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Leipziger Professoren und die Wahl Adolf Hitlers

Angesichts der Weltwirtschaftskrise mehrten sich die Stimmen, die eine starke Staatsführung und eine Entwicklung zu einem autoritären Obrigkeitsstaat befürworteten. Sie erblickten in der Zerstörung des "Weimarer Parteiensystems" eine der Grundvoraussetzungen, Deutschland wieder zu innerer und äußerer Größe zu führen.
Nicht wenige Professoren bereiteten dem Sturz der Republik und dem Machtantritt Hitlers geistig den Boden, wie der Historiker Brandenburg, der Soziologe Hans Freyer oder der Staatsrechtler Richard Schmidt. Eine Minderheit des Lehrkörpers, wie die Professoren Arthur Golf, Georg Gerullis, Hans Überschaar und Hans Volkelt wurden zu offenen Parteigängern Hitlers. Die große Mehrheit des Lehrkörpers sorgte sich vorrangig um den Fortgang der wissenschaftlichen Arbeit und einen störungsfreien Lehrbetrieb. Sie negierte den Zusammenhang von Politik und Wissenschaft.
Zwar verhielten sich viele Professoren und Dozenten dem Nationalsozialismus gegenüber reserviert oder abweisend, aber bürgerlicher Nationalismus, Antikommunismus, elitäre Vorstellungen und andere fortschrittsfeindliche Gesellschaftsauffassungen waren weit verbreitet.
Goetz meinte später: "Es war eine vollkommen vergebliche Sache, an der Universität gegen den Nationalsozialismus aufzutreten, denn ein erheblicher Teil der Dozentenschaft neigte den Ideen dieser radikalen Rechtspartei zu oder hatte keinerlei Lust, sich gegenüber der sichtbar aufsteigenden neuen Macht die Finger zu verbrennen." 1

Goetz hatte frühzeitig warnend seine Stimme erhoben und war ebenso wie Kessler für seinen jüdischen Kollegen Engländer eingetreten, als dieser sich im "Völkischen Beobachter" üblen Verleumdungen ausgesetzt sah. Goetz forderte im Senat disziplinarisches Vorgehen gegen den NSDStB als den eigentlichen Urheber dieser skandalösen Vorgänge. Nach einer weiteren Provokation der Nazi-Studenten an der Universität appellierte er am 14.07.1931 auf der außerordentlichen Senatssitzung an seine Kollegen, endlich energisch den Anfängen zu wehren. Aber auch dieser Appell fand nur eine gedämpfte Resonanz, obwohl Goetz vorrangig die "Würde und Autorität" des Akademischen Senats wahren wollte.

Neben dem physischen und psychischen Terror begann eine bis dahin nie gekannte Militarisierung an der Universität. Ein Beschluss des Asta vom 24.02.1932 forderte, einen Lehrstuhl für Wehrwissenschaft einzurichten. Die Philosophische Fakultät verschloss sich zwar aus finanziellen Gründen dieser Forderung, hielt aber die Durchführung einer wehrwissenschaftlichen Vorlesungsreihe für wünschenswert. Bereits seit 1929 existierte ein "Wehramt" zur Koordinierung auf diesem Gebiet. Vor allem das Institut für Leibesübungen hatte seit Jahren eine "große Zahl von Studenten im Wehrsportgedanken" erzogen und erklärte sich 1932 bereit, im Sinne des Reichskuratoriums für Wehrertüchtigung die Ausbildung von jährlich 260 Studenten zu sichern.
Die Nazi-Studenten, meist in der Uniform der SA, beherrschten mehr und mehr die Szenerie an der Alma mater.

Nachdem Hitler am 30.01.1933 Reichskanzler geworden war, schlossen sich vor der Wahl am 05.03.1933 nicht wenige Hochschullehrer dem Aufruf des Rektors der Universität Jena an, der dazu aufforderte, den von der Reichsregierung eingeschlagenen Weg der "nationalen Erhebung" zu unterstützen. Aber nicht alle Professoren ließen sich gleichschalten. Zu denen, die ihre Unterschrift nicht gaben, gehörte der Ordinarius für Theoretische Physik Werner Heisenberg.

Um Ziele im Geist einer großdeutschen Vision zu erreichen, wurden frühzeitig Überlegungen zur Erziehung im Sinne des Nationalsozialismus angestellt. Es entstand ein "Sicherheitsdienst der NS-Studentenstürme". In einem Schreiben vom 10.03.1933 an den Rektor wurde gefordert, Habilitationen von Juden und Ausländern zu verhindern, die "Leipziger Volkszeitung" und die "Neue Leipziger Zeitung" innerhalb der Universität nicht mehr auszulegen und sie durch den "Völkischen Beobachter" zu ersetzen, und den Boykott gegen die Juden konsequenter umzusetzen.
Daraus ist ersichtlich, dass schon anlässlich der Machtübernahme 1933 die Universität auf völkisches Denken und die nationalsozialistische Ideologie eingestimmt war. Es gab unter den führenden Repräsentanten und profilierten Gelehrten der Universität damals kaum einen offenen oder gar organisierten Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Viele gingen davon aus, dass deren politisches Auftreten keine Erscheinung von Dauer sein werde.
Für das frühe Auftreten der Ideologie des Nationalsozialismus war an der Universität Leipzig vor allem eine teilweise fanatisierte Studentenschaft verantwortlich. Es gab aber nicht nur unter den Studenten, sondern auch im Lehrkörper einen Personenkreis, der die Gleichschaltung der Universität bereitwillig und überzeugt betrieb.

1 Goetz, W.: Historiker in meiner Zeit, Köln/Graz 1957, S. 78

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