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Karl Lamprecht und das Institut für Kultur- und Universalgeschichte

Mit dem Sommersemester 1891 wurde der 35jährige Karl Lamprecht als Ordinarius für mittelalterliche und neuere Geschichte an die Universität Leipzig berufen, der er bis zu seinem Tode ein Vierteljahrhundert angehört und die Entwicklung der Geschichts-wissenschaft mitgeprägt hat.
Lamprecht wurde am 25.02.1856 in Jessen geboren. Nach dem Besuch der Gymnasien in Wittenberg und Schulpforta studierte er ab 1874 in Göttingen, Leipzig und München Geschichte, Nationalökonomie und Kunstgeschichte. 1878 wurde er an der Universität Leipzig promoviert, 1880 habilitierte er sich in Bonn und wurde dort Privatdozent und 1888 außerordentlicher Professor. 1890 trat er sein erstes Ordinariat in Marburg an, ehe er ein Jahr später nach Leipzig ging und neben Wilhelm Maurenbrecher zweiter Direktor des Historischen Seminars wurde.
 
Lamprecht
  Karl Lamprecht
In seiner wissenschaftlichen Arbeit widmete er sich besonders der Wirtschaftsgeschichte und der Kulturgeschichte. Noch in seiner Bonner Zeit hatte er mit der Arbeit an seinem mehrbändigen Werk "Deutsche Geschichte" begonnen, 1891 erschienen der erste Band und bis Mitte der neunziger bereits fünf Bände. Darin und in seinen anderen Publikationen entwickelte Lamprecht seine neue Richtung der Geschichts- wissenschaft mit der Kulturgeschichte als Grundlage und der Abkehr von der vorherrschenden politischen Geschichtsschreibung, die sich an der Erforschung der Tätigkeit großer Staatsmänner orientierte. Er glaubte Gesetzmäßigkeiten in der Entwicklung der Völker er- kennen zu können und leitete aus den sozialpsychischen Kräften eine Periodisierung der Geschichte ab. Auch die Ergebnisse der Naturwissenschaften waren für ihn Kräfte für die Entwicklung der Geschichte. Einen Einfluss auf sein Geschichtsbild hatte zweifellos auch die enge Verbindung zu Wilhelm Ostwald und Wilhelm Wundt, mit denen er dem Leipziger Positivistenkreis angehörte. 1
Die Geschichtsauffassung Lamprechts war Anlass für eine erbitterte Auseinandersetzung unter den Historikern in Deutschland, dem sog. "Methodenstreit". Während seine Anhänger ihm begeistert zustimmten undRezensenten, wie der Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung Franz Mehring, wohlwollend urteilten, bekämpften ihn seine Gegner heftig.
Czok nennt vier Gründe für die Ablehnung der Anschauungen Lamprechts durch seine Kritiker:

