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Das Mathematische Institut
in der Weimarer Republik

Seit dem sechsjährigen Wirken Felix Kleins hatte Leipzig einen Ruf als angesehene Stätte der mathematischen Forschung und Lehre. Viele bedeutende Mathematiker haben nach Kleins Weggang 1886 in Leipzig geforscht und gelehrt.
Am Beginn des 20. Jahrhunderts, auch nach dem Ersten Weltkrieg verteidigten die Mathematiker Leipzigs guten Ruf. Insbesondere Otto Hölder (1899 berufen, beschäftigte sich mit Grundlagen der Geometrie, Algebra, Potentialtheorie, Differentialgleichungen, Zahlentheorie), Carl Rohn (1905 berufen, Geometer) und Gustav Herglotz (1908 berufen, befasste sich mit Problemen der Relativitätstheorie und der Differentialgeometrie, setzte die Tradition in der mathematischen Physik in Leipzig fort) nahmen eine hervorragende Stellung ein.
Noch im Ersten Weltkrieg wurde Walter Schnee 1917 zum Professor berufen und wirkte fast 40 Jahre am Mathematischen Institut. Sein Interesse galt insbesondere zahlentheoretischen Problemen.

 
Lichtenstein
  Leon Lichtenstein (UAL FS_N01902)
Der Tod von Carl Rohn 1920 führte zu einer langwierigen Suche nach einem Nachfolger. Otto Hölder setzte sich für die Berufung des polnisch-jüdischen Mathematikers Leon Lichtenstein ein. Lichtenstein wurde 1878 in Warschau geboren, kam 1894 nach Deutschland und studierte in Berlin Technik und Mathematik. Lichtenstein war Ordinarius für Mathematik an der Universität Münster und schien besonders durch seine Tätigkeit an der Technischen Hochschule Berlin - Charlottenburg geeignet, die Leipziger Tradition der mathematischen Physik entscheidend voranzubringen. 1922 wurde er in Leipzig berufen. Er hatte 1918 die "Mathematische Zeitschrift" begründet und gab das "Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik" heraus.
Zu Lichtensteins Schülern gehörten u.a. Ernst Hölder, der Sohn von Otto Hölder, und Erich Kähler, die beide am Leipziger Mathematischen Institut lange Zeit gewirkt haben.

Die Nachfolge von Herglotz trat Paul Koebe an, der sich als Funktionstheoretiker bei der Behandlung des Uniformierungsproblems großen Ruhm erwarb, das er gleichzeitig mit dem französischen Mathematiker Henri Poincaré löste.
1927 erfolgte die planmäßige Emeritierung Otto Hölders. Bis 1931 dauerten die Bemühungen um die Neubesetzung der Stelle durch den Niederländer Bartel Leendert van der Waerden. Er setzte die von Hölder, Rohn und Herglotz gepflegten Traditionen in Algebra und Geometrie fort und beteiligte sich an den Forschungen zur Quantenmechanik gemeinsam mit Werner Heisenberg und Friedrich Hund.

Mit dem Erstarken des Nationalsozialismus setzten auch am Mathematischen Institut Repressalien besonders gegen die Professoren Lichtenstein, van der Waerden und Levi ein. Die Entlassung Levis konnte zunächst durch den Protest des Dekans Ludwig Weickmann und der Direktoren des Mathematischen Instituts verhindert werden. Zwei Jahre später erfolgte sie doch. Der Protest van der Waerdens, Heisenbergs und Hunds dagegen führte zu ernsthaften Konflikten mit den Nationalsozialisten. Van der Waerden bekam einen Verweis. Lichtenstein starb 1933 an Herzversagen, nachdem fanatische Anhänger der NSDAP die ordnungsgemäße Durchführung von Lichtensteins Vorlesung verhindert und eine Hetzkampagne in der Presse gegen ihn gestartet hatten.

Quellen:
Rathmann,L.(Hrsg.): Alma mater Lipsiensis  Geschichte der Karl-Marx-Universtät Leipzig, Leipzig 1984, S.239
http://www.math.uni-leipzig.de/preprint/2007/p1-2007.pdf, eingesehen am 19.09.2007


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