In vielen europäischen Ländern hatten Frauen schon früher Zugang zum Studium als im Deutschen Reich, z.B. in Russland seit 1860, in Frankreich seit 1863. An der Universität Leipzig waren Frauen seit 1870/71 zwar als Gasthörerinnen geduldet, aber ihnen war untersagt, Prüfungen abzulegen. Damit nahm die Leipziger Universität neben Heidelberg eine positive Rolle unter den deutschen Universitäten ein. Bis zum akademischen Berufsabschluss für Frauen war es aber noch ein weiter Weg.
Erst mit einem Erlass des sächsischen Ministeriums für Kultus und öffentlichen Unterricht wurde im Sommersemester 1906 Frauen die Möglichkeit zugestanden, sich an einer Universität regulär einzuschreiben. Zu dieser Zeit erhielt Marie Curie an der Sorbonne in Paris bereits eine Professur. In Deutschland erfüllte sich mit der Möglichkeit zu studieren die Hoffnung der Frauen auf freien Zugang zu akademischen Berufen noch nicht. Erst 1920 wurde das Habilitätsverbot für Frauen in ganz Deutschland aufgehoben.
Die bildungsmäßigen Voraussetzungen für ein Studium von Frauen waren erst gegeben, als der Allgemeine Deutsche Frauenverein und der Frauenverein "Reform" 1893 in Karlsruhe und Berlin und 1894 in Leipzig Mädchengymnasien gründeten. Vorher gab es keine Schulen, die Mädchen die Ablegung des Abiturs ermöglichten. Sie konnten sich nur privat auf das Abitur vorbereiten und dieses als Externe an Jungengymnasien ablegen.
1906 schrieben sich 27 Frauen in die philosophische und medizinische Fakultät der Universität Leipzig ein. Sie strebten vor allem Berufsabschlüsse für das wissenschaftliche Lehramt und als Ärztinnen an.
Die ersten Studentinnen waren Töchter von Professoren, Rechtsanwälten, Fabrikbesitzern usw., die ein Studium finanzieren konnten. Ihre Motive waren unterschiedlich, vom Wunsch nach wissenschaftlicher Bildung und Ausüben eines akademischen Berufes bis zur zeitlichen Überbrückung vor der Eheschließung.
Das Frauenstudium entwickelte sich langsam. Während des Ersten Weltkrieges wurden viele Studenten zum Wehr- und Kriegsdienst einberufen und fielen im Krieg. Das verschlechterte die Heiratschancen für Frauen und veranlasste so manche, ein Studium zur Existenzsicherung aufzunehmen. 1914/15 waren in Leipzig 200 Studentinnen immatrikuliert. Das entsprach einem Anteil von 4,85 %.
In der Weimarer Republik erhielten die Frauen das Wahlrecht und wurden in der Reichsverfassung von 1919 den Männern gleichgestellt. Das war die Grundlage der Zulassung von Frauen zu Berufen im Öffentlichen Dienst. Die Zahl der weiblichen Studierenden nahm zu, und allmählich kamen auch Töchter aus dem Mittelstand an die Universitäten.
In Leipzig war der Frauenanteil bis zum Wintersemester 1925/26 mit 363 Studentinnen schon auf 8,4 % angestiegen, und im Wintersemester 1926/27 hatte er 9,8 % erreicht.1
Am Ende der Weimarer Republik setzte allerdings ein negativer Trend ein, und die Zahl der Studentinnen stagnierte. Es hatte immer auch Ressentiments gegenüber dem Frauenstudium gegeben. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise verschärfte sich die Polemik gegen das Frauenstudium. Die Frauen wurden als Ursache für die unter Akademikern zunehmende Arbeitslosigkeit hingestellt. Bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten kam es zu Forderungen nach Zulassungsbeschränkungen für Frauen. Zum Beispiel forderte der Verband Deutscher Medizinerschaften 1932 einen Numerus Clausus für Medizinstudentinnen. Frauen wurden von den Männern als unerwünschte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt gesehen. Die Nationalsozialisten reduzierten die Zahl der Studentinnen dann erheblich, aber ihren Ursprung hatte die frauenfeindliche Einstellung bereits in der Weimarer Republik.
1 Krause, K.: Alma mater Lipsensis, Geschichte der Universität Leipzig von 1409 bis zur Gegenwart, Leipzig 2003, Seite 250