Methode oder Theorie?

Kulturelle Transfers zu untersuchen, ist ein Unternehmen, das einen in ganz verschiedene Richtungen führen kann. Das liegt natürlich zuerst an der Sache selbst, denn solche Aneignungsprozesse haben keine vorher feststehende Richtung. Daraus ergibt sich eine grundsätzliche globale Ausrichtung, auch wenn nicht alle Akteure in allen Gesellschaften zu jedem Zeitpunkt die ganze Welt im Blick haben. Bei der Entdeckung dieser transregionalen Verbindungen stehen wir oftmals noch ziemlich am Anfang, denn die Geschichtskulturen haben viele von ihnen eher zum Vergessen gebracht als sie hervorzuheben.

Allerdings hat die Kulturtransferforschung seit den 1980er Jahren vom parallelen Aufschwung der Globalgeschichte, der transnationalen und transregionalen Kultur-, Politik- und Wirtschaftsgeschichten, der Migrations- und der Interkulturalitätsforschung profitiert – kurz: von einem bis in die allgemeine Öffentlichkeit reichenden Interesse an globalen Prozessen.

Damit stellte sich aber auch die Frage nach dem Verhältnis all dieser Trends zueinander. Die Kulturtransferforschung ist Teil einer ganzen Familie von Ansätzen, die sich mit Begegnung, Austausch, Aneignung, Anverwandlung beschäftigen und dabei die schwierige (um nicht zu sagen: zu keinem Konsens zu bringende) Frage, was nun eigentlich eine Kultur in diesen Prozessen ausmache, ganz unterschiedlich beantworten.

Viele Untersuchungen, die in den letzten Jahrzehnten unter Bezug auf das Konzept der transferts culturels veröffentlicht wurden, rechnen sich einer erneuerten Kulturgeschichte zu. Offen geblieben ist dabei die Frage, ob es sich um eine spezifische Methode oder gar Methodologie für das Grundsatzproblem von Vergleich und Verflechtung handelt, dem allgemeinere Gültigkeit für den Umgang mit ganz unterschiedlichen empirischen Fällen zukommt, oder ob es sich „lediglich“ um eine besondere Art des Zugangs zu historischen und Gegenwartkonstellationen handelt, die Methoden aus der Philologie, den Sozial- und Kulturwissenschaften und der Verräumlichungsforschung mischt und auf die Herausforderung des Konstruktivismus eine spezifische Antwort gefunden hat.

Das ist sicher nur eine Dimension, in der die theoretische Debatte zur Entwicklung der Kulturtransferforschung vorangetrieben werden kann und sollte. Aber sie ist sicherlich von allgemeinerem Interesse und findet hoffentlich in diesem Forschungsseminar und vielleicht auch in diesem Blog Antworten.

Von Matthias Middell (Universität Leipzig)