt [Ausstellungskatalog]; Leipzig 1993
Henschke, E. (Hrsg.): Die Bibliotheca Albertina in Leipzig - Festschrift zum Abschluss des Wiederaufbaus im Jahre 2002; München 2002
http://www.ub.uni-leipzig.de/Wir_ueber_uns/geschichte.htm
Universitätsbauten Roßbach http://www.htwk-leipzig.de/wiwi/wirtinformatik/win/rossbach/architektur/universitaet.html
Baugeschichte der Universität Leipzig http://axes.informatik.uni-leipzig.de/~zerbst/uni_hist/bau.htm

1 Eulenburg, F.: Die Entwicklung der Universität Leipzig in den letzten hundert Jahren, Leipzig 1909; S.162

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