  1. Die Vernachlässigung des Staatsgedankens und des Primats des Staates vor Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur,
  2. die Anerkennung von Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte, die zu Materialismus und Marxismus führe,
  3. die Einbeziehung der Völkerpsychologie in die Geschichtswissenschaft,
  4. die zahlreichen Fehler in seinen Arbeiten. 2
Obwohl dieser Streit auch das Historische Seminar an der Universität Leipzig belastete, gingen von Lamprecht viele Initiativen zur Entwicklung von Forschung und Lehre aus. So unterstützte er die Etablierung der Landesgeschichte in Leipzig. 1893 entstand eine landesgeschichtliche Kommission, aus der 1896 die Sächsische Kommission für Geschichte hervorging. 1898 wurde das Historisch-Geographische Seminar eingerichtet und 1906 das Seminar für Landesgeschichte und Siedlungskunde unter Rudolf Kötzschke gegründet.
Parallel dazu arbeitete er an der Institutionalisierung der Kultur- und Universalgeschichte. 1905 wurde durch Weisung des Kultusministeriums innerhalb des Historischen Seminars eine selbständige Abteilung Kultur- und Universalgeschichte eröffnet, der Karl Lamprecht vorstand. Doch das genügte ihm nicht, und er bemühte sich um die Verselbständigung als eigenes Institut. Er begründete das mit der zunehmenden Bedeutung von Völkerpsychologie und Kulturpolitik für seine Geschichtsauffassung. So wurde schließlich 1909 das Königlich Sächsische Institut für Kultur- und Universalgeschichte gegründet. Es war insofern eine Novität, als es zwar der Universität angegliedert war, aber dem Sächsischen Staatsministerium unterstand. Die Gründung war vom damaligen Kultusminister Paul von Seydewitz unterstützt worden. Lamprecht war es gelungen, durch seine Verbindungen zu Industriellen, Bankiers und dem sächsischen Staat umfangreiche Geld- und Bücherspenden zu erhalten. Damit konnte das Institut über eine reichhaltige Bibliothek von 70000 Bänden aus dem In- und Ausland sowie umfangreiche Sammlungen von Originalquellen (darunter 140000 Kinderzeichnungen aus aller Welt) verfügen. Das Institut hatte seinen Sitz im "Goldenen Bären" in der Universitätsstraße. Es war für 140 - 150 Studenten geplant, erreichte aber bald 250, darunter nicht wenige Ausländer. 3
1910/11 war Lamprecht Rektor der Universität und bemühte sich in dieser Funktion um die Realisierung von Plänen zur Reform der Universität. Er entwickelte die internationalen Verbindungen und erreichte eine Veränderung der Universitätsverfassung, die eine Verbessung der studentischen Vertretung und der Selbstverwaltung studentischer Angelegenheiten bewirkte. Aufgeben musste er allerdings seinen Plan einer Verlegung des Universitätsstandorts aus dem Stadtzentrum an den Rand der Stadt.
Im Jahre 1914 entstand auf seine Initiative die "König-Friedrich-August-Stiftung für wissenschaftliche Forschung". Unter deren Dach entstanden Forschungsinstitute, die der Universität verbunden waren, aber aus privaten Stiftungsmitteln finanziert wurden. Das waren die Institute für vergleichende Religionsgeschichte, Psychologie, klassische und neuere Philologie, Archäologie, Indogermanistik, Orientalistik, Geographie, Kunstgeschichte, Völkerkunde, Volkswirtschaftslehre, Musikwissenschaft. 4
Karl Lamprecht starb am 10.05.1915.

Quellen:
Czok, K.: Karl Lamprechts Wirken an der Universität Leipzig, Berlin 1984
Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Band 4.1; Die Institute und Seminare der philosophischen Fakultät an der Universität Leipzig, Die philologische und die philosophisch-historische Sektion, Leipzig 1909; S. 163-168
Stieda, W.: Die Universität Leipzig in ihrem 1000. Semester, Leipzig 1909, S. 133
Lamprecht, K.., Köhler, A. (Hrsg.): Rektoratserinnerungen, Gotha 1917
Czok, K.: Der Höhepunkt der bürgerlichen Wissenschaftsentwicklung, 1871 bis 1917 in Rathmann, L. (Hrsg.): Alma mater Lipsiensis Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, Leipzig 1984; S. 212-216
Huttner, M.: Die Geschichtswissenschaft an der Universität Leipzig im 19. Jahrhundert (1809 - 1909/15)
in http://www.ahf-muenchen.de/Forschungsberichte/Jahrbuch1997/Huttner.shtml#Anfang (eingesehen am 14.07.06)
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Lamprecht (eingesehen am 14.07.06)
http://www.bautz.de/bbkl/l/lamprecht_k_g.shtml (eingesehen am 14.07.06)
http://de.wikipedia.org/wiki/Institut_f%C3%BCr_Kultur-_und_Universalgeschichte (eingesehen am 14.07.06)
http://de.wikipedia.org/wiki/Globalgeschichte (eingesehen am 14.07.06)
http://de.wikipedia.org/wiki/Universalgeschichte (eingesehen am 14.07.06)
http://www.jessen.de/karl.htm (eingesehen am 14.07.06)
http://www.klassiker.historicum-archiv.net/19/lamprecht.htm (eingesehen am 14.07.06)
http://homepage.univie.ac.at/Franz.Martin.Wimmer/stud-arbeiten/vo04arbprobst.pdf (eingesehen am 14.07.06)
http://www.rasscass.com/templ/te_bio.php?PID=2391&RID=1 (eingesehen am 14.07.06)

Fußnoten:
1 Vgl. Czok, K.: Karl Lamprechts Wirken an der Universität Leipzig, Berlin 1984, S. 12
2 Ebenda, S. 13
3 Ebenda, S. 18
4 Ebenda, S. 20

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