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Das Historische Seminar

Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Geschichte zu einer eigenständigen akademischen Disziplin. Das war mit der Herausbildung des notwendigen methodischen Instrumentariums zum Quellenstudium und für die Forschung sowie neuer Formen der Lehre verbunden. Dazu leisteten in Leipzig tätige Gelehrte wie Wilhelm Wachsmuth (Ordinarius für Geschichte von 1825 bis 1866), Friedrich Christian August Hasse (Ordinarius für historische Hilfswissenschaften von 1828 bis 1848), Heinrich Wuttke (Ordinarius von 1848 bis 1876) und Georg Voigt (Ordinarius von 1866 bis 1891) einen wichtigen Beitrag. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Leipzig zu einem bedeutenden Zentrum der Geschichtswissenschaft 1.
Als Vorläufer eines institutionalisierten Seminars diente die privat organisierte Historische Gesellschaft, die 1828 erstmals erwähnt wurde 2.
 
Noorden
  Carl von Noorden
Nach dem Tode Wuttkes im Jahre 1876 wurde Carl von Noorden auf den Lehrstuhl für historische Hilfswissenschaften berufen, der in einen zweiten Lehrstuhl für Geschichte umgewandelt wurde. Von Noorden war zuvor ordentlicher Professor in Greifswald, Marburg, Tübingen und Bonn gewesen. Er forderte die Einrichtung eines Historischen Seminars, das mit Beginn des Sommersemesters 1877 eröffnet wurde. Sein Forschungsgebiet waren das Mittelalter und die neuere europäische Geschichte. Die von ihm gehaltenen Vorlesungen an der Universität Leipzig waren außerordentlich gut besucht, und er hielt öffentliche Vorträge in verschiedenen Städten.
Seit dem Wintersemester 1880/81 gliederte sich das Königlich Sächsische Historische Seminar in zwei Abteilungen:
     Alte Geschichte unter der Leitung von Viktor Gardthausen zusammen mit
     Eduard Meyer
     Mittlere und Neuere Geschichte mit den Professoren Carl von Noorden und Wilhelm Arndt.
Carl von Noorden starb 1883 im Alter von 50 Jahren. Den Lehrstuhl und die Leitung des Seminars übernahm 1884 Wilhelm Maurenbrecher, der zuvor in Dorpat, Königsberg und Bonn gelehrt hatte. Sein Forschungsgebiet war die Geschichte der Reformation und Gegenreformation. 1891 übernahm Kurt Wachsmuth die Leitung der Abteilung Alte Geschichte neben dem Ordinariat für Altphilologie. Nach dessen Tod im Jahre 1905 wurde der Althistoriker und Papyrologe Ulrich Wilcken als erster Ordinarius für Alte Geschichte berufen. Er hatte großen Anteil am Aufbau der Papyrussammlung der Leipziger Universitätsbibliothek und hat 1906 die Edition von 107 Leipziger Papyri und 16 Ostraka herausgegeben 3.
Ebenfalls 1891 wurde Karl Lamprecht als Nachfolger Georg Voigts und als zweiter Direktor des Seminars für Mittlere und Neuere Geschichte berufen. Nachfolger des 1892 verstorbenen Wilhelm Maurenbrecher wurde 1893 Max Lehmann, nach dessen Weggang 1894 Erich Marcks und 1903 Erich Brandenburg. Weitere Hochschullehrer in diesen Jahren waren Gustav Buchholz, Rudolf Kötzschke und Felix Salomon.
Im Frühjahr 1894 wurde ein "Apparat für geschichtliche Hilfswissenschaften" gegründet und als selbständige dritte Abteilung von Wilhelm Arndt und ab 1895 von Gerhard Seeliger geleitet.
Mit einer ministeriellen Verordnung wurde im Mai 1905 folgende Gliederung des Historischen Seminars - teilweise auch als Historisches Institut bezeichnet - in vier selbständige Abteilungen festgelegt:
     Alte Geschichte (Ulrich Wilcken)
     Mittlere Geschichte und Hilfswissenschaften (Gerhard Seeliger)
     Neuere Geschichte (Erich Brandenburg)
     Kultur- und Universalgeschichte (Karl Lamprecht).
Das Historische Seminar befand sich nach Fertigstellung der Neu- und Umbauten des Universitätskomplexes zwischen Augustusplatz, Grimmaischer Straße und Universitätsstraße Ende des 19. Jahrhunderts im Bornerianum.
Als vorerst letzter Schritt der institutionellen Entwicklung wurde 1909 das Königlich Sächsischen Institut für Kultur- und Universalgeschichte gegründet und aus dem Historischen Seminar ausgegliedert (siehe hierzu den Beitrag Karl Lamprecht und das Institut für Kultur- und Universalgeschichte).
Die Anzahl der Studenten, die an den Veranstaltungen des Historischen Seminars teilnahmen, stieg deutlich und folgte damit dem Trend sowohl der gesamten Universität als auch der Philosophischen Fakultät. Ursachen waren das zunehmende Interesse am Studium der Geschichte und besonders an den seminaristischen Übungen. In der Zeit von der Gründung des Seminars bis Mitte der neunziger Jahre waren es 40 bis 60 Studenten, 1900 mehr als 100, im Wintersemester 1905/06 mehr als 200 und 305 im Sommersemester 1908, davon 37 in der Abteilung Kultur- und Universalgeschichte 4.



Mitglieder des Historischen Seminars. In der Mitte links neben des Dame in der weißen Bluse Karl Lamprecht, rechts Rudolf Kötzschke.
(Aus der Photosammlung des Universitätsarchivs Leipzig)

Das Historische Seminar arbeitete eng mit der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zusammen, und eine Reihe von Professoren waren Mitglieder der Akademie. Dazu gehören Erich Brandenburg, Friedrich Christian August Hasse, Rudolf Kötzschke, Karl Lamprecht, Erich Marcks, Friedrich Marx, Wilhelm Maurenbrecher, Carl von Noorden, Gerhard Seeliger, Georg Voigt, Kurt Wachsmuth, Wilhelm Wachsmuth, Ulrich Wilcken.

Quellen:
Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Band 4.1; Die Institute und Seminare der philosophischen Fakultät an der Universität Leipzig, Die philologische und die philosophisch-historische Sektion, Leipzig 1909; S. 145-161
Stieda, W.: Die Universität Leipzig in ihrem 1000. Semester, Leipzig 1909, S. 132/133
Czok, K.: Der Höhepunkt der bürgerlichen Wissenschaftsentwicklung, 1871 bis 1917
in Rathmann, L. (Hrsg.): Alma mater Lipsiensis Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, Leipzig 1984; S. 212-216
Fläschendräger, W.: Zur Vor- und Gründungsgeschichte des Historischen Seminars an der Universität Leizig im Spiegel der Quellen
in Leipziger Beiträge zur Universitätsgeschichte, Leipzig 1989
Friedrich, C.: Erich Brandenburg - Historiker zwischen Wissenschaft und Politik, Leipzig 1998
Blecher, J. und Wiemers, G.: Die Universität Leipzig 1409-1943, Erfurt 2004; S. 77
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Geschichtswissenschaft
http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Wachsmuth
http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Wuttke
Zu Heinrich Wuttke in ADB http://mdz.bib-bvb.de/digbib/lexika/adb/images/adb044/@ebt-link?target=idmatch(entityref,adb0440571)
http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Voigt
http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_von_Noorden_%28Historiker%29
Zu Carl von Noorden in ADB http://mdz.bib-bvb.de/digbib/lexika/adb/images/adb023/@ebt-link?target=idmatch(entityref,adb0230770)
http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Meyer
http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Maurenbrecher
http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Wachsmuth
http://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Wilcken
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Lamprecht
http://www.klassiker.historicum.net/19/lamprecht.htm
http://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Marcks_%28Historiker%29
Zu Gustav Buchholz www.tu-braunschweig.de/Medien-DB/hispaed/akademie-posen.doc
Zu Rudolf Kötzschke www.uni-leipzig.de/journal/gesichter/0504.html

Fußnoten:
1  Vgl. Czok, K.: Der Höhepunkt der bürgerlichen Wissenschaftsentwicklung, 1871 bis 1917
    in Rathmann, L. (Hrsg.): Alma mater Lipsiensis Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig, Leipzig 1984; S. 214
2  Vgl. Huttner, M.: Die Geschichtswissenschaft an der Universität Leipzig im 19. Jahrhundert (1809 - 1909/15)
    http://www.ahf-muenchen.de/Forschungsberichte/Jahrbuch1997/Huttner.shtml#Anfang und
    Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Band 4.1; Die Institute und Seminare der philosophischen
    Fakultät an der Universität Leipzig, Die philologische und die philosophisch-historische Sektion, Leipzig 1909; S. 150
3  Vgl. Scholl, R.: Zur Geschichte und Vergangenheit der Leipziger Papyrussammlung in http://www.ub.uni-leipzig.de/
4  Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig, Band 4.1; Die Institute und Seminare der philosophischen
    Fakultät an der Universität Leipzig, Die philologische und die philosophisch-historische Sektion, Leipzig 1909; S. 156

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